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Fallbeispiele

Handelsrecht und Stellvertretung



Fälle:


Fall 1:
A, der einen Spielwarenladen betreibt, hat dem P Prokura erteilt. Die Prokura ist im Handelsregister eingetragen. Als P wiederholt für A Kinderspielzeug bestellt, das sich als unverkäuflich erweisen, untersagt A dem P den Einkauf, sofern die jeweilige Einkaufssumme 10.000,- überschreitet. Wenig später kauft P beim Großhändler G im Namen des A 100 Spielzeugautos. P offenbart in diesem Zusammenhang dem G die Beschränkung der Prokura, woraufhin dieser zwei Verträge über je 50 Autos zu je 6.000,- anfertigt, die P unterschreibt. G verlangt von A Zahlung von insgesamt 12.000,- und Abnahme der Spielzeugautos.

Fall 2:
Der Auszubildende A verkauft im Philateliegeschäft des K ohne dessen Zustimmung eine Serie altdeutsche Briefmarken für 400 € an den Sammler S. Im Gegenzug möchte S zwei englische Marken mit schönem Motiv aus dem Jahr 1898 aus seiner Sammlung für 150 € verkaufen. A nimmt dieses Angebot an, worauf S 250 € in bar entrichtet. K, der schon häufiger Scherereien mit S wegen zweifelhafter oder mangelhafter Ware hatte, ist mit dem Ankauf der Briefmarken durch A nicht einverstanden. Er geht auch davon aus, dass der Wert der englischen Briefmarken unter 80 € liegt. Er fordert von S die Rückgabe der Serie altdeutscher Briefmarken, wenigstens aber die Zahlung von 150 €. S meint, zur Zahlung nicht oder nur gegen Rückgabe seiner englischen Briefmarken verpflichtet zu sein.

Fall 3:
3. (zur Vertiefung) In Abwesenheit des Geschäftsinhabers K überbringt Lieferant L Ware, die K bei L bestellt hatte. Anwesend ist nur die Angestellte V, der K Handlungsvollmacht erteilt hat. Weil L auf sofortige Bezahlung besteht, indossiert V mit eigenem Namen unter dem Firmenstempel des K einen Wechsel über den geforderten Betrag von 5.000,-. Den Wechsel hatte K von seinem Großkunden G indossiert bekommen. Der Wechsel ist an Order des G gezogen und weist X als Bezogene und Akzeptanten aus. L indossiert den Wechsel an B. Als B am Fälligkeitstag den X aus dem Wechsel in Anspruch nimmt, kann X nicht zahlen. Nach Wechselprotest nimmt B den K aus dem Wechsel in Anspruch. (alle Fälle nach Saar/Müller, 35 Klausuren aus dem Handels- und Gesellschaftsrecht, 3. A. 2006).

Falllösungen:


Fall 1:

G könnte einen Anspruch auf Zahlung von insgesamt 12.000,- und Abnahme der Spielzeugautos aus § 433 II BGB gegen A haben.


A. Anspruch entstanden?

1. Angebot von G ( + )

a. Erklärung zum Abschluss von 2 Kaufverträgen
b. Vertragsinhalt: je 50 Spielzeugautos zum Preis von 6.000,- €

2. Annahme des Angebots durch P - Willenserklärung des P gegenüber G im Namen des A § 164 BGB ( + )


a. Prokura des P ( + )
b. durfte Geschäft annehmen

3. Anspruch ( + )

B. Anspruch untergegangen?

1. Prokura des P gemäß § 48 I HGB ( + )

a. Beschränkung ( + )
b. einheitliche Geschäfte - Beschränkung auf 10.000,- € § 133 BGB

2. Verträge über je 6.000,- €

a. wird als einheitliches Geschäft gewertet
b. Geschäft: 12.000,- € > 10.000,- € Beschränkung
c. P hat keine Befugnbis zu Geschäft im Innenverhältnis

3. Anspruch ( - )

C. Anspruch trotzdem durchsetzbar?

1. Beschränkung des Umfangs der Prokura nicht gegenüber Dritten durchsetzbar § 50 Abs. 1 HGB

a. G wusste nicht von Beschränkung ( - )
b. Sachverhalt: Beschränkung der Prokura durch A bekannt
c. Erklärung des P gemäß 164 Abs. 1 BGB ( - )
d. Kaufvertrag ( - )

2. Anspruch ( - )

G hat somit keinen Anspruch auf Zahlung von insgesamt 12.000,- und Abnahme der Spielzeugautos aus § 433 II BGB gegen A.

2. Fall
Ansprüche des K gegen S
I. Anspruch des K gegen S auf Rückgabe und Rückübereignung der altdeutschen Briefmarken aus § 812 I 1 Var. 1 BGB

1. S hat Besitz und Eigentum an den Briefmarken durch Leistung von K erlangt.
2. Als Rechtsgrund kommt ein Anspruch von S gegen K aus § 433 I BGB in Betracht.
S hat eine Erklärung zum Abschluss eines Kaufvertrages mit K abgegeben.
K hat keine Erklärung abgegeben. A hat eine eigene Erklärung namens des K abgegeben, § 164 I BGB. Weil A mit Wissen und Wollen von K in dessen Laden verkaufsbezogen tätig ist, handelte A als Ladenangestellter, § 56 HGB. Der Verkauf von Briefmarken ist im Laden von K üblich, so dass A zum Abschluss des Vertrages mit S ermächtigt ist.

Es besteht kein Anspruch von K gegen S auf Rückgabe und Rückübereignung der altdeutschen Briefmarken aus § 812 I 1 Var.1 BGB

II. Anspruch des K gegen S auf Zahlung von 150 € aus § 433 II BGB

1. Die Forderung von K gegen S aus einem wirksam geschlossenen Kaufvertrags über die altdeutschen Briefmarken i.H.v. 400 € ist im Umfang von 250 € durch Erfüllung erloschen, § 363 I BGB.
2. Die restliche Kaufpreisschuld im Umfang von 150 € könnte infolge einer Aufrechnung (§§ 398 ff. BGB) durch S erloschen sein.
a) Zwischen S und K besteht eine Aufrechnungslage, wenn S gegen K eine Geldforderung hat, § 387 BGB.
aa) S hat ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages mit K über die Lokomotive gegenüber A abgegeben. Das Angebot des S ist K nach §§ 164 II BGB, 56 HGB zugegangen.
K hat die Annahme des Angebots nicht erklärt.
bb) A, der das Angebot des S namens des K angenommen hat, war zur Annahme nicht nach § 56 HGB berechtigt, weil die Vorschrift nicht für Ankäufe gilt und insofern auch nicht analogiefähig ist. Eine Ermächtigung des A nach § 54 I Var. 3 HGB durch K ist nicht ersichtlich, weil K dem A den Ankauf gebrauchter Ware nicht übertragen hat.
Mangels Vertretungsmacht wirkte die Annahme durch A nicht nach § 164 I BGB gegenüber K.
cc) K hat das Vertretergeschäft nicht genehmigt, § 177 BGB.
b) Zwischen S und K ist kein Kaufvertrag über das Modell zustande gekommen.
c) Mangels Aufrechnungslage ist S nicht nach § 398 BGB im Umfang von 150 € von der Kaufpreisschuld befreit.

K hat einen Anspruch gegen S auf Zahlung von 150 € aus § 433 II BGB.

Anspruch S gegen K
III. Anspruch von S und K auf Übergabe und Rückübereignung der englischen Briefmarken nach § 812 I 1 Var. 1 BGB

K hat Eigentum und Besitz an den Briefmarken durch Leistung von S erlangt. Die Übereignung geschah nach §§ 929 S. 1, 855 BGB, wobei A insoweit nach § 56 HGB als ermächtigt galt.
Weil zwischen K und S ein Kaufvertrag über die Briefmarken nicht zustande gekommen ist, hat K Eigentum und Besitz ohne Rechtsgrund erworben.

S hat gegen K einen Anspruch auf Übergabe und Rückübereignung der englischen Briefmarken aus § 812 I 1 Var. 1 BGB.


Fall 3:
B könnte einen Anspruch auf Zahlung von 5000,- aus dem Wechsel gegen K aus Art. 43 WG haben.

1. B hat einen formgültigen Wechsel in Besitz.
2. Voraussetzungen des Rückgriffs:
Der Wechsel wurde dem G nach Art. 43 I, 38 I WG ordnungsgemäß zur Zahlung vorgelegt. Weil G nicht gezahlt hat, ist der Wechsel nach Art. 43 WG Not leidend.
B hat nach Art. 44, 53 I WG rechtzeitig förmlichen Protest erhoben.
B ist materiell berechtigt, wenn er Eigentümer des Wechsels ist.
Eigentümer des Wechsels war ursprünglich der Aussteller G. G hat das Eigentum nach § 929 S. 1 BGB auf K übertragen.
Der Wechsel kann nach § 929 S.1 BGB an L übereignet worden sein. V und L haben sich über den Eigentumsübergang geeinigt, wobei V im Namen des K gehandelt hat. V war jedoch weder nach § 54 II HGB noch nach § 56 HGB zur Übereignung des Wechsels ermächtigt.
Ein Erwerb des Eigentums durch L nach §§ 929, 932 BGB tritt nicht ein, wenn der Wechsel dem K nach § 935 I BGB abhanden gekommen ist, § 935 I 1 BGB. Das ist der Fall, wenn K den Besitz ohne oder gegen seinen Willen verloren hat. Zur Zeit der Hingabe hatte nur V Zugriff auf den Wechsel; weil V Besitzdienerin ist, war jedoch nur K Besitzer, §§ 854 I, 855 BGB. Mit der Übergabe an L durch V, ist dem K der Wechsel abhanden gekommen. § 935 I BGB findet wegen § 935 II BGB bei Inhaberpapieren keine Anwendung. Der blanko indossierte Wechsel kann wie ein Inhaberpapier übertragen werden; ein solcher Wechsel ist aber ein Orderpapier, so dass § 935 II BGB nicht anwendbar ist. Der Erwerb des Eigentums durch L nach §§ 929, 932 BGB scheitert an § 935 I BGB.
Aus denselben Gründen scheitert ein Erwerb des Wechsels durch B nach §§ 929, 932 BGB an § 935 I BGB.
Nach Art. 16 II WG hat B gutgläubig Eigentum an dem Wechsel erworben, wenn er durch eine geschlossene Indossamentenkette nach Art. 16 I WG legitimiert ist.
Gegen einen solchen Erwerb spricht nicht die von V im Namen des K vorgenommene Indossierung des Wechsels an L. Zwar handelte V als vollmachtlose Vertreterin, auf Vertretungsmacht kommt es aber nach Art. 16 I WG nicht an.
Weder war B der Mangel des Begebungsvertrages bei Erwerb bekannt, noch hat B den Mangel grob fahrlässig nicht erkannt. B hat den Wechsel gutgläubig erworben, Art. 16 II WG.
3. Wechselverpflichtung:
Die Wechselverpflichtung entsteht durch Skripturakt und Begebungsvertrag. K, der selbst keine Verträge geschlossen hat, kann von V vertreten worden sein oder aus Rechtsschein haften.
 Vertretung des K durch V:
Stellvertretung beim Skripturakt setzt voraus, dass sich das Vertretungsverhältnis unmittelbar aus der Wechselurkunde ergibt. Die Zeichnung des Wechsels durch V unter Firmenstempel von K gilt als Zeichnung in Vertretung von K.
Für den Begebungsvertrag können Umstände herangezogen werden, die sich nicht aus der Urkunde begeben. V handelte als Vertreterin ohne Vertretungsmacht, weil weder eine Handlungsvollmacht noch eine Ladenvollmacht zur Begründung der Wechselverbindlich-keiten ermächtigt, §§ 54 II, 56 HGB.
K hat die Zeichnung des Wechsels durch V nicht nach §§ 177 I, 184 I BGB genehmigt, vielmehr hat K die Genehmigung durch Verweigerung der Zahlung endgültig verweigert, § 133 BGB. V hatte keine Vertretungsmacht, ein Begebungsvertrag zwischen L und K ist nicht zustande gekommen.
Eine Haftung von K aus Rechtsschein setzt voraus, dass K oder ein von K bevollmächtigter Vertreter durch Begebungsvertrag oder durch Skripturakt einen Rechtsschein gesetzt hat. Weil K nicht selbst und V als vollmachtlose Vertreterin gehandelt hat, scheidet eine Haftung von K aus Rechtsschein aus.

K haftet nicht aus dem Wechsel.




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