Wettlauf der Sicherungsgeber
Susanne S möchte als selbstständige Hebamme eine eigene Praxis eröffnen. S hat allerdings bisher kein Geld. Daher möchte sie bei der G-Bank einen Kredit aufnehmen. Die G-Bank möchte der S auch ein entsprechendes Darlehen gewähren, verlangt dafür aber entsprechende Sicherheiten.
Susanne wendet sich an ihren Vater Erich E. Erich möchte seiner Tochter natürlich bei der Verwirklichung ihrer Träume helfen und bestellt wirksam eine Buchgrundschuld an seinem Grundstück zu Gunsten der G. Die Bank möchte aber noch eine weitere Sicherheit haben. So wendet sich S an ihren Onkel Bertram B. B liebt seine Nichte wie sein eigenes Kind und hilft ihr natürlich weiter. Sofort verbürgt er sich wirksam selbstschuldnerisch für die Rückzahlung des Darlehens.
Nachdem E und B die Sicherheiten geleistet haben, denken sie aber auch an ihr Vermögen. Sie möchten wissen, was mit ihren Sicherheiten geschehen würde, wenn S die Forderung möglicherweise nicht selbst begleichen kann. Was könnten sie in einem solchen Fall unternehmen? Außerdem möchten E und B wissen, ob sie auch dann gesichert seien, wenn sie selbst das Darlehen zurückzahlen müssen.
Frage: Was wird ihnen der beauftragte Rechtsanwalt Rudi R raten?
I. Variante 1: Persönlicher Schuldner begleicht die Forderung
1. Forderung
Die Forderung aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB erlischt nach § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung.
2. Grundschuld
G bleibt Inhaber der forderungsunabhängigen Grundschuld. E hat aber einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückgewährung gegen G aus der Sicherungsvereinbarung. Diesen Anspruch muss E geltend machen!
3. Bürgschaft
Als akzessorisches Recht geht die Bürgschaft mangels Forderung automatisch unter, § 765 BGB, § 767 abs. 1 S. 1 BGB.
II. Variante 2: Sicherungsgeber E befriedigt den G
1. Forderung
Die Forderung erlischt grundsätzlich nicht (E zahlt auf die Grundschuld, nicht auf die Forderung)
Die Forderung geht aber auch nicht kraft Gesetzes nach § 1143 BGB auf den E über, denn § 1143 BGB setzt eine Akzessorietät von Sicherungsmittel und Forderung voraus. Dies ist zwar bei der Hypothek der Fall, nicht aber bei einer Grundschuld.
Nach h.M. besteht jedoch ein Anspruch des E gegen G auf Abtretung der gesicherten Forderung. Dieser Anspruch muss jedoch geltend gemacht werden! (Ausnahme: Vereinbarung in der Sicherungsabrede, dass Forderung erlöschen soll)
2. Grundschuld
E zahlt auf die Grundschuld. Diese geht daher auf den Eigentümer E als Eigentümergrundschuld über, § 1143 BGB analog.
Aufgrund dieser Rechtsstellung hat der Eigentümer gegen den zu Unrecht im Grundbuch eingetragenen G einen Anspruch auf Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs, § 894 BGB.
Handelt es sich um eine Briefgrundschuld, so kann E von G die Herausgabe des Grundschuldbriefs nach § 952 Abs. 2 BGB, § 985 BGB verlangen.
3. Bürgschaft
Käme der Gläubiger G dem Abtretungsanspruch des E bezüglich der gesicherten Forderung nach, nach müsste aufgrund der Akzessorietät der Bürgschaft nach § 401 BGB auch die Bürgschaft auf den E mit übergehen.
Folge wäre, dass E gegen B aus der Bürgschaft vorgehen kann. B wäre nicht gesichert und müsste E gegenüber das volle Risiko der Zahlungsunfähigkeit der S tragen.
E könnte dagegen die von ihm geleistete Zahlung dadurch vollständig ausgleichen, dass er B in Anspruch nimmt.
So würde der Sicherungsgeber am besten stehen, der am schnellsten zahlt: Problem des Wettlaufs der Sicherungsgeber!!
Diese Lösung ist untragbar. Es werden deshalb verschiedene Lösungsmöglichkeiten des Problems diskutiert. Der BGH löst das Problem wie folgt:
o § 774 Abs. 2 BGB besagt, dass Mitbürgen einander nur nach § 426 BGB haften, also zu gleichen Teilen.
o Diese Regelung wird nun auf alle Sicherungsgeber ausgeweitet.
o Dadurch ist die Haftungsquote unter allen Sicherungsgebern gleichrangig. Die Sicherungsgeber sind somit einander grundsätzlich wie Gesamtschuldner nach § 426 BGB analog ausgleichspflichtig.
Zahlt E zuerst, so kann er zwar die Forderung in voller Höhe verlangen. Die Bürgschaft, also der Anspruch aus § 765 BGB, geht jedoch nur anteilig, vorliegend hälftig, auf ihn über.
III. Variante 3: Bürge B befriedigt den G
1. Forderung
Zahlt der Bürge, so geht die Forderung kraft Gesetzes auf ihn über, § 774 BGB.2. Grundschuld
Zwischen Forderung und Grundschuld besteht keine Akzessorietät. Somit gibt es keinen Übergang der Grundschuld gemeinsam mit der Forderung kraft Gesetzes auf den Bürgen B gemäß § 401 BGB.
Auslegung des Bürgschaftsvertrages ergibt aber Anspruch des B gegen den G auf Abtretung der Grundschuld.
Wiederum Problem des Wettlaufs der Sicherungsgeber!
Nach BGH: Anwendung des § 426 BGB analog.
B kann von G nur die hälftige Abtretung der Grundschuld verlangen.
3. Bürgschaft
Der Anspruch gegen den B aus § 765 BGB erlischt aufgrund seiner Erfüllung.
Hinweis
Fall angelehnt an: Hemmer/ Wüst, Sachenrecht II Immobiliarsachenrecht, Fall 42, S. 223-227.
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