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Dies ist eine alte Version von FallloesungFall8GetunterManta erstellt von JKramer am 2015-12-18 08:12:26.
Fallbeispiel - Getunter Manta
Lösungsvorschlag
1. Lösungsskizze:
Anspruch B gegen K auf Rückzahlung des Kaufpreises nach § 812 I 1 1. Alt. BGB
Voraussetzungen: Anspruch erworben, Anspruch nicht verloren, Anspruch durchsetzbar
I. Anspruch erworben
Voraussetzungen:
- K hat etwas erlangt
- Durch eine Leistung (seitens B)
- Ohne rechtlichen Grund
- Kein Ausschluss des Anspruchs
1. K etwas erlangt (+)
Etwas erlangt = jede vermögensrechtliche Besserstellung des anderen
Hier: B hat K das Geld gem. § 929 BGB übereignet und übergeben.
K ist somit Eigentümer und unmittelbarer Besitzer des Geldes geworden.
2. Durch Leistung des B (+)
Leistung = bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens
Hier: B zahlt an K den Kaufpreis von 15.000 Euro, um seiner Verpflichtung aus Kaufvertrag nachzukommen.
B leistet folglich bewusst und zweckgerichtet an K.
3. Ohne rechtlichen Grund
Rechtsgrund könnte ein zwischen B und K geschlossener Kaufvertrag i. S. d. § 433 BGB sein.
Voraussetzungen:
- Vertragsschluss zwischen B und K
- Inhaltlich Kaufvertrag
- Vertrag wirksam
a) Vertragsschluss (+)
Voraussetzungen: zwei übereinstimmende Willenserklärungen zwischen B und K in Form von Angebot (§ 145 BGB) und
Annahme (§ 147 BGB)
Hier: B und K einigen sich über Kauf des Mantas zum Preis von 15.000 Euro.
b) Inhalt (+)
Hier: Vertrag beinhaltet Kauf eines Mantas
c) Wirksamkeit
Kaufvertrag wäre wirksam, wenn keine Wirksamkeitshindernisse vorliegen.
Mögliches Wirksamkeitshindernis: Anfechtung des Kaufvertrages nach § 142 I BGB seitens des B
Voraussetzungen:
- Zulässigkeit der Anfechtung
- Vorliegen eines Anfechtungsgrundes
- Anfechtungserklärung
- Anfechtungsfrist
- Kein Ausschluss der Anfechtung
aa) Zulässigkeit der Anfechtung (+)
Negativbeispiel: § 164 II BGB
bb) Anfechtungsgrund
aaa) Anfechtung nach § 123 BGB
Voraussetzungen: arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung seitens K und Kausalität des
Anfechtungsgrundes
Hier: In Betracht kommt arglistige Täuschung des K
(1) Täuschungshandlung des K (+)
= Vorspiegeln oder Entstellung von Tatsachen
Hier: Unfallfreiheit eines Fahrzeugs ist Tatsache. K hat durch Falschangabe zur Unfallfreiheit Tatsache
entstellt.
(2) Arglist des K
Arglist ist gleichbedeutend mit Vorsatz. Der Täuschende (hier K) muss die Unrichtigkeit seiner Angaben
kennen oder auch nur für möglich halten. Schädigungswille des K ist nicht erforderlich.
Hier: Zwei Ansichten vertretbar!
Eine Ansicht:
K erklärt in gutem Glauben, dass Manta unfallfrei ist. Er rechnet auch nicht damit, dass seine Aussage
unrichtig ist. Folglich keine Arglist.
Andere Ansicht:
Arglistig sind aber auch Erklärungen „ins Blaue“, aber nur dann, wenn der Handelnde ihre Unrichtigkeit für
möglich hält (BGHZ 63, 382, 386); K hat sich hier lediglich auf die Aussage des Vorbesitzers verlassen,
der Manta sei unfallfrei. Daher konnte K die Unrichtigkeit seiner Aussage zumindest für möglich halten, da
er sich nicht selbst von der Unfallfreiheit des Fahrzeugs überzeugt hatte.
Zwischenergebnis zu Arglist des K
Erste Ansicht (-)
Zweite Ansicht (+)
Der weitere Aufbau folgt der ersten Ansicht! Bei Argumentation der zweiten Ansicht ist mit der
Anfechtungsfrist nach § 124 I BGB fortzufahren.
bbb) Anfechtung nach § 119 II BGB
Voraussetzungen:
- Irrtum hinsichtlich Eigenschaft einer Person oder Sache
- Verkehrswesentlichkeit
- Kausalität
(1) Irrtum über Eigenschaft (+)
Eigenschaftsbegriff: Alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die infolge ihrer Beschaffenheit und Dauer
auf die Brauchbarkeit und die Wertschätzung der Person oder Sache von Einfluss sind.
Wichtig: Nur alle wertbildenden Faktoren, nicht der Wert selbst!
Hier: Auto ist Sache i. S. d. § 90 BGB. B irrt sich über die Beschaffenheit des Mantas.
Er geht davon aus, dass Manta unfallfrei ist.
(2) Verkehrswesentlichkeit der Eigenschaft (+)
Verkehrswesentlich sind Eigenschaften, wenn sie nach der Verkehrsanschauung im Hinblick auf das konkrete
Geschäft für wertbildend gehalten werden.
Hier: Im Rahmen des Verkaufsgesprächs fragt B den K, ob das Fahrzeug unfallfrei ist. Somit ist die unfallfreie
Eigenschaft für das konkrete RG aufgrund Nachfrage des B verkehrswesentlich.
(3) Kausalität (+)
= Irrtum war für die Abgabe der Willenserklärung ursächlich.
Hier: B war die Unfallfreiheit des Mantas wichtig. Hätte er gewusst, dass das Fahrzeug bereits einen Unfall
hatte, so hätte B die Erklärung zum Kauf des Mantas nicht abgegeben.
(4) Zwischenergebnis
Anfechtung nach § 119 II BGB (+)
ccc) Zwischenergebnis
Anfechtungsgrund (+)
cc) Anfechtungserklärung, § 143 I BGB
Voraussetzungen: B hat Willenserklärung abgegeben, die inhaltlich eine Anfechtung ist und diese ist Adressat ohne
zwischenzeitlichen Widerruf zugegangen.
aaa) Abgabe WE durch B (+)
Hier: B schreibt dem K einen Brief in welchem er K mitteilt, dass das mit der Karre nichts war und er das Baby
zurückgeben will. Durch den Boten S wird WE auf den Weg gebracht.
bbb) Inhalt (+)
Begriff „Anfechtung“ muss in der Erklärung nicht verwendet werden.
Es ist durch Auslegung der WE gem. § 133 BGB der wirkliche Wille zu erforschen.
Hier: B schreibt in seinem Brief er wolle das Baby zurückgeben.
Er macht damit kenntlich, dass er sich von dem Vertrag mit K lösen möchte, da das Fahrzeug nicht unfallfrei ist.
ccc) Zugang beim richtigen Adressat (+)
Wer richtiger Anfechtungsgegner ist, regelt § 143 II – IV BGB.
Hier: B und K haben Kaufvertrag geschlossen, somit ist nach § 143 II BGB K richtiger Anfechtungsgegner. Die
Anfechtungserklärung geht K auch zu.
ddd) Kein zwischenzeitlicher Widerruf durch B (+)
eee) Zwischenergebnis
Anfechtungserklärung, § 143 I BGB (+)
dd) Anfechtungsfrist, § 121 I BGB (+)
Voraussetzung: Bei Anfechtung nach §§ 119, 120 BGB muss Anfechtung unverzüglich erfolgen, nachdem B von
Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat.
Hier: B hat Brief mit Anfechtungserklärung unmittelbar nach Kenntniserlangung geschrieben und an S übergeben.
P S hat den Brief nicht unmittelbar an K, sondern an P übergeben!
Verzögerung des Boten und Übergabe an nicht zum Empfangsboten bestellten P geht zu Lasten des B!
ABER Nach § 121 Abs. 1 S. 2 BGB genügt für Rechtzeitigkeit der Anfechtung unter
Abwesenden die Absendung der Erklärung!
Risiko der Verzögerung hat Anfechtungsgegner (K) zu tragen!
Somit: Anfechtung war rechtzeitig
ee) Kein Ausschluss der Anfechtung, §§ 121 II, 144 BGB (+)
ff) Zwischenergebnis
Erfolgreiche Anfechtung des B nach § 142 I BGB (+)
d) Zwischenergebnis
Wirksamkeit des Kaufvertrages zwischen B und K (-)
4. Zwischenergebnis
Ohne rechtlichen Grund (Anfechtung wirkt ex tunc!) (+)
5. Kein Ausschluss des Anspruchs nach § 812 I 1 1. Alt. BGB (+)
= Kenntnis der Nichtschuld oder Sittenwidrigkeit (§§ 814, 817 BGB)
Hier: Keine Ausschlussgründe ersichtlich.
II. Zwischenergebnis
B Anspruch nach § 812 I 1 1. Alt. BGB erworben (+)
III. Anspruch verloren (-)
IV. Anspruch durchsetzbar (+)
Ergebnis:
B hat gegen K einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nach § 812 I 1 1. Alt. BGB.
2. Formulierungsvorschlag:
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