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Version [20729]

Dies ist eine alte Version von FallVerwRStudentenkneipe erstellt von AnnegretMordhorst am 2013-02-15 14:41:37.

 

Fallbeispiel 6: Gaststättenerlaubnis Studentenkneipe

Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts


A. Sachverhalt


Wirtschaftsrechtler W möchte nach seinem Studium eine Studentenkneipe in der Innenstadt von Schmalkalden eröffnen, weil er auch nach dem Studium den Kontakt zum Studentenleben halten will. Ohne noch einmal mit W Kontakt aufzunehmen, lehnt die zuständige Behörde seinen Antrag auf Erteilung der Gaststättenerlaubnis ab. Zur Begründung führt die Behörde unter Hinweis auf § 4 GastG aus, dass ihm die Gaststättenerlaubnis nicht erteilt werden könne, da es in der betreffenden Umgebung schon zu viele Gaststätten gebe.


B. Fragen


Frage 1: Ist die Ablehnung der Gaststättenerlaubnis rechtmäßig?

Frage 2: Ändert sich die Beurteilung der formellen Rechtmäßigkeit, wenn die Ablehnung der Gaststättenerlaubnis mittels E-Mail erfolgte, welche die erlassende Behörde erkennen ließ und eine Namenswiedergabe des Behördenleiters sowie eine ausführliche Begründung enthielt?


C. Lösung


Formulierungsvorschlag


Frage 1:


Die Ablehnung der Gaststättenerlaubnis ist rechtmäßig, wenn eine Ermächtigungsgrundlage gegeben ist und die formellen und materiellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen vorliegen.

I. Ermächtigungsgrundlage

Die Ablehnung der Erteilung der Gaststättenerlaubnis könnte auf § 4 Abs. 1 GastG zu stützen sein. § 4 Abs.1 GastG nennt bestimmte Gründe, nach welchen die Erteilung der Gaststättenerlaubnis zu versagen ist. Der Bescheid der Behörde ist aber nur dann rechtmäßig, wenn die formellen und materiellen Voraussetzungen für seinen Erlass vorliegen.

II. Formelle Rechtmäßigkeit

Der Versagungsbescheid ist formell rechtmäßig, wenn die zuständige Behörde gehandelt hat und das erforderliche Verfahren sowie die notwendige Form eingehalten worden sind. Zudem muss der Bescheid ordnungsgemäß bekannt gegeben worden sein und eine Begründung enthalten.

1. Zuständigkeit

Laut Sachverhalt hat die zuständige Behörde gehandelt.

2. Verfahren

Fraglich ist die Einhaltung des erforderlichen Verfahrens. Die Versagung der Gaststättenerlaubnis ist eine hoheitliche Maßnahme einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit Außenwirkung, somit ein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG. (Es gibt hier keine Probleme bezüglich der Verwaltungsaktqualität. Wäre ein Merkmal des § 35 S.1 VwVfG fraglich, so müsste hier eine längere Prüfung erfolgen entsprechend den Fällen aus der ersten Sitzung.)

Bei dem Erlass eines Verwaltungsakts müssen die Verfahrensgrundsätze im Verwaltungsverfahren gemäß §§ 9 ff. VwVfG beachtet werden. Vorliegend gibt der Sachverhalt bezüglich des Verfahrens nur darüber Auskunft, dass die zuständige Behörde den Antrag auf Erteilung einer Gaststättenerlaubnis ablehnt, ohne vorher noch einmal Kontakt mit W aufzunehmen.

Problematisch ist daher allein die Frage, ob W vor der Ablehnung seines Antrags gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG hätte angehört werden müssen. § 28 Abs. 1 VwVfG schreibt vor, dass bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, dem Beteiligten die Gelegenheit zu geben ist, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Diese Voraussetzung ist bei der Ablehnung von Genehmigungsanträgen problematisch.
Die Rechtsprechung argumentiert, dass solche Bescheide nicht in die Rechte des Betroffenen eingreifen würden, da ein solches Recht ja noch garnicht bestehe, sondern erst angestrebt werde. Die wohl herrschende Lehre bejaht dagegen eine Anhörungspflicht auch bei der Ablehnung von beantragten Begünstigungen, da § 28 Abs.1 VwVfG den Zweck habe, den Bürger vor Rechtsnachteilen zu schützen. Folgt man der Rechtsprechung, so liegt kein Verfahrensfehler vor. Folgt man dagegen der herrschenden Lehre, so liegt aufgrund der fehlenden Anhörung ein Verfahrensfehler vor. Dieser Fehler kann aber gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 VwVfG noch bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geheilt werden.


3. Form

Der Bescheid ist schriftlich ergangen. Die Formvorschriften gemäß § 37 Abs. 2 VwVfG wurden mithin beachtet.


4. Weitere Voraussetzungen

Aufgrund fehlender entgegenstehender Angaben kann davon ausgegangen werden, dass der Ablehnungsbescheid ordnungsgemäß bekannt gegeben wurde gemäß § 41 VwVfG. Zudem müsste der vorliegende schriftlich erteilte Ablehnungsbescheid auch eine Begründung enthalten, § 39 Abs. 1 VwVfG. Gemäß § 39 Abs. 1 S. 2 VwVfG sind in der Begründung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Behörde führt im Bescheid unter Hinweis auf § 4 GastG § 4 GastG zur Begründung aus, dass W die Gaststättenerlaubnis nicht erteilt werden könne, da es in der betreffenden Gemeinde schon zu viele Gaststätten gebe. Eine Begründung im Sinne des § 39 Abs. 1 VwVfG ist mithin gegeben.


5. Zwischenergebnis

Der Versagungsbescheid ist, soweit die Anhörung nachgeholt wird, formell rechtmäßig.


III. Materielle Rechtmäßigkeit

Der Versagungsbescheid müsste zudem auch materiell rechtmäßig sein. Die materielle Rechtmäßigkeit setzt zunächst voraus, dass die Ermächtigungsgrundlage selbst, vorliegend also § 4 GastG , verfassungsgemäß ist. Die Verfassungsmäßigkeit des Gaststättengesetzes ist hier mangels entgegenstehender Anhaltspunkte zu unterstellen. (Sollte es fraglich sein, ob das Gesetz verfassungsgemäß ist, müsste hier inzident eine entsprechende Prüfung vorgenommen werden. Dabei würde man zuerst die formelle und dann die materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes prüfen.)

1. Tatbestand der Ermächtigungsgrundlage

Weiter ist aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes ( Art. 20 Abs. 3 GG) erforderlich, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage eingehalten sind.
Vorliegend ist § 4 Abs. 1 GastGdie Ermächtigungsgrundlage. Es müsste daher einer der Versagungsgründe aus § 4 Abs.1 Nr.1 bis 4 GastG vorliegen. W wird die Erteilung mit der Begründung versagt, dass es in der betreffenden Gemeinde schon zu viele Gaststätten gebe. Versagungsgründe wie etwa die fehlende Zuverlässigkeit des Antragsstellers (§ 4 Abs.1 Nr.1 GastG), die Ungeeignetheit der Räume (§ 4 Abs.1 Nr.2, 2a GastG) oder das Fehlen einer Bescheinigung bezüglich erforderlicher Kenntnisse (§ 4 Abs.1 Nr.4 GastG) sind vorliegend jedenfalls nicht einschlägig. Möglicherweise besteht ein Versagungsgrund gemäß § 4 Abs.1 Nr. 3 GastG. Danach kann eine Erlaubnis versagt werden, wenn der Gewerbebetrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage oder auf die Verwendung der Räume dem öffentlichen Interesse widerspricht. Es könnte also gefragt werden, ob die Anzahl der schon bestehenden Gaststätten dazu führt, dass eine weitere Gaststätte dem öffentlichen Interesse widerspricht. Diese Annahme allein ist schon fraglich. Zudem ist auf den Sinn und Zweck des § 4 Abs.1 Nr.3 GastG abzustellen. Aus dem Wortlaut der Norm ergibt sich weiter, dass insbesondere vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst erheblichen Nachteilen, Gefahren oder Belästigungen für die Allgemeinheit geschützt werden soll. Die Eröffnung einer weiteren Gaststätte stellt keinesfalls eine solche erhebliche Beeinträchtigung dar. § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG § 4 Abs.1 Nr.3 GastG ist vorliegend nicht einschlägig. Es ist insbesondere kein Versagungsgrund aufgrund einer zu hohen Gaststättendichte ersichtlich.

Die Tatbestandvoraussetzungen des § 4 Abs. 1 GastG liegen nicht vor. Auch eine andere gesetzliche Ermächtigung ist nicht erkennbar. Folglich fehlt der Behörde für ihre Entscheidung die erforderliche gesetzliche Ermächtigung. Der Bescheid ist materiell rechtswidrig.

(Würde der Tatbestand des § 4 Abs.1 GastG vorliegen, wäre wie folgt weiter zu prüfen:)

2. Rechtsfolge
  1. bei gebundenen Entscheidungen
  1. bei Ermessensentscheidungen

3. Verhältnismäßigkeit

nicht immer zu prüfen, v.a. bei Ermessensentscheidungen

IV. Ergebnis

Die Ablehnung der Gaststättenerlaubnis ist nicht rechtmäßig.

Frage 2:

Eine Änderung könnte sich nur aufgrund der Bescheidserteilung durch E-Mail ergeben, weil alle anderen Punkte gegenüber dem Ausgangsfall unverändert geblieben sind.
Die elektronische Form ist nach § 37 Abs. 2 S. 1 VwVfG grundsätzlich zulässig. Nach § 37 Abs. 3 VwVfG müsste der elektronische Verwaltungsakt aber eine Unterschrift tragen und die ausstellende Behörde erkennen lassen. Dies ist hier der Fall. Fraglich ist aber, ob nach § 3a Abs. 2 VwVfG eine qualifizierte Signatur nach dem Signaturgesetz nötig ist. Dies ist der Fall, wenn für den betreffenden Verwaltungsakt Schriftform vorgesehen ist. Das Gaststättengesetz ordnet weder für die Erteilung noch für die Versagung der Erlaubnis ausdrücklich Schriftform. Für die Erteilung kann man allerdings aus § 3 Abs. 1 S.2 GastG auf die Schriftform schließen, da dort von einer Erlaubnisurkunde die Rede ist.
Für die Versagung der Gaststättenerlaubnis ist nichts Entsprechendes ersichtlich, sodass man das Schriftormerfordernis insoweit verneinen kann. Damit war eine elektronische Signatur nicht erforderlich. Der Behörde war die Emailadresse des W bekannt, sodass auch davon ausgegangen werden kann, dass W für E-Mails im Sinne von § 3 a VwVfG einen Zugang eröffnet hat.

Ergebnis:

Mithin ist der Bescheid formell rechtmäßig.


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