Fallstudien - Beispiel 3
Lösungshinweise zu den Hauptaufgaben
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Hauptaufgabe 1
A. Anspruch auf Zahlung von 4 Mio. EUR nebst Zinsen und Kosten aus dem Darlehensvertrag mit M
H könnte aufgrund der Bürgschaft des A gegen ihn einen Anspruch auf Zahlung der Darlehenssumme i. H. v. 4 Mio. EUR sowie der Zinsen und Kosten gem. §§ 765, 767 Abs. 2, 488 Abs. 1 S. 2 BGB haben.
Problem 2: Zinsen und Kosten nicht absehbar - aber auch hier: § 767 Abs. 2 BGB
Auch künftige Forderungen - egal ob Darlehenssumme oder Zinsen, Kosten - können durch die an sich streng akzessorische Bürgschaft abgesichert werden.
Angebot 2: Formular der Bank H - noch nicht ganz ausgefüllt! (-), andere Meinung eventuell vertretbar
spätestens Unterzeichnung durch A liegt Angebot vor (+)
Annahme: Mitarbeiter der H legt die Bürgschaftserklärung (Fax) zu den Akten (+) - es ist anzunehmen, dass der Mitarbeiter für die Bank korrekt als Vertreter handelt;
Fristen (+)
Übereinstimmung (+)
- Darlehenssumme, 4 Mio. EUR?
- Zinsen + Kosten, Beträge über 4 Mio. EUR hinaus?
(1) Bezogen auf Darlehenssumme 4 Mio.
"Höchstbetragsbürgschaft" umfasst diesen Betrag, also (+)
(2) Bezogen auf Beträge über 4 Mio. EUR hinaus?
An sich bedeutet "Höchstbetragsbürgschaft" eine Begrenzung des Umfangs gem. § 767 Abs. 1 BGB auf einen bestimmten Betrag - möglicherweise unter dem Wert der Gesamtforderung. Es stellt sich die Frage, welche Bestimmung des Vertrages am Ende gilt, weil im Vertrag auch "Bürgschaft umfasst auch Zinsen und Kosten über 4 Mio. hinaus" steht...
Diese Klausel gilt dann, wenn Sie Teil des Vertrages geworden ist.
(a) Klausel individuell vereinbart?
Handelt es sich um eine individuell ausgehandelte Klausel, ist sie ohne weitere Hindernisse vereinbart und Teil des Vertrages geworden, sofern sie nicht gegen eine zwingende Vorschrift verstößt.
Wenn die Klausel als AGB zu qualifizieren ist, dann ist die sog. AGB-Prüfung durchzuführen.
(hier könnte schon geprüft werden, ob die Klausel eine AGB-Klausel ist)
(b) Ist das AGB-Recht hier aber überhaupt anwendbar?
Gem. § 310 Abs. 1 BGB sind zumindest nicht alle Regelungen der §§ 305 ff. BGB auf Verträge mit Unternehmern anzuwenden? ABER: §§ 305 Abs. 1, 307 BGB gelten in jedem Fall!
(c) AGB-Klausel?
Ist die hier problematische Formulierung im Vertrag eine AGB-Klausel?
=> Definition: § 305 Abs. 1 BGB
=> Hier liegt ein Formular vor! Offenbar wurde es oft verwendet = vorformulierte Klausel für eine Vielzahl von Verträgen gem. (§ 305 Abs. 1 BGB) (+)
(d) ist die Klausel in den Vertrag erfolgreich aufgenommen?
- § 305 I: (ABs. 2 gilt ja nicht - hier gilt allgemeine Rechtsgeschäftslehre):
- Hinweis des AGB-Verwenders (+)
- Möglichkeit der Kenntnisnahme - A hat Formular bekommen (+)
- kein Widerspruch (+)
- Vorrang der Individualabrede?
Die andere Klausel wurde auch nicht anders vereinbart; § 305b? (-)
- überraschende Klauseln?
§ 305c Abs. 1 BGB?
Argument für eine Überraschende Klausel = vorangegangene Klausel "Höchstbetragsbürgschaft"
Argument dagegen: in § 767 Abs. 2 steht genau das Gleiche, wie in der strittigen Klausel! In diesem Fall kann kaum von einer überraschenden Klausel die Rede sein - das, was im Gesetz steht ist (so die Literaturmeinung) nicht überraschend.
Annahme: Die Klausel wurde in den Vertrag aufgenommen
(e) ist die Klausel auch wirksam = oder verstößt sie gegen die Inhaltskontrolle der §§ 307-309 BGB?
Da A Unternehmer => Prüfung grundsätzlich nur am Maßstab des § 307 BGB!
Option 1: AGB-Klausel unwirksam / nicht einbezogen = kein Anspruch auf Zinsen / Kosten!
Option 2: AGB-Klausel OK = Anspruch auf Zinsen + Kosten gegeben.
=> Argument für keine Benachteiligung i. S. d. § 307 BGB: es wird von allgemein geltenden Vorschriften nicht abgewichen (§ 767 BGB);
=> Argument für Benachteiligung: an anderer Stelle im Vertrag wird ein fester Betrag suggeriert;
Zwischenergebnis: (Vorschlag) die Klausel über Höchstbetragsbürgschaft greift, die Erweiterung im späteren Teil des Vertragstextes ist benachteiligend und letztlich auch wegen vorangegangener Klauseln überraschend...
Leistungsfähigkeit und Verstoß gegen § 138 BGB kommt nicht in Betracht.
In Betracht kommt das Problem der Form für die Bürgschaftserklärung. Zu prüfen ist insofern, ob hier der Bürgschaftsvertrag gem. § 125 S. 1 BGB nichtig ist:
(1) Formerfordernis: § 766 S. 1 BGB
(2) Form (nicht) eingehalten? - Unterzeichnung (+) aber Bank verfügt nicht über die Originalurkunde; ein Fax reicht nicht aus
(3) ABER: § 350 HGB
- Bürgschaft des A Handelsgeschäft? § 344 HGB
- also: Schriftform nicht erforderlich!
Abwandlung:
Was wäre, wenn A definitiv NICHT im Rahmen seines Handelsgeschäftes die Bürgschaft erteilt hat und die Formerleichterung gem. § 350 HGB nicht greifen würde, der A aber wegen einem großen Darlehen, das er selbst privat der M vor kurzem erteilt hat, an ihrer Zahlungsfähigkeit besonders interessiert ist? Ist der Vertrag dann unwirksam?
Bürgschaft ist dann hinfällig (unwirksam gem. §§ 766 BGB, 125 BGB).
Es stellt sich aber die Frage nach der Umdeutung in eine Garantie!!! § 140 BGB und Vertrag sui generis, keine Regelung im BGB!
Was wäre, wenn A definitiv NICHT im Rahmen seines Handelsgeschäftes die Bürgschaft erteilt hat und die Formerleichterung gem. § 350 HGB nicht greifen würde, der A aber wegen einem großen Darlehen, das er selbst privat der M vor kurzem erteilt hat, an ihrer Zahlungsfähigkeit besonders interessiert ist? Ist der Vertrag dann unwirksam?
Bürgschaft ist dann hinfällig (unwirksam gem. §§ 766 BGB, 125 BGB).
Es stellt sich aber die Frage nach der Umdeutung in eine Garantie!!! § 140 BGB und Vertrag sui generis, keine Regelung im BGB!
Hauptproblem: der Hauptschuldner (die M) ist erloschen! Existiert der Schuldner nicht mehr, existiert auch die Forderung nicht mehr. Und dies führt - wegen der strengen Akzessorietät der Bürgschaft - eigentlich zum Wegfall der Bürgschaft??? § 767 I 1 BGB
Wirkt sich das auf die Pflicht des Bürgen aus?
ABER: Sinn der Bürgschaft = Sicherung einer Forderung des Gläubigers auch vor Insolvenzrisiko des Hauptschuldners
Es kommt offensichtlich zum Konflikt zwischen Sicherungszweck und Akzessorietät.
Dabei:
Sicherungszweck hat Vorrang! Demzufolge kann die Bürgschaft auch nach Erlöschen der Hauptverbindlichkeit als Haftung für die fiktive Forderung aufrechterhalten werden. Sonst wäre ihr Zweck vereitelt.
b. Aufgabe einer Sicherheit gem. § 776?
In § 776 BGB ist eine wichtige Regel des Bürgschaftsrecht enthalten, dass die Position des Bürgen durch spätere Ereignisse nicht gegen seinen Willen verschlechtert werden kann. Dies ist aber gem. § 776 BGB der Fall (Verschlechterung tritt ein), wenn der Gläubiger andere Sicherheiten aufgibt, die Bürgschaft aber bleibt...
In § 776 BGB ist eine wichtige Regel des Bürgschaftsrecht enthalten, dass die Position des Bürgen durch spätere Ereignisse nicht gegen seinen Willen verschlechtert werden kann. Dies ist aber gem. § 776 BGB der Fall (Verschlechterung tritt ein), wenn der Gläubiger andere Sicherheiten aufgibt, die Bürgschaft aber bleibt...
(a) Ist § 776 auf Grundschuld anwendbar?
Grundsätzlich werden hier andere akzessorische Sicherheiten erwähnt. Eine Grundschuld gehört nicht dazu.
ABER:
Wenn die Hauptforderung beglichen wird - zum Beispiel durch den Bürgen - hat die Absicherung durch die Grundschuld zur Folge, dass die Rechte aus der Sicherungsabrede zur Sicherungsgrundschuld geltend gemacht werden können. Der Grundschuldinhaber oder der Bürge hat bei Zahlung das Recht, zu verlangen, dass der Sicherungsvertrag dahingehend erfüllt wird, dass die Grundschuld zurückgewährt wird - oder im Falle des Bürgen auf diesen Übertragen wird.
Stellt man die Grundschuld also nicht mit Sicherheiten aus § 776 BGB nicht gleich, dann würden §§ 774, 412, 401 i. V. m. Sicherungsvereinbarung leer laufen! Denn die Rechte aus der Sicherungsvereinbarung gingen auf den Bürgen gem. diesen Vorschriften auf ihn über!
deshalb (+), auch auf Grundschuld anwendbar
(b) H Grundschuld aufgegeben?
H hat die Grundschuld auf die Bank I ein Jahr nach Darlehensauszahlung übertragen.
Die Bank H hat von der I die Grundschuld zwar später zurückerlangt. Da § 776 BGB eine rechtsvernichtende Einwendung enthält, ist dies irrelevant.
Eine Sicherheit i. S. d. § 776 BGB (analog) wurde aufgegeben.
Demzufolge ist A von der Zahlungspflicht insoweit befreit, wie er aus dem aufgegebenen Rechts selbst hätte Ersatz erlangen können.
(c) Umfang der Anspruchsminderung gegen A
Das Grundstück ist nur 2 Mio. wert. Damit wäre Befriedigung aus dem Grundstück nur in diesem Umfang (maximal) möglich.
A muss die Bürgschaft in diesem Umfang nicht begleichen. Insofern verbleiben zumindest 2. Mio. EUR als Differenz (Bürgschaft - Grundstückswert) aus der Bürgschaft zu zahlen.
3. durchsetzbar
Sofern das endfällige Darlehen bereits zur Rückzahlung fällig ist, dann bestehen hier keine Durchsetzbarkeitshindernisse.
Sofern das endfällige Darlehen bereits zur Rückzahlung fällig ist, dann bestehen hier keine Durchsetzbarkeitshindernisse.
Ergebnis: H hat gegen A zumindest im Hinblick auf 2 Mio. EUR Anspruch auf Rückzahlung der Forderung.
B. Anspruch der H gegen F aus §§ 1147, 1192 Abs. 1 BGB auf Duldung der Zwangsvollstreckung
=> vgl. folgenden Prüfungsaufbau
Hauptaufgabe 2
Welche Ansprüche hat A, falls er aus der Bürgschaft in Anspruch genommen wurde?C. Ansprüche aus dem Bürgerregreß
=> A kann vom Hauptschuldner Zahlung auf die gesicherte Forderung verlangen. Dies ist gen. § 774 i. V. m. § 488 BGB möglich.
Hier ist die M-GmbH allerdings bereits abgewickelt, die Forderung existiert nicht mehr.
A sollte die Zahlung auf die Bürgschaft nur Zug-um-Zug gegen Abtretung aller Rechte aus dem Sicherungsvertrag zwischen H und F leisten. Sonst sollte sich A auf sein Zurückbehaltungsrecht berufen, das ihm gem. § 242 BGB zusteht.
A kann danach einen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung gem. §§ 1147, 1192 I BGB geltend machen.
Problem ist hier allerdings der Wettlauf der Sicherungsgeber:
=> nachdem A zahlte erhält er die Rechte des Gläubigers inkl. der verbleibenden Sicherheiten. Der Gedanke des § 774 Abs. 2 BGB ist, dass die Sicherungsgeber untereinander grundsätzlich wie Gesamtschuldner zu betrachten sind und zu einem Ausgleich zu gleichen Anteilen verpflichtet wären.
Dies gilt in jedem Fall für den Forderungsübergang gem. § 774, 412 und 401. Allerdings auch die wegen Sicherungsvereinbarung erzwungene und hier auf A übertragene Grundschuld ist - obwohl sie nicht automatisch übergeht - ähnlich zu betrachten.
A kann deshalb von F Befriedigung der Forderung nur in einem Umfang verlangen, der in § 426 BGB vorgesehen ist - also im Zweifel zu gleichen Teilen. Da sowohl die Bürgschaft wie auch die Grundschuld letztlich jeweils auf 4 Mio. EUR lauten und eine anderweitige Vereinbarung zwischen A und F nicht zu erkennen ist, haften beide nach gleichen Teilen - je 2 Mio. EUR.
Hauptaufgabe 3
zu Variante 1Wie bei Hauptaufgabe 2, aber
- Problem 1: haftet K auch aus der Grundschuld? (+)
- Problem 2: kann sich A gegenüber K auf die Aufteilung der Haftung berufen? (70%/30%)
=> nein! dies ist nur eine schuldrechtliche Vereinbarung mit F!
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