Version [5464]
Dies ist eine alte Version von FallGebrauchtwagenhandelAufKredit erstellt von WojciechLisiewicz am 2010-02-09 14:00:49.
Fall: Gebrauchtwagenhandel auf Kredit
A. Sachverhalt
Locker (L) möchte ein eigenes Geschäft haben. Da er keinen Schulabschluss und auch keine richtige Berufsausbildung vorzuweisen hat, dafür aber schon mehrfach gutes Händchen bei Kauf und Verkauf von Autos hatte, kommt für ihn nur ein Traumgeschäft in Betracht: Gebrauchtwagenhandel. Er schaut sich auf dem Gebrauchtwagenmarkt um und hat bereits erste Fahrzeuge im Blick, die er kaufen, aufbereiten und weiterverkaufen möchte. Dafür bräuchte er zunächst einmal ca. 20.000 EUR. Er meldet ein Gewerbe an, stellt auf dem Grundstück seines Vaters ein Schild auf und begibt sich zu seinem Schulkollegen Neureich (N), der an der Börse viel Geld gemacht hat. L bittet den N um ein Darlehen in Höhe von 20.000 EUR. N ist jedoch nur dann zur Auszahlung bereit, wenn er eine Sicherheit erhält.
L bittet seinen Vater (V), zugunsten des N eine Hypothek auf seinem Hausgrundstück in Höhe von 20.000 EUR einzutragen. V willigt ein, obwohl er weiß, dass ihm das Grundstück eigentlich nur "auf Papier" gehört, in Wahrheit jedoch dem Nachbarn Klein (K), auch wenn Letzterer nicht im Grundbuch eingetragen ist. Nachdem sich V und N vor einem Notar über Bestellung einer Buchhypothek geeinigt haben und ein Antrag auf Eintragung der Hypothek beim Grundbuchamt gestellt ist, meldet sich K und behauptet, dass N gar keine Hypothek erwerben könne. Die Hypothek wird dennoch ins Grundbuch eingetragen.
Frage 1: Kann K von N Löschung der Hypothek verlangen?
N überweist an L am 15. 01. 20.000 EUR, mit denen L die ersten Käufe für sein Geschäft tätigt. N und L vereinbaren noch, dass L das Geld in vier Raten (je 5.000 EUR) zurückzahlen wird. Die Raten sollen halbjährlich jeweils zum 30. 06. bzw. zum 31. 12. fällig werden.
Der Erfolg des L bleibt allerdings aus. Er kann zum 30. 06. die erste Rate des Kredits nicht zurückzahlen. N ist verärgert und will dem L Zahlungsaufschub nur dann gewähren, wenn er weitere Sicherheiten bekommt. L bittet deshalb seine Freundin Hübsch (H) um Hilfe. H geht mit L gemeinsam zu N. Dort erklärt sie, dass sie selbstverständlich an das Geschäft des L wie an eigenes glaube und dass sie dem N die Rückzahlung des Darlehens garantiere. N lässt sich dies schriftlich bestätigen und lässt den L zunächst einmal in Ruhe.
Als nach einem Jahr das Geschäft des L weiterhin nicht funktioniert und N weder die erste noch zwei weitere der mittlerweile ebenfalls fälligen Raten sieht, kündigt er dem L die Freundschaft und darüber hinaus den Darlehensvertrag ordnungsgemäß. Er verlangt Rückzahlung über seinen Rechtsanwalt und bereitet eine Versteigerung des zu seinen Gunsten belasteten Hausgrundstücks vor. V sieht dies zwar entspannt, weil ihm das Hausgrundstück gar nicht gehört und er bei K eigentlich zur Miete wohnt. K möchte den Verkauf des Grundstücks jedoch verhindern und zahlt die komplette Darlehenssumme an N.
Frage 2: Welche Ansprüche hat nun K?
Bearbeitungshinweise
Erstellen Sie umfassende Gutachten zu beiden Fragen des Falles. Gehen Sie bei der Frage 2 davon aus, dass K eine Löschung der Hypothek nicht erwirken konnte, unabhängig davon, wie Ihre Antwort auf die Frage 1 ausgefallen ist.
B. Lösungsskizze
1. Frage 1 - Anspruch des K gegen N
K könnte gegen N einen Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs in Form der Löschung der Hypothek gem. § 894 BGB haben.
K könnte gegen N einen Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs in Form der Löschung der Hypothek gem. § 894 BGB haben.
K hat einen Anspruch auf Löschung der Hypothek aus § 894, wenn:
- zugunsten des N eine Hypothek eingetragen ist, (+), siehe Sachverhalt
- diese Eintragung der Hypothek nicht mit der wirklichen Lage übereinstimmt (sie besteht nicht) (?)
- und K durch Eintragung der Hypothek in seinen Rechten beeinträchtigt ist (+), es handelt sich laut Sachverhalt um das Eigentum des K.
b. Die Eintragung der Hypothek stimmt nicht mit der wirklichen Lage überein
Für den vorliegenden Sachverhalt ist dies dann der Fall, wenn die eingetragene Hypothek in Wirklichkeit nicht besteht. Mit der Eintragung könnte N allerdings eine Hypothek ordnungsgemäß erworben haben. Voraussetzungen des Erwerbs (hier: rechtsgeschäftlicher Primärerwerb, Begründung der Hypothek nach § 1113 BGB) sind zu prüfen.
Für den vorliegenden Sachverhalt ist dies dann der Fall, wenn die eingetragene Hypothek in Wirklichkeit nicht besteht. Mit der Eintragung könnte N allerdings eine Hypothek ordnungsgemäß erworben haben. Voraussetzungen des Erwerbs (hier: rechtsgeschäftlicher Primärerwerb, Begründung der Hypothek nach § 1113 BGB) sind zu prüfen.
(1) Einigung
N und V haben sich über Bestellung einer Hypothek i. S. d. § 1113 BGB geeinigt. Dies war gem. § 925 Abs. 1 BGB formwirksam, weil es vor dem Notar erfolgte. (+)
(2) Eintragung
Laut Sachverhalt ist die Eintragung erfolgt. (+)
(3) Einigsein bei Eintragung
Keine Anhaltspunkte, dass die Einigung zwischen N und V bei Eintragung nicht mehr vorhanden war. (+)
(4) Berechtigung des V
Grundproblem: Ist gutgläubiger Erwerb einer Hypothek nach § 892 BGB auch dann möglich, wenn der Erwerber zum Zeitpunkt der Eintragung der Hypothek nicht mehr im guten Glauben ist?
Da V bei Erwerb der Hypothek durch N nicht berechtigt war, kommt hier nur gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten in Betracht, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind.
- Anwendbarkeit des § 892 BGB / Verkehrsgeschäft (+)
- Grundbuch unrichtig - laut Sachverhalt V eingetragen, K Eigentümer (+)
- Legitimation des Verfügenden - Eintragung des V im Grundbuch ist Legitimation i. S. d. § 892 BGB (+)
- Gutgläubigkeit des Erwerbers ?
- Definition der Bösgläubigkeit: § 932 Abs. 2 BGB
- N war gutgläubig bis Antrag auf Eintragung, vor der Eintragung ist er jedoch bösgläubig geworden (als bei ihm K auftaucht); der entscheidende Zeitpunkt ist allerdings die Antragstellung gem. § 892 Abs. 2 BGB. Damit ist die Bösgläubigkeit nach Antragstellung unbeachtlich. Ergebnis zur Gutgläubigkeit: (+)
- kein Widerspruch eingetragen - keine Anhaltspunkte (+)
Zwischenergebnis zur Berechtigung: Berechtigung des Verfügenden V zwar nicht gegeben, jedoch sind Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs gem. § 892 BGB erfüllt. Damit Erwerb möglich (+).
An dieser Stelle (maßgeblicher Zeitpunkt für Gutgläubigkeit) kann noch der (im Sachverhalt nicht erwähnte) Hypothekenbrief problematisiert werden - sofern dieser noch bei Antrag auf Eintragung fehlte und kein Ersatz nach § 1117 BGB vereinbart war, fehlte hier zum Erwerb nicht nur die Eintragung, sondern auch andere Schritte. Damit wäre der Erwerb nicht mit der Eintragung erfolgt, so dass es gem. § 892 Abs. 2 BGB analog auf die Gutgläubigkeit zum Zeitpunkt der Briefübergabe ankäme. Siehe auch unter (5).
Die Musterlösung geht von der Übergabe des Hypothekenbriefes bzw. von dessen üblichem Ersatz aus, so dass gutgläubiger Erwerb
(5) Hypothekenbrief
Kleine "Lücke" im Sachverhalt: Hypothekenbrief ist nicht erwähnt. Wenn vom Normalfall ausgegangen wird - Brief wird ausgefertigt und übergeben worden sein. Vertretbar jedoch auch die Auffassung, dass mangels Brief N keine Hypothek erworben hat. Wenn das Problem gesehen wird, ist dies ein akzeptables Ergebnis.
Also: Musterlösung geht von (+) aus, andere Auffassung vertretbar.
(6) Bestehen der Forderung
Die Hypothek entsteht nicht bzw. steht nicht dem Gläubiger sondern dem Eigentümer zu (als Eigentümergrundschuld), wenn die zu sichernde Forderung nicht besteht. Hier könnte die Darlehensforderung des N als die zu sichernde Forderung gegeben sein.
- Vertragsschluss - Einigung zwischen N und L laut Sachverhalt unproblematisch gegeben (+)
- Inhalt - Darlehensvertrag - laut Sachverhalt handelte es sich um ein Darlehen in Höhe von 20.000 EUR (+)
- Wirksamkeit - keine Wirksamkeitshindernisse ersichtlich, insbesondere keine Wucherzinsen oder Übersicherung etc. - Darlehensvertrag auch wirksam (+).
Da N die Darlehensforderung zwischenzeitlich auch nicht verloren hat (z. B. Erlöschen durch Erfüllung, Rückzahlung) ist als Ergebnis festzuhalten, dass die Darlehensforderung besteht (+). Hier kann allerdings auch nach oben verwiesen werden - Darlehensforderung als Voraussetzung der Entstehung der (akzessorischen) Hypothek.
Der Umstand, dass die Darlehenssumme bei der Fallfrage 1 noch nicht ausgezahlt ist, führt nicht etwa dazu, dass die zu sichernde Forderung nicht besteht. Die Hypothek kann auch zur Sicherung einer künftigen Forderung eingeräumt werden, so dass die Darlehensforderung aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB auch vor Valutierung als zu sichernde Forderung in Betracht kommt.
Zwischenergebnis zur Begründung der Hypothek: wirksam durch N erworben, also unrichtige Eintragung (-)
Die damit beantwortete Fallfrage ist allerdings nicht zu verwechseln mit der Frage, ob K von V Berichtigung des Grundbuchs im Hinblick auf das Eigentum verlangen kann. Dies hätten die Bearbeiter erkennen müssen.
2. Frage 2 - Anspruch des K gegen L gem. § 488 BGB i. V. m. § 1143 Abs. 1 BGB
K könnte gegen L einen Anspruch auf Rückzahlung der Darlehenssumme gem. § 488 BGB haben, indem die Forderung des N auf K gem. § 1143 Abs. 1 BGB übergegangen ist.
a. Anspruch erworben
K hat mit L keinen Darlehensvertrag gem. § 488 BGB geschlossen. Er kann aber die Forderung des N geltend machen, wenn er sie infolge Übergangs erworben hat.
Voraussetzungen des (abgeleiteten) Erwerbs des Anspruchs sind in diesem Fall:
- Bestand der Darlehensforderung
- Übergang der Darlehensforderung (Voraussetzungen des gesetzlichen Übergangs gem. § 1143 BGB)
(1) Darlehensforderung
Die Darlehensforderung (auf Rückzahlung des Darlehens gem. § 488 Abs. 1 BGB) muss zunächst bestehen:
- Vertragsschluss - Einigung zwischen N und L laut Sachverhalt unproblematisch gegeben (+)
- Inhalt - Darlehensvertrag - laut Sachverhalt handelte es sich um ein Darlehen in Höhe von 20.000 EUR (+)
- Wirksamkeit - keine Wirksamkeitshindernisse ersichtlich, insbesondere keine Wucherzinsen oder Übersicherung etc. - Darlehensvertrag auch wirksam (+).
Da N die Darlehensforderung zwischenzeitlich auch nicht verloren hat (z. B. Erlöschen durch Erfüllung, Rückzahlung) ist als Ergebnis festzuhalten, dass die Darlehensforderung besteht (+). Hier kann allerdings auch nach oben verwiesen werden - Darlehensforderung als Voraussetzung der Entstehung der (akzessorischen) Hypothek.
(2) Voraussetzungen des gesetzlichen Übergangs gem. § 1143 BGB
Voraussetzungen für den Übergang der Forderung gem. § 1143 sind:
- eine Hypothek besteht - vgl. oben, N hat eine Hypothek gutgläubig erworben (+),
- Eigentümer ist nicht der persönliche Schuldner - K ist nur Eigentümer des Grundstücks und hat mit dem Darlehen des L nichts zu tun (+),
- der Eigentümer hat den Gläubiger befriedigt - K hat zur Verhinderung der Versteigerung des Grundstücks laut Sachverhalt gezahlt (+).
Zwischenergebnis: die gesicherte Forderung ist gem. § 1143 BGB auf den Eigentümer des belasteten Grundstücks (K) übergegangen.
b. Anspruch nicht verloren und durchsetzbar
Kein Anspruchsverlust und Durchsetzbarkeit (Einwendungen oder Einreden) - auch diesbezüglich stellen sich keine Probleme. Insbesondere war das Darlehen im Hinblick auf die ersten drei Raten zu je 5.000 EUR zur Rückzahlung fällig gewesen. Mindestens in diesem Umfang und nach Fälligkeit der letzten Raten in vollem Umfang kann Rückzahlung der vollständigen Darlehenssumme verlangt werden.
3. Frage 2 - Anspruch des K gegen H gem. § 765 BGB i. V. m. § 1143 Abs. 1 BGB
K könnte gegen H einen Anspruch auf Erfüllung der Bürgschaft gem. § 765 Abs. 1 BGB haben, indem diese Bürgschaft durch Begleichung der mit Hypothek gesicherten Forderung durch K gem. § 1143 Abs. 1 BGB auf K übergegangen ist.
Grundproblem: kann der zuerst zahlende Sicherungsgeber Regress vom nichtzahlenden überhaupt oder teilweise verlangen?
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