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Version [16407]

Dies ist eine alte Version von EnergieRProzeduren erstellt von Jorina Lossau am 2012-07-05 15:06:44.

 

Prozeduren im Energierecht

Verwaltungsverfahren, Rechtsbehelfe und Rechtsmittel

Die Umsetzung energierechtlicher Vorschriften ist nur dann möglich, wenn für die Umsetzung entsprechende Normen bestehen. Das EnWG widmet sich der institutionellen Ausgestaltung der Energieregulierung in den §§ 54 bis 108 EnWG. Diese beinhalten die Zuständigkeiten der einzelnen Behörden und deren Aufgabenbereiche. Gleichzeitig wird damit auch die Frage geklärt, welche Behörde für die Wahrnehmung einer Aufgabe verantwortlich, aber auch zu deren Erfüllung verpflichtet ist. In den §§ 65 ff. EnWG sind entsprechende Verfahrensregelungen und Entscheidungsbefugnisse für die Regulierung im Energierecht festgelegt. Die VwVfG des Bundes und der Länder sind subsidiär anzuwenden, denn es handelt sich bei den Tätigkeiten der Regulierungsbehörden um öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeiten einer Behörde. Der § 1 Abs. 1 VwVfG hat demnach Bestand, dass eine spezielle Verfahrensregelung im EnWG die jeweilige Regelung des VwVfG verdrängt. Weiterführend werden die Verfahrensvorschriften des GWB auf Grund ähnlicher Konstellationen häufig entsprechend Anwendung finden, soweit dies nicht nach § 111 ausgeschlossen ist.

A. Gesamtüberblick


 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/EnergieRProzeduren/Gesamtueberblick.png)

Die Wahrnehmung der Regulierungsaufgaben wird durch das EnWG auf die Bundesnetzagentur, die Landesregulierungsbehörden, sowie das Bundesministerium für Technik und Wirtschaft beschränkt.


1. Zusammenarbeit der Regulierungsbehörden


Die Kompetenzen zur Regulierung sind durch §§ 54 f. EnWG zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. § 64a Abs. 1 EnWG legt im Hinblick hierauf die Pflicht der BNetzA und der Landesregulierungsbehörde fest, sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach § 54 EnWG zu unterstützen. In § 64a Abs. 2 EnWG wird die Pflicht der Landesregulierungsbehörde statuiert, die BNetzA in der Wahrnehmung noch zusätzlicher Aufgaben, die in Abs. 2 normiert sind, zu unterstützen. § 54 Abs. 3 EnWG dient als Auffangsnorm. Diese Vorschrift macht die BNetzA zur allgemeinen Vollzugsbehörde des EnWG. Das heißt, die BNetzA ist die zuständige Behörde für alle Aufgaben des EnWG, soweit die Aufgabe nicht einer anderen Behörde zugeteilt ist.


B. Die Bundesnetzagentur (BNetzA)


1. Allgemeines und Stellung der Bundesnetzagentur


Die BNetzA ist aus der „Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post“ hervorgegangen. Durch § 1 BNetzAG wurde sie in „Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen“ umbenannt. Durch diesen Namen lässt sich erkennen, dass sie zu einer umfassend zuständigen Fachbehörde für Aufsicht und sektorspezifische Regulierung der Netzwirtschaften ausgebaut wurde. Das EnWG weist der BNetzA im institutionellen Gefüge der Energieregulierung zudem die zentrale Rolle zu. Die BNetzA unterliegt der Fach- und Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Die Fachaufsicht bezieht sich auf die Zweckmäßigkeit, hingegen die Rechtsaufsicht auf die behördlichen Tätigkeiten und misst diese anhand von Gesetz und Verfassung.


2. Aufbau und Organe


Das Gesetz über die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BEGTPG) regelt die Organisation und den Aufbau der Bundesnetzagentur. Gem. § 1 BEGTPG ist die BNetzA eine selbstständige Bundesbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Damit hat sie eine gesteigerte Unabhängigkeit von übergeordneten Behörden.

Organe der BNetzA sind der Präsident (§ 3 BEGTPG) und die Beschlusskammern (§ 3 BEGTPG i. V. m. § 59 EnWG).


a. Präsident

Die BNetzA wird gem. § 3 BEGTPG von einem Präsidenten oder einer Präsidentin geleitet. Dieser vertritt die BNetzA gerichtlich und außergerichtlich und ist befugt, die Verteilung und den Gang der Geschäfte durch Erlass einer Geschäftsordnung, die der Zustimmung des Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie bedarf, zu regeln. Der Präsident wird durch zwei Vizepräsidenten vertreten. Der Präsident und seine beiden Vizepräsidenten werden gem. § 3 Abs. 3 BNetzAG auf Vorschlag des Beirats von der Bundesregierung benannt und anschließend vom Bundespräsidenten ernannt. Das Präsidentenamt ist gem. § 4 Abs. 1 BEGTPG auf fünf Jahre beschränkt, kann aber einmalig um fünf Jahre verlängert werden.


b. Beschlusskammern

Die Bildung der Beschlusskammern erfolgt durch Bestimmung des Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Sie sind Kollegialorgane, bestehend aus jeweils drei Personen (einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern). Die Mitglieder müssen gem. § 59 Abs. 2 EnWG Beamte sein und die Befähigung zum Richteramt oder Laufbahn des höheren Dienstes haben. Sie dürfen ferner zur Gewährleistung unabhängiger Entscheidungen weder ein Unternehmen der Energiewirtschaft innehaben oder leiten noch Mitglied des Vorstandes oder Aufsichtsrates eines Unternehmens der Energiewirtschaft sein. Dies ist von besonderer Bedeutung, da die Entscheidungen der Bundesnetzagentur nach (§ 59 Abs. 1 EnWG) grundsätzlich von den Beschlusskammern getroffen werden. Ausnahmen von der Entscheidungskompetenz besteht gem. § 59 Abs. 1 EnWG lediglich bei der Erhebung von Gebühren und Beiträgen, der Durchführung eines Vergleichsverfahrens, der Datenerhebung zur Erfüllung von Berichtspflichten sowie bei der Vollstreckung von Anordnungen und der Zwangsgelderhebung.


c. Beirat

Der Beirat setzt sich aus 16 Mitgliedern des Bundestags und 16 Vertretern des Bundesrats zusammen. Er berät gem. § 60 EnWG: die Bundesnetzagentur bei der Erstellung von Berichten über Energieregulierung und Monitoring-Tätigkeiten.


d. Länderausschuss

Der Länderausschuss ist das Hauptinstrument zur Abstimmung zwischen der Bundesnetzagentur und den Landesregulierungsbehörden in allen Fragen der Energieregulierung. Somit kann ein bundeseinheitlicher Vollzug sichergestellt werden.


e. Wissenschaftliche Beratung

Zur Vorbereitung ihrer Entscheidungen oder zur Begutachtung von Fragen der Regulierung ist die Bundesnetzagentur gem. § 64 Abs. 1 EnWG befugt, wissenschaftliche Kommissionen einzusetzen. Dadurch kann sie sich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben fortlaufend wissenschaftlicher Unterstützung bedienen.


3. Zuständigkeit


Gemäß § 54 Abs. 1 EnWG folgt, dass die Bundesnetzagentur als alleinige Regulierungsbehörde des Bundes alle Aufgaben wahrnimmt, die nicht ausdrücklich unter den Absatz 2 in die Zuständigkeit der Landesregulierungsbehörden fallen. Analog dazu übernimmt die Bundesnetzagentur die Regulierung der im § 54a Abs. 2 EnWG aufgeführten Bereiche. Weitere Aufgaben können durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technik gem. § 53a Abs. 4 Nr. 1 EnWG übertragen werden. Der Bundesnetzagentur obliegt weiterhin gem. § 54 Abs. 3 EnWG eine so genannte Auffangzuständigkeit, wodurch jegliche nicht im EnWG geregelte Zuständigkeit automatisch der Bundesnetzagentur zufällt.

Die Bundesnetzagentur kann auch im Wege der Organleihe fungieren. Dabei wird die Bundesnetzagentur durch einen Verwaltungsträger ermächtigt dessen landesregulatorische Aufgaben durch Bereitstellung eines eigenen Organs in eigenem Namen durchzuführen. Hierbei erspart sich der Entleiher die Einrichtung einer eigenen Landesregulierungsbehörde, muss jedoch für das Tätigwerden des beliehenen Organs Kostenersatz leisten. Auch muss er sich die Taten des beliehenen Organs entgegenhalten lassen. Die Bundesländer Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Thüringen haben keine eigene Landesregulierungsbehörde und machen von der Organleihe Gebrauch.


C. Landesregulierungsbehörden


Der § 54 Abs. 2 EnWG dient als in sich abgeschlossener Katalog über neun Punkte, der die Zuständigkeit der Landesregulierungsbehörden konkretisiert und beschränkt. Hervorzuheben ist die ebenfalls enthaltene Einschränkung, die der Bundesnetzagentur die Zuständigkeit überträgt sofern das zugrundeliegende Netz über die jeweiligen Landesgrenzen reicht, oder mehr als 100.000 Kunden beliefert. Die Zahl ist dabei absolut, d.h. dass selbst geringe Abweichungen nach oben bereits zum Zuständigkeitswechsel führen. Neben den Zuständigkeiten der Regulierungsbehörden bleiben gem. § 111 EnWG allerdings auch die Angelegenheiten der Kartellbehörden unberührt.


D. Bundesministerium für Wirtschaft und Technik


Gemäß § 54a EnWG ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Technik bei der Umsetzung der Verordnung (EU) Nr. 994/2010 (Sicherstellung der europäischen Gasversorgung) zuständig. Weiterhin legt § 54a Abs. 4 EnWG die Zuständigkeit des Bundesministeriums auch auf folgende Gebiete fest:

  • Festlegung von Informationspflichten von Erdgasunternehmen sowie von Verfahren und Zuständigkeiten von Bundesbehörden bzgl. der Datenübermittlung gem. Art. 13 der EU-Verordnung
  • Festlegung von Berichts- und Meldepflichten zur Bewertung der Gasversorgungssicherheitslage


Gemäß § 54 Abs. 2 EnWG fallen jedoch auch der Bundesnetzagentur Aufgabengebiete zu:

  • Risikoanalyse zur Sicherstellung der Erdgasversorgung gem. Art. 9
  • Ausbau bidirektionaler Lastflüsse
  • Einhaltung des Infrastrukturstandards (Ausgleich von Gasversorgungsausfällen), Art. 6 I 1, IV u. IX 1


Weiterhin besteht für das Bundesministerium für Wirtschaft und Technik die Möglichkeit gem. § 54 Abs. 4 Nr. 1 EnWG die Bundesnetzagentur mit weiteren Aufgaben zu betrauen. Die im Rahmen des § 54 EnWG von der Bundesnetzagentur wahrgenommenen Aufgaben werden gem. § 54 Abs. 2 Satz 2 EnWG unter der Aufsicht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technik ausgeführt.


E. Verfahren


1. Behördliches Verfahren


Die Generalklausel für das Verfahren der Regulierungsbehörde ist der § 65 EnWG. Dieser ist auch die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass eines Verwaltungsaktes. Das Verfahren der Regulierungsbehörden wird entweder auf Antrag oder von Amts wegen, gem. § 66 EnWG eingeleitet. Genannt sind in § 66 Abs. 2 EnWG abschließend alle Verfahrensbeteiligte. Ob die Regulierungsbehörde eine Verfügung erlässt liegt gem. § 66 Abs. 2 EnWG in deren Ermessen.
Gem. § 65 EnWG kann die Behörde folgende Verfügungen erlassen:

Abstellungsverfügung, gem. § 65 Abs. 1 EnWG: Die Behörde kann hier verlangen ein bestimmtes rechtswidriges Verhalten zu unterlassen bzw. ein Verbot aussprechen.

Anordnungsverfügung, gem. § 65 Abs. 2 EnWG: Bei der Anordnungsverfügung, kann die Behörde nicht nur das bloße Unterlassen eines rechtswidrigen Verhaltens verlangen. Vielmehr ist die Behörde hier ermächtigt ganz klar Vorgaben zu machen, wie der rechtmäßige Zustand wiederhergestellt werden soll.

Feststellungsverfügung, gem. § 65 Abs. 3 EnWG: Sowohl bei der Abstellungsverfügung als auch bei der Anordnungsverfügung wird davon ausgegangen, dass das rechtswidrige Verhalten noch andauert. Die Feststellungsverfügung kommt aber erst in Frage, wenn der Verstoß schon beendet ist. Dabei geht es um ein bloßes Feststellen, des rechtswidrigen Verhaltens. Sie kommt aber nur in Frage, wenn keine Wiederholungsgefahr besteht und ein berechtigtes Interesse an der Feststellung besteht.

Weiter kann die Behörde noch Sanktionen erlassen sowie Bußgeldverfahren einleiten, gem. § 94 ff. EnWG.


2. Gerichtliches Verfahren


Im gerichtlichen Verfahren sind die prozessrechtlichen Vorschriften des EnWG maßgebend. Zuständig sind damit im Beschwerdeverfahren die jeweilig zuständigen Oberlandesgerichte. Die Beschwerde ersetzt die Klage vor den Verwaltungsgerichten. Die Spruchkörperzuständigkeit für energierechtliche Streitigkeiten wird innerhalb der OLG den jeweilig zu bildenden Kartellsenaten zugeteilt. Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist die zuständige Stelle der Bundesgerichtshof. Zuständiger Senat ist nach Vorbild des GWB auch hier der Kartellsenat. Durch die Erweiterung der Kartellsenate der OLG und des BGH auf energierechtliche Streitigkeiten konzentrieren sich auf die Problematiken bei einem einzig spezialisierten Senat. Damit soll eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung erfolgen.

Nach § 75 Abs. 4 S.1 EnWG ist das für den Sitz der Regulierungsbehörde zuständige OLG das ausschließliche Beschwerdegericht. Wie im GWB dient die Zuteilung zum OLG der Verfahrensbeschleunigung. Zuständig für den Sitz der BNetzA ist der Kartellsenat des OLG Düsseldorf gemäß § 106 EnWG i.V.m. §§ 91, 92 GWB sowie § 2 der Kartellsachen-Konzentrations-VO. Ohne Sonderregelung würde die BNetzA in den allgemeinen Zuständigkeitsbereich des OLG Köln fallen. Die gesonderte Zuständigkeit des OLG Düsseldorf folgt aus einer entsprechenden, einem Kartellverfahren betreffenden, Zuweisung des Landes NRW aus dem Jahr 1994 (§ 2 der VO vom 22.11.1994). Durch die Zuständigkeitskonzentration bei spezialisierten EnWG-Gerichten soll die Rechtseinheit bei der Anwendung innerhalb des EnWG gewahrt werden. Die OLG entscheiden gleichermaßen über kartellrechtliche Angelegenheiten und über energierechtliche Streitigkeiten nach dem EnWG.

Darüber hinaus konzentriert sich das OLG innerhalb eines Spruchkörpers funktional als Verwaltungsgericht, Strafgericht und Zivilgericht.

In den §§ 75 und 83 EnWG ist festgelegt, wie man sich gegen Entscheidungen der Behörde wehren kann. Geeignetes Mittel dafür ist die Beschwerde, gem. § 75 EnWG. Gegen eine Verfügung der Landesregulierungsbehörde muss die Beschwerde, gem. § 75 Abs. 4 EnWG beim zuständigen Oberlandesgericht eingereicht werden. Geht es hingegen um die Beschwerde gegen eine Verfügung der Bundesnetzagentur ist ausschließlich das Oberlandesgericht Düsseldorf zuständig, gem. § 75 Abs. 4 EnWG. Folgende Beschwerdearten sind dabei zulässig:

Anfechtungsbeschwerde, gem. § 75 Abs. 1, 2 EnWG: Die Anfechtungsbeschwerde richtet sie gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde. Voraussetzung dafür ist das Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers, welches aber regelmäßig gegeben ist.

Verpflichtungsbeschwerde, gem. § 75 Abs. 3 EnWG: Die Verpflichtungsbeschwerde richtet sich dagegen auf den Erlass einer Entscheidung. Hierbei muss aber der Beschwerdeführer durch die Unterlassung der Entscheidung in seinen Rechten verletzt worden sein.

Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde, gem. § 71 Abs. 2 GWB i. V. m. § 83 Abs. 2 S. 2 EnWG: Wenn sich das Ereignis schon erledigt hat, gegen das Beschwerde eingelegt werden soll, ist die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde statthaft. Weiterhin muss das Einlegen einer Anfechtungsbeschwerde oder einer Verpflichtungsbeschwerde nicht mehr möglich sein und es muss ein Feststellungsinteresse bestehen.

Allgemeine Leistungsbeschwerde: Diese ist zwar nicht im Gesetz vorgesehen, aber durch höchstrichterlicher Rechtsprechung anerkannt worden. Die allgemeine Leistungsbeschwerde richtet sich aber nicht auf den Erlass einer Entscheidung.

Rechtsbeschwerde zum BGH § 86 EnWG: Gegen Entscheidungen des Oberlandesgerichts kann der Beschwerdeführer eine Rechtsbeschwerde zum BGH einlegen. Diese muss aber vom Oberlandesgericht zugelassen worden sein. Kein Grund für eine Zulassung sind z.B. schwere Verfahrensfehler.

Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH § 87 EnWG: Hat das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde zum BGH nicht zugelassen, kann diese Entscheidung gem. § 87 EnWG, nochmals selbständig angefochten werden.


F. Fallbeispiel


Der in Sachsen tätige Gasversorger SachsenGas (S) versorgte in der vergangenen Regulierungsperiode ca. 98.000 Kunden mit Erdgas. Wegen der steigenden Kundenzahlen (soeben wurde die Marke von 100.000 durch S versorgter Kunden überschritten) musste S die Entflechtungsvorschriften des EnWG umsetzen, weshalb eine SachsenGas Netz GmbH (SN) aus der S ausgegliedert wurde. Die komplette Abwicklung und Abrechnung der Vertragsverhältnisse zwischen der SN und ihren (Netz)Kunden übernimmt allerdings nach wie vor die S aufgrund von entsprechenden, mit T abgeschlossenen Verträgen.

Die SN stellt der Landesregulierungsbehörde in Dresden die für die nächste Regulierungsperiode maßgeblichen Kosteninformationen zur Verfügung. Darauf hin legt die Landesregulierungsbehörde nach Durchführung eines Vergleichsverfahrens die individuellen Effizienzwerte für die SN gem. § 29 Abs. 1 EnWG fest. Dabei stößt die Landesregulierungsbehörde auf die Ausgliederung der SN und beanstandet diese als nicht ausreichend gem. §§ 6 ff. EnWG. Deshalb erlässt sie eine Anordnung, nach der S und SN auferlegt wird, die Entflechtung umzugestalten und alle Aufgaben, die derzeit noch durch SN an S beauftragt werden, auf die SN konsequent zu übertragen.

Die Geschäftsführung der SN und auch die der S ist mit den Entscheidungen der Landesregulierungsbehörde nicht einverstanden. Deshalb erwägen beide Geschäftsführungen, gegen die Anordnungen vorzugehen.

Frage 1:
Was kann die Geschäftsführung von SN gegen die Entscheidungen der Landesregulierungsbehörde tun?

SN könnte sich des Rechtsmittels der Beschwerde die gem. § 75 EnWG zulässig ist gegen Entscheidungsn der Regulierungsbehörde.
Die Beschwerde hat Aussicht auf Erfolg wenn sie zulässig und begründet ist.

1. Zulässigkeit
a) Rechtsweg/sachliche Zuständigkeit
Zuständig für Entscheidungen gegen Regulierungsbehörden ist gem. § 75 Abs. 4 EnWG das für den Sitz der Regulierungsbehörde zuständige Oberlandesgericht. Das zuständige Oberlandesgericht für die BNetzA ist das OLG Düsseldorf.

b) Beschwerdegegenstand
c) Beschwerdebefugnis
d) Beschwerdefrist

2. Begründetheit

Zulässigkeit:
- Die Beschwerde ist als statthaftes Rechtsmittel gegen Entscheidungen (§ 75 Abs. 1 EnWG) zulässig.
- Das Beschwerderecht steht allen Beteiligten zu, auch Beigeladenen (Personen und Personenvereinigungen, deren Interessen durch die Entscheidung erheblich berührt werden und die die Regulierungsbehörde auf ihren Antrag zu dem Verfahren beigeladen hat).
- Neue Tatsachen und Beweismittel sind nach § 75 Abs. 1 S. 2 EnWG zulässig.
- Zu beachten ist auch Frist und Form. Die Beschwerde muss schriftlich innerhalb einer Woche ab Einlegung der Beschwerde eingehen. Es besteht eine Verlängerungsmöglichkeit nach § 78 Abs. 3 EnWG.
- Weiterhin herrscht Rechtsanwaltszwang gem. §§ 78 Abs. 5, 80 EnWG. Allerdings gilt dies nicht für Regulierungsbehörden, da diese sich selbst vertreten können.

Wird der Beschwerde stattgegeben, kommt es zu einer mündlichen Verhandlung gem. § 81 EnWG. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist nur im Einvernehmen mit den Beteiligten möglich.

Hierbei gilt der Untersuchungsgrundsatz (§ 82 EnWG). Die Erforschungspflicht des Gerichts erfolgt von Amts wegen. Der Vorsitzende hat die Pflicht auf folgendes hinzuwirken:
- Beseitigung von Formfehlern
- Erläuterung unklarer Anträge / Stellung sachdienlicher Anträge
- Ergänzung ungenügender tatsächlicher Angaben
- Abgabe aller für die Feststellung und Beurteilung der Sache wesentlichen Erklärungen

Den Beteiligten kann aufgeben werden:
- Äußerung zu aufklärungsbedürftigen Punkten
- Bezeichnung von Beweismitteln
- Vorlage von Urkunden und Beweismitteln

Bei unzureichender / verspäteter Mitwirkung der Beteiligten hat das Gericht die Möglichkeit, nach Lage der Sache zu entscheiden (§ 82 Abs. 4 EnWG).


Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ergeht durch Beschluss nach § 83 Abs. 1 EnWG.
Möglicher Beschlusstenor kann sein:
- Aufhebung der Entscheidung der Regulierungsbehörde (§ 83 Abs. 2 EnWG)
- Abweisung der Beschwerde
- Bei vorheriger Rücknahme / Erledigung: (nur) bei berechtigtem Interesse erfolgt auf Antrag Feststellung, dass Entscheidung der Regulierungsbehörde unzulässig bzw. unbegründet gewesen ist (§ 83 Abs. 2 S. 2 EnWG)
- Bei Ablehnung oder Unterlassen einer Entscheidung: Verpflichtung der Behörde zur Vornahme der beantragten Entscheidung (§ 83 abs. 4 EnWG)

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zum BGH ist durch das OLG mitzuentscheiden (§ 86 Abs. 3 S. 1 EnWG).

Frage 2:
Muss SN während der Überprüfung der Entscheidung die Anordnungen befolgen?

Laut § 76 Abs. 1 EnWG hat die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung. Ausnahme ist aber wenn es um die Durchsetzung einer Verpflichtung nach §§ 7, 8 EnWG geht.

Liegt eine Entflechtung i.S.v. §§ 7 und 8 EnWG vor?

1) Rechtliche Entflechtung gem. § 7 EnWG?
Unter der rechtlichen Entflechtung versteht man die vollständige gesellschaftsrechtliche Trennung des Netzbetriebes von anderen energiewirtschaftlichen Tätigkeiten. Laut Sachverhalt lässt SN aber weiterhin die komplette Abwicklung und Abrechnung der Vertragsverhältnisse über S laufen. Somit wurde die rechtliche Entflechtung nicht richtig durchgeführt.

1) Operationelle Entflechtung, gem. § 8 EnWG?
Darunter wird die Unabhängigkeit des Netzbetreibers von der Konzernmutter hinsichtlich der Organisation, Entscheidungsgewalt und Ausübung des Netzgeschäftes verstanden. Die entscheidenden Faktoren wie z.B. Abwicklung der Verträge und Abrechnung werden aber laut Sachverhalt weiter von S bearbeitet. Somit wurde auch eine operationelle Entflechtung nicht richtig durchgeführt.

Da keine Entflechtung richtig durchgeführt wurde, geht es hier um eine Verpflichtung nach §§ 7, 8 EnWG und die Beschwerde hat somit eine aufschiebende Wirkung.

Ausnahme § 77 Abs. 1 EnWG
Die Regulierungsbehörde kann in den Fällen des § 76 Abs. 1 EnWG eine sofortige Vollziehung der Entscheidung anordnen, wenn dies im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten geboten ist.
Unter öffentlichen Interesse wird üblicherweise, die Erhaltung des offenen Marktes gesehen. Da die unrichtige Entflechtung einem offenen Markt entgegensteht, könnte dies eine sofortige Vollziehung nach sich ziehen. Der Gasversorger S im Sachverhalt ist aber ein relativ kleines Gasversorgungsunternehmen und selbst bei einer unrichtigen Entflechtung ist so die Offenheit des Marktes nicht in Gefahr.
Antwort: SN muss während der Überprüfung der Entscheidung die Anordnung nicht befolgen gem. § 75 Abs. 1 EnWG.


Frage 3:
Sind die Entscheidungen der Behörde formell richtig gewesen?

Für die Lösung der Aufgabe rufen wir uns folgendes Prüfungsschema wieder ins Gedächtnis

Allgemeines Prüfungsschema:
1. Ermächtigungsgrundlage
2. Formelle Rechtmäßigkeit
a. Zuständigkeit
aa. sachlich
bb. örtlich
cc. instanziell
b. Verfahren
c. Form
3. Materielle Rechtmäßigkeit

Der § 65 EnWG ist als Generalklausel, die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Verwaltungsakten im Sinne von § 35 VwVfG.

Die Frage der Zuständigkeit wird im § 54 EnWG geregelt, wobei sich folgendes Prüfungsschema anbietet:

1) Stufe: Landesgrenze
darüber, dann BNetzA oder nächste Stufe
1) Stufe: Katalog-Tatbestände des § 54 EnWG
keiner, dann BNetzA oder nächste Stufe
1) Stufe: Zahl der angeschlossenen Kunden
mehr als 100.000 Kunden , dann BNetzA

Hierbei ergibt sich das Problem, dass zum Zeitpunkt der Entscheidungen der Landesregulierungsbehörde an das Netz der SN mittelbar bzw. unmittelbar mehr als 100000 Kunden angeschlossen waren.

Somit war die Landesregulierungsbehörde nicht zuständig und deren Entscheidungen formell nicht richtig gewesen.


Frage 4:
Wie müsste das Verfahren zum Erlass der oben genannten Entscheidung aussehen?

1) Zuständigkeit:

Wie so eben festgestellt, müsste die BNetzA als zuständige Regulierungsbehörde fungieren um die formellen Voraussetzungen zu erfüllen.

1) Verfahren:

Es handelt sich um eine Anordnungsverfügung gem. § 65 Abs. 2 EnWG. Es gestattet ein Tätigwerden der Regulierungsbehörde zur Beseitigung eines unmittelbar bevorstehenden oder gegenwärtigen Störungszustandes. Abs. 2 enthält die ausdrückliche Ermächtigung der Regulierungsbehörde, über eine bloße Untersagung hinaus, konkrete Vorgaben hinsichtlich der Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustands zu machen

1) Form:

Die Anordnungsverfügung muss als Verwaltungsakt hinreichende bestimmt sein gemäß § 37 Abs. 1 VwfVG. Die Adressaten, hier SN und S müssen in der Lage sein, zu erkennen, was von ihnen gefordert wird.

1) Materieller Ausblick:

Tatbestandsmerkmale:
- Verstoß gegen das EnWG oder den auf Grund des Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung (+) falsches Unbundling gem. §§7 ff. EnWG
- Fortdauer der Zuwiderhandlung (+) Unbundling dauert an
- Verhältnismäßigkeit (+) struktureller Charakter
- Adressat (+) S und SN
- Ermessen (+)

Rechtsfolge:
Die Regulierungsbehörde wird pauschal zu Maßnahmen ermächtigt.
Verfügungen nach § 65 EnWG sind befehlender, nicht gestaltender Natur, da das beanstandete Verhalten bereits untersagt ist.


Vgl. dazu auch folgende Beschreibung
CategoryEnergierecht
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