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Dies ist eine alte Version von WIPRIIKaufvertrag erstellt von Jorina Lossau am 2014-05-08 14:27:17.

 

Wirtschaftsprivatrecht II

Inhalt der Verträge

Teil 4: Kaufvertrag

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A. Hauptpflichten des Verkäufers


§ 433 Abs.1 BGB
Die Hauptpflichten des Verkäufers (§ 433 Abs. 1 BGB) sind die Übergabe des Kaufgegenstands durch Verschaffung des unmittelbaren Besitzes gem. § 854 BGB (bei Rechten durch Abtretung gem. § 398 BGB) und die Eigentumsverschaffung (je nach Art des Gegenstands gem. §§ 925, 929, 398 BGB). § 433 Abs. 1 BGB spricht von der Kaufsache, so dass die Regelung nur körperliche Gegenstände erfasst (§ 90 BGB). Allerdings sind nach § 453 BGB für den Kauf von Rechten (z.B. Forderungen, Patente, Markenrechte) die Vorschriften des Sachkaufs entsprechend anwendbar; nur die Vorschriften, die auf die Körperlichkeit der Sache Bezug nehmen (z.B. Übergabe nach § 433 Abs. 1 BGB, Versendung nach § 447 BGB) sind unanwendbar. Eine besondere Vorschrift gilt für Schiffe, die aufgrund ihrer Eintragung in das Schiffsregister unkörperlichen Gegenständen nahe stehen.
Seit der Schuldrechtsmodernisierung ist klargestellt, dass auch die Mängelfreiheit des Gegenstands eine Hauptleistungspflicht des Verkäufers ist (§ 433 Abs. 1 BGB).
 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/WIPRIIKaufvertrag/WIPRII433bgb.jpg)

B. Hauptpflichten des Käufers

§ 433 Abs. 2 BGB
Hauptpflicht des Käufers (§ 433 Abs. 2 BGB) ist regelmäßig nur die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises. Die Pflicht ist synallagmatisch (§§ 320 ff. BGB) mit den Hauptpflichten des Verkäufers verbunden. Die in § 433 Abs. 2 BGB ebenfalls genannte Pflicht zur Abnahme des Kaufgegenstands ist nur in Ausnahmefällen Hauptpflicht (z.B. beim Räumungsverkauf); regelmäßig ist es dem Verkäufer egal, ob der Käufer die Sache mitnimmt, wenn er den Kaufpreis erhält.

Beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt (§ 449 BGB) muss der Käufer den Kaufpreis nicht sofort im Gegenzug zur Übergabe der Kaufsache zahlen, sondern erst nach einer mit dem Verkäufer ausgehandelten Frist. Häufig wird hierbei eine Ratenzahlung vereinbart. Allerdings erhält der Käufer dafür das Eigentum an der Sache auch erst mit vollständiger Kaufpreiszahlung. Der Käufer hat bei einem Ratenzahlungsvertrag aber schon mit der Zahlung einiger Raten eine eigentumsähnliche Position (sog. Anwartschaftsrecht) mit Besitzrecht (vgl. § 986 BGB) erworben. Aufgrund dieser Position darf der Verkäufer auch bei Zahlungsverzug des Käufers nicht ohne weiteres die Sache – an der er ja noch Eigentum hat – zurücknehmen; vielmehr muss er vom Vertrag nach § 323 BGB zurücktreten. Im kaufmännischen Verkehr gibt es besondere Formen des Eigentumsvorbehalts, nämlich den verlängerten Eigentumsvorbehalt und den Konzernvorbehalt, den § 439 Abs. 3 BGB für den nicht-kaufmännischen Bereich für unzulässig erklärt.

C. Nebenleistungspflichten

Ausnahmeregelungen
Das Kaufvertragsrecht sieht nur wenige Nebenleistungspflichten vor. Sie sind vor allem den Umständen des Einzelfalls geschuldet, z.B. Verpackungspflicht des Verkäufers, Montage der Kaufsache, Beratung vor Auswahl („Küchenplanung“), bei besonders langlebigen und hochwertigen Gegenständen langfristige Ersatzteilhaltung. Allenfalls bei hochwertigen und gefährlichen Sachen ist der Verkäufer zu einer Untersuchung des Gegenstands verpflichtet.

D. Gefahrübergang

§ 446 ff. BGB
Der Verkäufer muss nach § 446 BGB ab der Übergabe an den Käufer nicht für den zufälligen Untergang der Kaufsache einstehen. Zudem verliert er nicht seinen Kaufpreisanspruch. Der Grund für diese Regelung liegt darin, dass der Verkäufer nicht nur die Übergabe, sondern auch die ggfs. erst zeitlich später folgende Eigentumsverschaffung (z.B. beim Verkauf unter Eigentumsvorbehalt oder beim Grundstücksverkauf wegen der erforderlichen Eintragung ins Grundbuch). Sobald der Verkäufer dem Käufer die Sache aber übergeben hat, verliert er selbst jede Einflussmöglichkeit auf die Sache und damit ggfs. auch die Möglichkeit der Eigentumsverschaffung. Beim Eigentumsvorbehalt (§ 449 BGB) ist die vorzeitige Übergabe der Kaufsache an den Käufer Sinn des gesamten Geschäfts. Da ab der Übergabe der Käufer mit der Sache verfahren kann, muss er auch die Gefahr des Untergangs tragen.

Eine Vorverlegung des Gefahrübergangs sieht § 447 BGB für den Versendungskauf vor. Dafür muss der Verkäufer die Sache
  • auf Verlangen des Käufers
    • beim sog. Versandhandel liegt ein solches Verlangen nicht vor, weil die Versendung hier zum Pflichtenkreis des Verkäufers gehört (BGH NJW 2003, 3341 f.; str.);
  • an einen anderen Ort als den Leistungsort
    • der in § 447 Abs. 1 BGB genannte Begriff Erfüllungsort ist falsch; das Gesetz kennt diesen Begriff nicht;
    • der Leistungsort bestimmt sich nach § 269 BGB, so dass die Vorschrift auf Bringschulden nicht anwendbar ist;
    • § 269 BGB ist auch anwendbar beim Transport innerhalb einer Gemeinde, sog. Platzgeschäft;
  • durch eine gesetzlich genannte Transportperson
    • fremde Spediteure, Frachtführer, aber auch Paketdienste, Post und Boten;
    • problematisch ist der Einsatz eigener Transportpersonen des Verkäufers, weil er dann den Kaufgegenstand noch nicht „aus der Hand gegeben“ hat (sehr str.);
    • fraglich ist, ob der Verkäufer die Zuverlässigkeit der Transportperson prüfen muss;
  • transportieren lassen. Sind die Voraussetzungen gegeben, dann wird der Verkäufer von seiner Haftung für den zufälligen Untergang bereits mit Übergabe an die Transportperson frei.
 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/WIPRIIKaufvertrag/WIPRIIFall49.jpg)

E. Gewährleistungsrecht
1. Vorliegen eines Sachmangels

Voraussetzungen
Ein Sachmangel liegt vor bei der ungünstigen Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit. Die Sollbeschaffenheit richtet sich gem. § 434 BGB nach

  • der vertraglichen Vereinbarung (Abs. 1 S. 1),
    • die zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen über die Beschaffenheit der Kaufsache sind vorrangig zu überprüfen; regelmäßig haben die Parteien aber über die Beschaffenheit nicht gesondert gesprochen;
  • der vertraglich vorausgesetzten Verwendung (Abs. 1 S. 2 Nr. 1),
    • dieser Sachmangelbegriff spielt vor allem eine Rolle, wenn ein Kaufgegenstand vom Käufer in einer besonderen Art genutzt werden soll und der Verkäufer diese Verwendungsmöglichkeit kennt und sich zumindest hierauf einlässt;
  • der gewöhnlichen Verwendungdes Kaufgegenstands (Abs. 1 S. 2 Nr. 2) oder
  • der Erwartung aufgrund von Werbungu.ä. (Abs. 1 S. 3).
    • Werbung muss vom Verkäufer oder dem Hersteller gem. § 4 Abs. 1, 2 ProdHaftG oder deren Gehilfen (z.B. Werbeagentur) ausgehen;
    • Ausnahme, wenn der Käufer die Werbung nicht kannteoder kennen musste.

Ein Sachmangel liegt zudem vor bei
  • fehlerhafter Montage (Abs. 2 S. 1),
  • mangelhafter Montageanleitung (sog. IKEA-Klausel) (Abs. 2 S. 2),
    • Ausnahme: Montage gelingt trotzdem;
  • Aliud- oder Minderlieferung (Abs. 3).


Fall 50:
Jurastudent J ist im dritten Semester und macht ein 6-wöchiges Praktikum beim Rechtsanwalt R, dessen Tätigkeitsschwerpunkt im Kaufrecht liegt. Gleich am zweiten Tag legt ihm der Anwalt einen Stapel Akten auf den Tisch. R fordert J auf, die einzelnen Sachverhalte daraufhin zu prüfen, ob Rechte wegen eines Sach- oder Rechtsmangels geltend gemacht werden können, „dies sei schließlich was, was man schon im zweiten Semester gelernt habe“. J hatte allerdings das Schuldrecht ein wenig während seiner Studien vernachlässigt. Als R gerade bei Gericht ist, ruft er daher seinen Studienkollegen S an und fragt, ob er ihm nicht helfen könne und ihm zumindest sagen könne, ob nun ein Mangel gegeben sei oder nicht. Was wird S, der Schuldrecht zu seinem Lieblingsgebiet auserkoren hat, dem J bei den folgenden Fällen wohl sagen?

(1) Rentner R, der sich allein in seiner Wohnung ein wenig einsam und ängstlich fühlt, kauft beim Züchter Z einen Schäferhund. Beim Verkaufsgespräch weist Z daraufhin, dass dieser Hund sich ganz besonders als Wachhund eignen würde. Beim ersten Spaziergang muss R jedoch feststellen, dass der Hund immer gegen Mauern und Laternenpfähle rennt. Der konsultierte Tierarzt diagnostiziert eine angeborene Sehschwäche. Sachmangel?

(2) V verkauft an K einen zwei Jahre alten Peugeot 307 für 11000,- €. Nach der Übergabe stellt sich heraus, dass der Wagen einen Kolbenfresser hat und infolgedessen der Motor ausgetauscht werden muss. Sachmangel? Abwandlung: Wie wäre der Fall zu beurteilen, wenn das Auto bereits zehn Jahre alt gewesen wäre und ein Laufleistung von über 150000 km hätte und sich nach Übergabe ein verschleißbedingter Getriebeschaden zeigen würde?

(3) Heimwerker H kauft beim schwedischen Möbelhändler M einen Schrank zur Selbstmontage. Zu Hause angekommen, versucht er den Schrank mit Hilfe der mitgelieferten Anleitung aufzubauen. Diese Versuche scheitern jedoch zunächst, weil die Anleitung aufgrund schlechter Übersetzung unverständlich ist. H ist hierüber leicht erzürnt und versucht daraufhin sein Glück ohne die Aufbauanweisungen in der Anleitung, was ihm auch wegen seines besonderen Geschicks gelingt. Sachmangel?

(4) L ist Inhaber eines Fanartikelladens und bezieht beim Händler H verschiedene Aufbügelmotive für T-Shirts und Pullover, darunter auch eines mit dem Bild und der Unterschrift von Michael Schumacher. H hatte dem L bestätigt, zum Verkauf berechtigt zu sein, was jedoch nicht stimmt. Als Michael Schumacher von dem Vertrieb erfuhr und seine Zustimmung hierzu verweigerte, war L gezwungen, die von ihm hergestellten Kleidungsstücke wieder zurückzunehmen.

Rechtsmangel ?

2. Mängelrechte des Käufers

Ausnahmeregelungen
Dem Käufer stehen bei Vorliegen eines Sachmangels nach § 437 BGB verschiedene Rechte zu. Diese Ansprüche sind allerdings nach § 442 BGB ausgeschlossen, soweit der Käufer den Mangel kannte. Wenn er den Mangel hätte kennen müssen (grobfahrlässige Unkenntnis), dann greift dieser Haftungsausschluss aber nur bei einem arglistigen (s. § 123 Abs. 1 BGB) Verschweigen des Mangels durch den Verkäufer oder bei der Übernahme einer sog. Beschaffenheitsgarantie (§ 443 BGB). Die Mängelrechte stehen in einem Rangverhältnis:
 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/WIPRIIKaufvertrag/WIPRII437.jpg)

a. Nacherfüllung
§ 437 ff. BGB
Bei der Nacherfüllung gem. §§ 437 Nr. 1, 439 BGB sind zwei Varianten gesetzlich vorgesehen, zwischen den der Käufer als Berechtigter wählen darf: Beseitigung des Mangels an der gelieferten Sache oder Lieferung einer mangelfreien Sache (Neulieferung). Die Wahlfreiheit ist teilweise eingeschränkt, z.B. beim Stückkauf, wo die Lieferung einer anderen mangelfreien Sache nicht vertragsgemäß wäre, sowie gem. § 439 Abs. 3 BGB und nach § 242 BGB. Die Neulieferung erfolgt nach den Vorschriften zum Rücktritt gem. §§ 346 ff. BGB und ist auch beim Stückkauf aus einer Serienproduktion möglich. Bei der Beseitigung des Mangels erlaubt das Gesetz zwei Reparaturversuche (§ 440 S. 2 BGB). Ist dann die Sache immer noch mangelhaft, darf der Käufer den Mangel nicht selbst beseitigen (BGHZ 162, 219; aber eingeschränkt durch BVerfG ZGS 2006, 470), sondern hat nur noch den Anspruch auf Neulieferung, Rücktritt oder Minderung.

Siehe hierzu auch folgende Entscheidung:
BGH, U. v. 23.2.2005 – VIII ZR 100/04

Das Wahlrecht des Käufers kann bei Unmöglichkeit der Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 BGB sowie durch Leistungsverweigerungsrechte des Verkäufers nach § 439 Abs. 3 BGB eingeschränkt werden, so bei einem Missverhältnis zwischen dem Aufwand für die Nacherfüllung und dem Leistungsinteresse des Käufers (§§ 439 Abs. 3 i.V.m. 275 Abs. 2 BGB), einer Unzumutbarkeit der persönlichen Erbringung (§ 439 Abs. 3 BGB i.V.m. § 275 Abs. 3 BGB) oder unverhältnismäßigen Kosten (§ 439 Abs. 3 BGB). Der BGH geht von einem absoluten Begriff der Unverhältnismäßigkeit aus, die gegeben ist, soweit die Kosten der Nacherfüllung 150% des Wertes der Sache im mangelfreien Zustand übersteigen oder 200% des mangelbedingten Minderwertes (a.A. die Literatur, die von einem relativen Begriff ausgeht bei einem Wert von 10-25% über den Kosten für die andere Art der Nacherfüllung). Wenn für beide Arten der Nacherfüllung diese Gegenrechte des Verkäufers eingreifen, entfällt der Nacherfüllungsanspruch vollständig (§ 439 Abs. 3 S. 3 BGB a.E.).

Problematisch ist der Umfang der Nacherfüllung bei einem Sachmangel aufgrund fehlerhafter Montageanleitung: Gehören die Demontage der montierten Sache und die Neumontage der nachgelieferten Sache zum Pflichtenkreis des Verkäufers?
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 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/WIPRIIKaufvertrag/WIPRIIFall51.jpg)

b. Rücktritt und Minderung

Besonderheiten
Zwischen den zur Nacherfüllung nachrangigen Rechten auf Rücktritt gem. §§ 437 Nr. 2, 440 BGB und Minderung gem. §§ 437 Nr. 2, 441 BGB besteht wiederum ein Wahlrecht des Käufers, der auch zwischen den Rechten wechseln kann. Gemeinsame Voraussetzung für Rücktritt und Minderung ist der fruchtlose Ablauf einer angemessenen Nachfrist; die Angemessenheit richtet sich nach dem Einzelfall, beträgt aber regelmäßig 14 Tage. Ausnahmen von der Fristsetzung bestehen nur bei endgültigem Fehlschlagen der Nacherfüllung (§ 440 S. 1, 2 BGB) oder ihrer ernsthaften Verweigerung (§§ 440 S. 1 i.V.m. 439 Abs. 3 BGB) sowie in den Fällen der § 281 Abs. 2 BGB, § 323 Abs. 2 BGB, also vor allem bei Unzumutbarkeit des weiteren Zuwartens (§ 440 S. 1 BGB).

Die Durchführung des Rücktritts richtet sich nach §§ 323, 326 Abs. 5 BGB, eine Modifikation ergibt sich nur hinsichtlich der Fristsetzung (§ 440 BGB). Durch den Rückgriff auf § 323 BGB, § 326 Abs. 5 BGB bestehen Ausnahmen für die Fristsetzung auch bei Unmöglichkeit der Nacherfüllung (§ 275 Abs. 1 BGB: Zuwarten bringt nichts), bei ernsthafter und endgültiger Verweigerung der Nacherfüllung (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB), beim relativen Fixgeschäft (§ 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB:die Nacherfüllung würde zu spät kommen) und bei besonderen Umständen gem. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Ausgeschlossen ist der Rücktritt bei Unerheblichkeit der Pflichtverletzung (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB), bei zumindest überwiegender Verantwortlichkeit des Käufers für den Mangel (§ 323 Abs. 6 1. Alt. BGB) und bei Annahmeverzug des Käufers (§ 323 Abs. 6 2. Alt. BGB). Die Rechtsfolgen des Rücktritts richten sich nach §§ 346 ff. BGB, d.h. es entsteht ein Rückgewährschuldverhältnis. Der Käufer hat einen Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises, der Verkäufer auf Rückgewähr der Kaufsache und Nutzungsersatz für Früchte und sonstige Nutzungen (§ 99 BGB, § 100 BGB) gem. § 346 Abs. 1 BGB. Der Käufer muss ab dem Rücktritt nach den Voraussetzungen des § 346 Abs. 2 BGB Wertersatz für Verschlechterung und Untergang der Kaufsache leisten.

Prüfungsschema Rücktritt:
 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/WIPRIIKaufvertrag/WIPRIIRuecktritt.jpg)
Siehe hierzu auch folgendes Urteil: BGH, U. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06


Für die Minderung, bei der der Käufer die mangelhafte Sache bei gleichzeitiger Absenkung des Kaufpreises behält. ist in § 441 BGB der Berechnungsmaßstab niedergelegt.

Prüfungsschema Minderung
 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/WIPRIIKaufvertrag/WIPRIIMinderung.jpg)

c. Schadensersatz

Schadensersatz statt und neben der Leistung
Der schwierigste Bereich der Gewährleistungsrechte ist der Anspruch auf Schadensersatznach §§ 437 Nr. 3, 280, 281, 283, 286, 311a BGB. Für den Umfang des Schadensersatzes sind die §§ 249 ff. BGB maßgeblich (s. dazu näher unten). Durch den Verweis auf die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts ist zumindest zu unterscheiden nach Schadensersatz für Nichtleistung und Schadensersatz für Verzögerung.

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/WIPRIIKaufvertrag/WIPRIIFall52.jpg)
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  • Bereits beim Schadensersatz wegen Verzögerung (z.B. wegen einer Betriebsstörung, wenn eine neue Maschine zu spät geliefert wird) liegt ein Schadensersatz neben der Leistung vor, weil der Anspruch auf die Leistung bestehen bleibt. Voraussetzung für Schadensersatz wegen Verzögerung ist der Verzug mit der Nacherfüllung (s. §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB), so dass der fruchtlose Ablauf einer angemessenen Nachfrist erforderlich ist.

  • Fraglich ist, inwieweit in anderen Fällen ein Schadensersatz neben der Leistung zuzusprechen ist. Anspruchsgrundlage wäre § 437 Nr. 3 BGB, § 280 Abs. 1 BGB. In Betracht kommt ein solcher zusätzlicher Schadensersatz dann, wenn ein Schaden an anderen Rechtsgütern des Käufers als der Kaufsache entsteht (Bsp. die gekaufte Kuh infiziert die vorhandene Herde mit einer schweren Krankheit). Es ist das sog. Integritätsinteresse des Käufers betroffen, sein Interesse am Erhalt seiner Rechtsgüter. Man spricht hierbei häufig von Mangelfolgeschäden, was so aber nicht zutrifft (s. sogleich). Da diese Schäden nicht im Zusammenhang mit der Leistungserbringung selbst stehen und selbst bei rechtzeitiger Erfüllung entstehen können, ist hier eine Fristsetzung entbehrlich. Voraussetzung ist lediglich die Kausalität zwischen dem Mangel der Kaufsache und dem Schaden an anderen Rechtsgütern.

  • Regelmäßig muss Schadensersatz statt der Leistung geleistet werden. Er umfasst alle Schäden, die bei ordnungsgemäßer Erfüllung zum spätestmöglichen Zeitpunkt beseitigt oder nicht entstanden worden wären. Damit sind alle Schäden erfasst, die durch das ursprüngliche Ausbleiben der Kaufsache verursacht werden. Mit dieser Umschreibung sind sowohl Schäden an der Sache selbst (Mangelschäden) als auch teilweise Mangelfolgeschäden erfasst. Die frühere Unterscheidung zwischen diesen Schadensarten ist damit nicht mehr relevant. Ausgeglichen wird also das sog. Äquivalenzinteresse des Käufers, das Interesse am Erhalt der versprochenen Leistung. Beim Schadensersatz statt der Leistung muss das Rangverhältnis der Gewährleistungsrechte in § 437 BGB beachtet werden. Schadensersatz statt der Leistung entsteht erst, wenn nicht bis zum spätestmöglichen Zeitpunkt ordnungsgemäß erfüllt ist. Der Verkäufer hat zuvor das sog. „Recht der zweiten Andienung“, d.h. der Nacherfüllung, was nicht durch den Schadensersatzanspruch umgangen werden darf.

    • Auch der fruchtlose Ablauf einer angemessenen Nachfrist ist somit erforderlich, soweit der Mangel überhaupt behebbar ist. Anspruchsgrundlage ist dann §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB.
    • Ansonsten liegt Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1-3 BGB vor; der Anspruch richtet sich dann nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB.
    • Bestand der nicht behebbare Mangel von Anfang an, begründet sich der Schadensersatzanspruch nach §§ 437 Nr. 3, 311a Abs.2 BGB.


Fall 53:

Am 14.05.2008 kauft A bei dem Einrichtungshaus B Parkettplatten zum Selbstverlegen zum Gesamtpreis von 5.000 €, das der B durch seine Mitarbeiter am nächsten Tag zum Haus von bringen lässt. B hatte dieses Parkett auf seiner InternetSeite als „1a-Parkett zum Schnäppchenpreis“ angeboten; A wusste hiervon jedoch nichts. Da A handwerklich unbegabt ist, lässt er seinen Nachbarn C, der gelernter Parkettverleger ist, das Parkett eine Woche später fachgerecht verlegen und zahlt ihm „unter der Hand“ 1.500 €. Am 02.05.2010, kurz vor seinem Jahresurlaub, entdeckt der A, dass das Parkett wellig wird und aufplatzt. Tatsächlich hatte B zur Erhöhung seiner Gewinnspanne minderwertiges Parkett eingekauft. A schreibt am 04.05.2010 aus seinem spanischen Urlaubsort einen Brief an B, in dem er auf die entstandenen Mängel hinweist und verlangt, dass das schadhafte Parkett von B durch neues Parkett ausgetauscht wird. A steckt den Brief noch am selben Tag in den Briefkasten, durch Schlampigkeit der spanischen Post wird dieser aber erst am 17.05.2010 bei B in den Geschäftsbriefkasten geworfen. Nach seiner Urlaubsrückkehr begibt sich A am 18.05.2010 in das Geschäft des B, weil er bisher noch keine Antwort auf seinen Brief vorgefunden hat. B teilt dem A aufdie Vorhaltungen hin mit, dass er „ganz bestimmt nicht das Parkett austausche“, denn er sei nur Verkäufer und kein Handwerker und schon gar nicht der Hersteller. Von dem könne A ja Ersatz verlangen. Daraufhin kauft A bei einem anderen Einrichtungshaus Parkett zu einem angemessenen Preis von 7.500 € und lässt es von C nach Entfernung des alten Parketts verlegen. C stellt dafür eine Rechnung in Höhe von 4.400 €, wovon 1.900 € auf die Entfernung des alten Parketts und 2.500 € auf die Verlegung des neuen Parketts entfallen. Zudem stellt C dem A eine nachdatierte Rechnung für die im Mai 2008 erfolgte Parkettverlegung in Höhe von 2.500 € aus. A legt dem B die beiden Rechnungen von C sowie die Rechnung für das neue Parkett in Höhe von 7.500 € vor und verlangt Zahlung.

Zu Recht?


Prüfungsschema §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 286 BGB:
 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/WIPRIIKaufvertrag/WIPRIISchema437Nr3.jpg)

Prüfungsschema §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB:
 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/WIPRIIKaufvertrag/WIPRII281.jpg)

Prüfungsschema §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB:
 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/WIPRIIKaufvertrag/WIPRII283.jpg)

Prüfungsschema §§ 437 Nr. 3, 311a Abs. 2 BGB:
 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/WIPRIIKaufvertrag/WIPRII311.jpg)

Für alle Schadensersatzansprüche – mit Ausnahme des Anspruchs nach §§ 437 Nr. 3, 311a Abs. 2 BGB (s. § 311a Abs. 2 S. 2 BGB) – ist Verschulden erforderlich (vgl. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Maßstab für das Verschulden sind §§ 276, 278 BGB (s. dazu später), Bezugspunkt ist die Pflichtverletzung des Verkäufers. Diese kann sehr unterschiedlich anzusetzen sein, wie das Beispiel eines Betriebsausfalls z.B. wegen Nichtlieferung einer Maschine zeigt:

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/WIPRIIKaufvertrag/WIPRIISEBeispiel.jpg)

Für die Lieferung einer mangelhaften Leistung allein liegt ein Verschulden nur bei Vorsatz durch arglistiges Verschweigen eines Schadens vor. Da den Verkäufer regelmäßig keine Untersuchungspflicht trifft, fehlt es ansonsten an dem zumindest erforderlichen fahrlässigen Handeln. Ist bereits eine Nachfrist gesetzt, liegt die Pflichtverletzung des Verkäufers in der Unterlassung der Nacherfüllung, die er wegen der Kenntnis vom Nacherfüllungsverlangen des Käufers auch zu vertreten hat. Der Verkäufer hat immer einzustehen für eine Garantieübernahme (§ 443 BGB), weil er hier verschuldensunabhängig zu haften hat. Ansonsten spricht nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB eine Vermutung zugunsten des Käufers für das Verschulden des Verkäufers, allerdings sind an seinen Entlastungsnachweis keine zu hohen Anforderungen zu setzen. In Lieferketten ist das Verschulden unterschiedlich verteilt, so muss der einfache Einzelhändler regelmäßig nicht für Herstellerschäden haften, sondern nur für Lagerungs- und ähnliche Schäden, während ein Fachhändler auch bei fehlerhaften Beschaffenheitsangaben oder fehlerhafter Beratung einzustehen hat. Im kaufmännischen Verkehr trifft den Zwischenhändler gegenüber seinem Lieferanten eine Untersuchungs- und Rügeobliegenheit gem. § 377 HGB (s. dazu unten), die aber nicht das Verhältnis zwischen Zwischenhändler und Käufer trifft.


Fall 54:

Hausfrau F entdeckt bei der morgendlichen Lektüre ihrer lokalen Tageszeitung in der Werbebeilage eine Anzeige des Herstellers H,der für Haushaltsgeräte wirbt. Ihr fällt sofort ein Handmixer ins Auge, der ohne Kabel betrieben werden kann und für den damit geworben wird, dass er eine zweieinhalbstündige Akkulaufleistung haben soll. Hochinteressiert begibt sich zum Elektrofachgeschäft des E, der Modelle des H vertreibt. Ohne mit E über die Akkulaufleistung zu sprechen, kauft F eines der Geräte für 35,- €. Auch kauft sie noch ein Päckchen mit zwei Ersatzakkus für 8,- € (Wert 5,- €). Beides zahlt sie sofort. Zu Hause angekommen probiert F den Mixer sofort aus. Neben einem Kuchen für den Kaffeeklatsch am Nachmittag, will sie noch Plätzchen für den Kegelverein ihres Mannes machen. Doch schon nach anderthalb Stunden streikt der Akku des Mixers. Da gerade keine freie Steckdose vorhanden ist, will sie einen der gekauften Akkus verwenden. Beim Öffnen der Packung muss sie jedoch feststellen, dass darin sowieso nur ein Akku enthalten ist. Am nächsten Tag begibt sich F zu E und verlangt unter Schilderung der Sachlage ein neues Mixgerät und einen weiteren Akku innerhalb der nächsten Woche. E verweist jedoch auf einen an der Kasse angebrachten, für alle Käufer sichtbaren Zettel, auf dem steht:

„Hiermit mache ich auf meine allgemeinen Geschäftsbedingungen aufmerksam.“

In den in der Kassenschublade befindlichen Geschäftsbedingungen findet sich unter § 6 der Passus: „Sämtliche Rechte wegen eines Fehlers der gekauftenSache sind ausgeschlossen.“ F lässt sich hierdurch nicht beeindrucken. Aber auch zehn Tage später hat E noch nichts von sich hören lassen. Wütend über „diese Unverschämtheit“ begibt sich F zum Laden des E und erklärt diesem, dass sie von dem Kaufvertrag über den Mixer zurücktrete und wegen des fehlenden Akkus zumindest einen Teil des Kaufpreises zurückverlange. Auch hiermit ist E nicht einverstanden.

Hat F einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises für den Mixer und einen Teilrückzahlungsanspruch wegen des fehlenden Akkus?


3. Garantiehaftung

§ 443 BGB
Der Verkäufer hat verschuldensunabhängig für einen Sachmangel einzustehen, wenn er für eine bestimmte Beschaffenheit oder Haltbarkeit eine Garantie übernommen hat, § 443 BGB. Allerdings erfordert eine Garantie, dass der Verkäufer zu erkennen geben muss, dass er für alle nachteiligen Folgen des Fehlens einer Beschaffenheit einstehen will. Liegt dann ein Schaden innerhalb der Garantiefrist vor, wofür nach § 443 Abs. 2 BGB eine Vermutung spricht, haftet der Verkäufer ohne Entlastungsmöglichkeit.

Siehe hierzu auch folgende Entscheidung:
BGH, U. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06

Regelmäßig liegt anhand einer Auslegung der Aussagen des Verkäufers keine verschuldensunabhängige Garantie, sondern nur eine Verbesserung der Mängelansprüchedes Käufers (z.B. Verlängerung der Gewährleistungsfrist) vor.

4. Haftungsausschluss

§ 442 ff. BGB
Eine Haftung des Verkäufers ist ausgeschlossen bei einem vertraglichen Haftungsausschluss, ggfs. auch durch AGB. Allerdings greift ein solcher Ausschluss nach § 444 BGB nicht bei arglistigem Verschweigen des Mangels durch den Verkäufer oder bei Übernahme einer Garantie i.S.d. § 443 BGB. Zudem besteht die Haftung des Verkäufers nicht bei Kenntnis des Käufers von dem Mangel, § 442 BGB (s. schon oben).

5. Verjährung

§ 438 BGB
Die Gewährleistungsrechte verjähren regelmäßig zwei Jahre nach der Ablieferung, d.h. Übergabe, (§ 438 Abs. 2 BGB) der Kaufsache, § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Längere Fristen bestehen für Grundstücksrechte (30 Jahre) und bei Bauwerken (5 Jahre). Bei arglistigem Verschweigen des Mangels gelten die normalen Verjährungsregeln gem. §§ 195, 199 BGB (§ 438 Abs. 3 BGB). Da es sich bei Rücktritt und Minderung um Gestaltungsrechte und nicht um Ansprüche (vgl. § 194 BGB) handelt, können diese eigentlich nicht der Verjährung unterliegen. Die Fristen des § 438 Abs. 1 BGB gelten aber gem. §§ 438 Abs. 4, 5 BGB auch bei diesen Gewährleistungsrechten entsprechend (vgl. § 218 BGB).

F. Verbrauchsgüterkauf

§ 442 ff. BGB
Beim Verbrauchsgüterkauf gem. §§ 474 ff. BGB handelt es sich nicht um den Kauf von Verbrauchsgütern, sondern um alle Käufe von Verbrauchern (§ 13 BGB). Mit Ausnahme von § 478 Abs. 2 BGB für das Verhältnis zwischen Händler und Hersteller (sog.Unternehmerregress) werden durch die Regeln des Verbrauchsgüterkaufs keine eigenständigen Ansprüche geschaffen, sondern nur das allgemeine Kaufrecht modifiziert.

Wichtige Änderungen sind:

  • Gefahrübergang auch beim Versendungskauf (§ 447 BGB) erst bei Übergabe an den Käufer oder seinem Annahmeverzug gem. § 446 Abs. 1, 3 BGB, § 474 Abs. 2 S. 2 BGB;
  • bei Neulieferung muss der Käufer keinen Nutzungsersatz gem. § 439 Abs. 4 BGB leisten, § 474 Abs. 2 S. 1 BGB;
  • Beweiserleichterung beim Vorliegen von Mängeln durch die widerlegbare Vermutung, dass ein innerhalb von 6 Monaten nach Übergabe auftretender Mangel bereits bei Übergabe vorlag, § 476 BGB;
  • Abweichungen von den Verjährungsregeln, weil für neue Sachen eine kürzere Frist als zwei Jahre und für gebrauchte Sachen eine kürzere Frist als ein Jahr unzulässig sind, § 475 BGB, wobei sich diese Regelung nicht auf Schadensersatzansprüche bezieht.

Da in Lieferketten immer der Einzelhändler den Ansprüchen des Verbrauchers ausgesetzt ist, Mängel aber häufig vom Hersteller verursacht worden sind, sieht § 478 BGB für den Händler eine erleichterte Rückgriffsmöglichkeit vor, sog. Unternehmensregress. Durch den Einsatz weiterer Zwischenhändler können sich hierbei auch Regressketten ergeben.

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/WIPRIIKaufvertrag/WIPRIIRegresserleichterung.jpg)

Direkte Ansprüche des Käufers gegen den Hersteller gibt es nur in seltenen Fällen, nämlich bei der Herstellergarantie (§§ 443, 477 BGB), in den seltenen Fällen eines Kaufvertrags mit Schutzwirkung für Dritte, bei der sog. Produzentenhaftung nach § 823 Abs. 1 BGB und bei der Haftung nach dem ProdHaftG.

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G. Handelskauf

§ 433 Abs.1 BGB
Der Handelskauf ist gem. §§ 373 ff. HGB ein Kaufvertrag über Waren oder Wertpapiere (s. § 381 Abs. 1 HGB), der für mindestens einen Vertragspartner ein Handelsgeschäft ist. Die Vorschriften über den Handelskauf dienen einer raschen Klärung und zügigen Abwicklung der Rechtsbeziehungen unter Kaufleuten.


Exkurs:
Die kaufmännische Rügeobliegenheit§ 377 HGB Für den Käufer bestehen besondere Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten, falls die Ware pünktlich aber nicht ordnungsgemäß geliefert wird. Der Käufer soll möglichst schnell überprüfen, ob alles so geliefert wurde, wie vereinbart, um dem Verkäufer alsbald darüber Gewissheit zu verschaffen ob ihm Ansprüche drohen oder nicht.

Voraussetzungen:
  • beiderseitiges Handelsgeschäft
    • Kaufmannseigenschaft (§ 1 HGB) beider Parteien
    • Abschluss eines Vertrages im Rahmen eines Handelsgewerbes (§ 343 HGB)
    • im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses

  • Ablieferung der Ware
    • Ablieferung bedeutet, dass der Käufer oder eine von ihm benannte Person in eine solche tatsächliche räumliche Beziehung zu derWare kommt, dass er deren Beschaffenheit überprüfen kann

  • Mangel der Ware
    • Qualitätsmangel § 434 I BGB = Schlechtleistung
    • Quantitätsmangel § 434 III 2. Alt. = Mengenfehler
    • Falschlieferung § 434 III 1. Alt. = andere Ware als bestellt

  • Ausschluss der Rügelast des Käufers
    • wenn der Verkäufer Mangel arglistig verschwiegen hat oder eine Eigenschaft arglistig vorgespiegelt hat (§ 377 Abs. 5 HGB),
    • wenn der Verkäufer auf seinen Schutz durch die Rügelast verzichtet.

Die Rüge muss ordnungsgemäß erfolgen. Dazu müssen die Mängel substantiiert angegeben werden, so dass der Verkäufer Art und Umfang der Mängel aus der Anzeige erkennen kann. Es genügt grds. eine formlose Anzeige der Mängel, die unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 S. 2 BGB), zu erfolgen hat. Bei einer schriftlichen Mängelanzeige genügt gem. § 377 Abs. 4 HGB die rechtzeitige Absendung. Bei einer ordnungsgemäßen Rüge stehen dem Käufer bei Qualitätsmängeln oder bei Falschlieferungen die Gewährleistungsrechte gem. §§ 437 ff. BGB zu. Bei Quantitätsfehlern hat der Käufer bei Minderlieferungen einen Anspruch auf vollständige Erfüllung gem. § 433 Abs. 1 S. 1 BGB und ggf. auf Schadensersatz gem. §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB wegen Nichterfüllung; bei Mehrleistungen kann er die Mehrleistung zurückweisen und braucht diese nicht zu bezahlen. Bei einer nicht ordnungsgemäßen Rüge gilt die Ware gem. § 377 HGB als genehmigt. Bei Falschlieferung muss das höherwertige Aluid gezahlt werden, beim minderwertigen Aliud gilt der vereinbarte Kaufpreis. Ähnlich ist es bei Quantitätsmängeln: die Mehrlieferung verursacht einen höheren Kaufpreis, bei der Minderlieferung gilt der vereinbarte Kaufpreis ohne Nachlieferungspflicht der Verkäufers.


Fall 55:

A betreibt ein Dachdeckerunternehmen mit über 30 Angestellten. Der Prokurist P, der bei A angestellt ist, bestellt beim auf Baustoffe spezialisierten Großhändler G für 100.000,- € 50 Stahlträger (50.000,- €), 30 Paletten rote Dachziegel (20.000,- €) und 10 Tonnen Bauholz (30.000,- €). P weist ausdrücklich darauf hin, dass die Waren bis zum 30.09. geliefert werden müssen, da die Ware am 01.10. auf einer Großbaustelle unbedingt eingesetzt werden muss, um noch im Zeitplan zu bleiben. G sagt ihm die rechtzeitige Lieferung zu. Schon am 26.09. werden die Stahlträger geliefert, allerdings nur 45, was dem P, der die Lieferung annimmt, nicht auffällt. Am 30.09. werden die verpackten Paletten mit den Dachziegeln angeliefert, die A selbst entgegennimmt und sofort in sein Lager bringen lässt. Ihm fällt dabeinicht auf, dass es sich nicht um rote, sondern um graue Dachziegel handelt. Am 01.10. telefoniert G mit der im Büro des A tätigen Auszubildenden L und teilt ihr mit, dass das Holz erst am 02.10. geliefert werden kann, L erklärt sich damit einverstanden. Die Lieferung erfolgt tatsächlich am 02.10. Allerdings verweigert der Lagerleiter F, die Annahme, da er sich für einen Mehrpreis von 5000,- € bereits das Holz bei einem anderen Großhändler besorgt hat.

Welche Ansprüche bestehen zwischen A und G ?
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