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Wirtschaftsprivatrecht I
Struktur eines zivilrechtlichen Problems
Im Zivilrecht gelten die allgemeinen Hinweise zur Rechtsfolge einer Norm, zur Struktur usw. entsprechend. Es gelten aber auch einige Besonderheiten. Insbesondere ist das Zivilrecht leichter zugänglich, wenn man sich Klarheit darüber verschafft, was im Zivilrecht zentrale Bedeutung hat - es ist der Anspruch. Die nebenbei in § 194 Abs. 1 BGB formulierte Definition hat somit eine weitaus größere praktische Bedeutung, als nur für die Frage der Verjährung.
A. Hauptnormen und Hilfsnormen des Zivilrechts
In den allgemeinen Hinweisen wurden bereits die Begriffe Hauptnorm und Hilfsnorm erwähnt. Die Hauptnormen sind für den jeweiligen Problembereich diejenigen Normen, die für die Problemlösung grundlegend sind und stets als erste heranzuziehen - sie ermöglichen erst den Einstieg in die Prüfung der Frage im konkreten Fall.
Im Zivilrecht steht in der Regel eine Anspruchsprüfung im Vordergrund, weshalb als Hauptnormen die Anspruchsgrundlagen dienen. Alle Normen, die bei der Prüfung einer Anspruchsgrundlage zusätzlich zu beachten sind, weil sie einzelne Merkmale der Hauptnorm definieren, sind als Hilfsnormen nicht weniger bedeutend, der Einstieg in die Fallprüfung beginnt jedoch stets mit der Hauptnorm, also bei der Frage nach einem Anspruch - mit der Anspruchsgrundlage. Als Beispiel einer typischen Anspruchsgrundlage kann § 433 Abs. 1 BGB genannt werden. Sofern sich die Frage nicht nach einem Anspruch stellt, sondern z. B. Vertragswirksamkeit betrifft, handelt es sich dabei um einen Teilabschnitt der Anspruchsprüfung.
Hilfsnormen füllen die Tatbestandsmerkmale der Hauptnorm aus. So zum Beispiel bei der Frage, ob der nach § 433 BGB notwendige Kaufvertrag wirksam ist, kann § 105 I BGB heranzuziehen sein, über den wiederum § 104 BGB zu beachten ist. Die Hilfsnormen begründen also keine
Einer besonderen Erwähnung bedürfen Einwendungen und Einreden, die auch allgemein als Einreden bezeichnet werden. Dies sind die Gegenrechte des Rechtssubjektes, gegen das Ansprüche gerichtet werden. Die Abbildung des Zivilrechts in Form von Ansprüchen und Einreden im kontradiktorischen Verhältnis der Parteien eines Zivilrechtsverhältnisses ist eine Errungenschaft der römischen Juristen (actio und exceptio), die jedoch heute ebenso gültig ist - der Anspruchsaufbau im deutschen Zivilrecht berücksichtigt auf der einen Seite die Voraussetzungen des Anspruchs wie auch die Gegenrechte der anderen Partei. (*)
(*) ausführlich zum Anspruch und Einrede in der juristischen Ausbildung Medicus in AcP 1974, S. 313 ff.
B. Anspruchssystematik als Einstieg in das Zivilrecht
Da die Prüfung von Ansprüchen im Zentrum der zivilistischen Praxis steht, sollte die Betrachtung des Zivilrechts naturgemäß mit einem Überblick über die Anspruchsgrundlagen beginnen. Einen kleinen Einblick finden Sie hier.
Die Ansprüche können auf verschiedene Weise geordnet werden - das Unterscheidungsmerkmal kann ihre Quelle sein (Vertrag, Gesetz etc.) oder seine Natur (schuldrechtlich, sachenrechtlich). In der Praxis ist es häufig sinnvoll, nach den verschiedenen denkbaren Anspruchszielen (oder Inhalten) wie Herausgabe, Vertragserfüllung, Schadensersatz zu unterscheiden, weil der Anspruchsteller meist nur das weiß, was er erreichen will.
Die Systematik der Ansprüche im Zivilrecht ist allerdings niemals verbindlich, weil sie keine rechtlichen Wirkungen hat. Abgesehen von dem selten entscheidenden Problem der Anspruchskonkurrenz spielt es keine Rolle, auf welche Weise wir für uns die insgesamt möglichen Ansprüche ordnen - entscheidend ist, dass wir im konkreten Fall eine sinnvolle Anspruchsgrundlage finden. Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Überblick über die Anspruchsgrundlagen für einen sicheren juristischen Auftritt weitaus größere Bedeutung hat, als die Rechtsprechung zum Detailproblem XYZ. Es ist also sehr empfehlenswert, mit der Anspruchssystematik selbst etwas zu experimentieren und die im Zivilrecht möglichen Ansprüche immer wieder durchzuschauen.
C. Anspruchsaufbau
Für alle zivilrechtlichen Ansprüche können viele juristische Regeln immer angewendet werden. Denn viele Stellen im sog. Anspruchsaufbau sind immer gleich - bei jedem Anspruch müssen wir an sie denken. Bei manchen Anspruchskategorien (z. B. bei den Ansprüchen auf Erfüllung eines schuldrechtlichen Vertrages) ist der "wiederverwertbare" Teil noch viel größer. Deshalb lohnt es sich, einige Themen modular zu lernen und diese dann im jeweils richtigen Kontext zu lernen.
Einen Einblick in den allgemeinen Anspruchsaufbau bietet folgende Struktur.
Dabei ist dieser Aufbau wie folgt zu verstehen:
1. Anspruchserwerb
Unter Anspruchserwerb sind die Entstehungsvoraussetzungen und (negativ) rechtshindernden Einwendungen zu prüfen. Alternativ besteht die Möglichkeit, dass der Anspruchsteller gar nicht an der Entstehung der Rechtsposition mitgewirkt hat, diese aber von einem anderen ableitet. Dann ist diese Ableitung entsprechend zu prüfen.
2. (Kein!) Anspruchsverlust
Eine negative Voraussetzung eines Anspruchs stellen die Einwendungen dar. Bei der Frage, ob der Anspruchsteller einen an sich erworbenen Anspruch nicht verloren hat sind die rechtsvernichtenden Einwendungen zu prüfen.
3. Durchsetzbarkeit
Schließlich sind die Einreden zu prüfen. In der rechtstheoretischen Terminologie sind dies grundsätzlich die rechtshemmenden Einwendungen, die wiederum eingeteilt werden können in dilatorische (vorübergehende) oder peremptorische (dauerhafte) Einreden.
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