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Urheberrecht


Fall 7 - Semperoper


Die als Semperoper bekannte Sächsische Staatsoper plante die Jahrtausendwende mit der Operette „Die Csàrdàsfürstin“ von Emmerich Kálmán zu begehen. Der Intendant I engagierte hierfür den international anerkannten Operregisseur O. Die Reaktionen auf die von O entwickelte Inszenierung durch das Publikum ließen jedoch zu wünschen übrig. Die Premiere stieß auf derartig lautstarke Kritik, dass die Aufführung insgesamt zweimal unterbrochen werden musste. Auch in den Medien wird die Aufführung mehr oder weniger zerrissen. O hatte der Inszenierung vornehmlich die Idee zugrunde gelegt, das Stück in den Kontext seiner historischen Entstehung einzubinden. Er hatte versucht, dies zu verwirklichen, indem er das Kampfgeschehen des Ersten Weltkriegs mit der Operettenhandlung verknüpfte: In einer Szene wählte er als Bühnenbild ein Varietétheater, das durch Granateinschläge zur Ruine wurde. Hinsichtlich der Handlung des zweiten und dritten Akts bevorzugte er es, diese abweichend vom herkömmlichen Libretto nicht im Wiener Palast des Fürsten von und zu Lippert-Weylersheim bzw. in einem Wiener Hotel, sondern in und um einen Schützengraben spielen zu lassen. Vereinzelt ließ er während der Szenen Kriegsopfer, Versehrte, insbesondere aber auch uniformierte Soldaten mit Stahlhelm auftreten, die ausgerüstet waren mit martialischem Kriegsgerät wie Panzerfaust, Stabhandgranaten, Gasmaske, Feldtelefon, Stacheldraht usw.; das ganze wurde begleitet von kriegstypischen Geräuschen wie Detonationen und Gewehrsalven.
Nachdem infolge der missglückten Premiere bei der Oper eine Vielzahl an Stornierungen eingingen, entschloss sich I aus Angst vor erhöhten Einnahmeausfällen dazu, die Inszenierung durch Streichung mehrerer Szenen und Veränderung des Bühnenbildes neu zu gestalten. Als O hiervon erfährt, ist er entrüstet. Das Vorgehen stelle eine „Amputation“ seines Werkes dar. I entgegnet gelassen, O könne hiergegen sowieso nichts unternehmen, insbesondere genieße die Inszenierung keinen urheberrechtlichen Schutz.

Hat I Recht mit der Behauptung, dass O kein Urheberrecht an seiner Inszenierung zusteht?



Lösung


Voraussetzung ist, dass die Inszenierung ein urheberrechtliches Werk darstellt.

A. Der Inszenierung müsste hierfür ein eigenschöpferischer Werkcharakter i.S.d. § 2 Abs. 2 UrhG zukommen. O hat aber mit seiner Umsetzung kein neues Werk geschaffen, sondern nur ein bereits vollendetes Werk eines anderen in Szene gesetzt.

B. Die Inszenierung könnte aber als eine schöpferische Bearbeitung eines Werkes gem. § 3 UrhG verstanden werden. Dann müsste die Umgestaltung als wahrnehmbare persönlich geistige Schöpfung einen gewissen Eigentümlichkeitsgrad und eine hinreichende schöpferische Eigenprägung aufweisen.

I. Hiergegen könnte zunächst der Umstand sprechen, dass O, was den Text und die Musik der Operette von Kálmán anbetrifft, keine Veränderungen vorgenommen hat. Die Erkennbarkeit des bearbeiteten Werkes, welches in der Inszenierung des O „durchscheint“, ist aber gerade der Bearbeitung eigentümlich. Aus diesem Grund ist daher eine schöpferische Bearbeitung nicht abzulehnen.

II. Im Hinblick auf die Werkhöhe ist allein entscheidend, ob die Bearbeitungsfassung inhaltlich oder in ihrer äußeren Formgestaltung eine eigene schöpferische Ausdruckskraft aufweist. Dies wird jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn es sich bei der Regieleistung um eine grundlegende schöpferische Neugestaltung der bühnenmäßigen Ausdrucksmittel handelt und die Inszenierung dadurch über eine bloße Interpretenleistung hinaus einen selbstständigen Aussagewert erhält.
O hat hier dadurch, dass er die Operette in den geschichtlichen Rahmen zum Zeitpunkt ihrer Entstehung eingebunden hat, den Charakter des Stückes maßgelblich beeinflusst. Diese Umgestaltung geht auch über bloße technische Änderungen oder Streichungen bzw. geringfügige Nuancierungen hinaus. Zur Umsetzung hat sich O außergewöhnlicher und nicht alltäglicher Ausdrucksmittel bedient. Vergleicht man diese Konzeption mit den bisherigen, operettentypischen Inszenierungen, an welche die Erwartung eines heiteren, romantischen und unbeschwert-trivialen Musiktheaterstückes geknüpft werden und in denen es u.a. um Liebe, Verwirrungen, Standesdünkel und Intrigen geht, so hebt sich die Aufführung von O deutlich hiervon ab. Der Inszenierung ist daher im Verhältnis zu den herkömmlichen Fassungen eine andere Qualität beizumessen.

III. Damit kommt der Inszenierung die Qualität einer Bearbeitung i.S.d. § 3 UrhG zu. Folglich steht O ein Urheberrecht an seiner Inszenierung zu.






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