Urheberrecht
Fall 37 - Diskette
P ist seit 1993 beim Softwarehersteller S als Programmierer beschäftigt. Seine Arbeitsaufgabe im Jahr 1994 besteht vornehmlich in der Herstellung eines aufwendigen Buchhaltungsprogramms. Nach Fertigstellung erhofft sich P aufgrund seiner guten Arbeitsleistung, dass sein befristeter Arbeitsvertrag verlängert wird. Sein Wunsch erfüllt sich jedoch nicht. Wegen der anhaltenden schlechten konjunkturellen Lage wird ihm, wie weiteren sechs jungen Mitarbeitern, durch S mitgeteilt, dass sie zum Ende des Jahres aus dem Betrieb ausscheiden. P ist hierüber sehr enttäuscht und entschließt sich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sich bei K, dem größten Konkurrenten des S, zu bewerben. K zeigt durchaus ein Interesse, gibt ihm aber zu verstehen, dass eine Einstellung nur in Betracht käme, wenn P ihm eine Kopie des bislang noch nicht veräußerten Buchhaltungsprogramms und eines anderen von P bereits Anfang 1993 erstellten Datenverarbeitungsprogramm übergeben würde. P begibt sich daraufhin unter dem Vorwand, seine alten Kollegen besuchen zu wollen, in seinen alten Betrieb und erstellt in einem scheinbar unbeobachteten Moment Kopien der beiden Programme. S hatte das Ganze jedoch mitbekommen und verlangt nunmehr von K, dem P die Disketten sogleich am nächsten Tag übergeben hatte, deren Vernichtung. P, der nun mit seiner Einstellung bei K nicht mehr rechnet, tritt an S heran und verlangt zur Überbrückung seines finanziellen Engpasses eine gesonderte Vergütung für das Buchhaltungsprogramm. Wie ist die Rechtslage? |
LösungA. Anspruch des S gegen K S könnte gegen K einen Anspruch auf Vernichtung der Disketten gem. § 69 f Abs. 1 S. 1 UrhG haben. I. Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass es sich bei dem Buchhaltungsprogramm und dem Datenverarbeitungsprogramm um ein urheberrechtlich geschütztes Werk handelt. Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG handelt es sich bei Computerprogrammen um schutzfähige Werke. § 69 a Abs. 3 S. 1 UrhG enthält insoweit die ergänzende und § 2 Abs. 2 UrhG modifizierende Bestimmung, dass für den Schutz eine eigene geistige Schöpfung ausreichend ist. Das von P erstellte Buchhaltungsprogramm und das Datenverarbeitungsprogramm des P werden diesen Voraussetzungen gerecht, so dass von ihrer urheberrechtlichen Schutzfähigkeit grundsätzlich auszugehen ist. Problematisch erscheint allein, dass hier das Datenverarbeitungsprogramm schon Anfang 1993, also bevor diese Vorschrift überhaupt in Kraft getreten ist (24.6.1993), erstellt wurde. Nach § 137 d Abs. 1 S. 1 UrhG sind die §§ 69 a - g UrhG aber auch auf Computerprogramme, die vor diesem Zeitpunkt erstellt wurden, anwendbar. II. Damit S diesen Anspruch aber überhaupt geltend machen kann, ist Voraussetzung, dass er Inhaber der Rechte ist. 1. Die Rechte an einem Werk obliegen grundsätzlich dem Urheber. Nach § 7 UrhG ist Urheber, wer das Werk geschaffen hat. Da hier die Programme von P erstellt wurden, ist dieser auch als deren Urheber anzusehen. 2. S könnte jedoch Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts geworden sein, welches ihn gem. § 31 Abs. 3 UrhG unter Ausschluss aller dritten Personen einschließlich des Urhebers zur Werknutzung berechtigt. a. Dies könnte sich zunächst aus den allgemeinen Regeln des Arbeitnehmerurheberrechts nach §§ 43 f. UrhG ergeben. Danach wird in der Regel davon ausgegangen, dass der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber die Nutzungsrechte an seinem Werk stillschweigend überträgt, sofern er sich diese nicht ausdrücklich vorbehalten hat. b. Gegenüber den allgemeinen Regeln des Arbeitnehmerurheberrechts hat jedoch die Vorschrift des § 69 b UrhG Vorrang, wenn es sich bei dem Werk um ein Computerprogramm handelt, dass der Arbeitnehmer in Wahrnehmung seiner Aufgaben oder nach den Anweisungen seines Arbeitgebers geschaffen hat. Nach dem Abs. 1 dieser Vorschrift ist dann der Arbeitgeber zur Ausübung aller vermögensrechtlichen Befugnisse an dem Computerprogramm berechtigt, es sei denn es wurden anderweitige vertragliche Vereinbarungen getroffen. Im Gegensatz zum allgemeinen Arbeitnehmerurheberrecht bedarf der Arbeitgeber nach § 69 b UrhG daher zum Erwerb der vermögensrechtlichen Befugnisse keiner ausdrücklichen oder stillschweigenden Übertragung durch den Arbeitnehmer; vielmehr besteht in einem solchen Fall eine gesetzliche Lizenz. Entscheidend ist folglich, ob P die Programme in Wahrnehmung seiner Aufgaben oder nach den Anweisungen des S geschaffen hat. Dafür genügt, dass ein enger innerer Zusammenhang zwischen arbeitsvertraglicher Pflichterfüllung bzw. Anweisungen des Arbeitgebers und der Schaffung des Computerprogramms bestanden hat. Die Erstellung des Buchhaltungsprogramms und des Datenverarbeitungsprogramms zählte zu den Hauptaufgaben, die dem P durch S übertragen worden waren. Gem. § 69 b UrhG ist daher S Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts an den Programmen geworden. Fraglich ist aber, ob hinsichtlich des Datenverarbeitungsprogramms § 69 b UrhG überhaupt Anwendung finden kann, weil das Programm bereits vor Inkrafttreten der Vorschrift geschaffen wurde. Eine rückwirkende Anwendung, wie sie durch § 137 d Abs. 1 S. 1 UrhG nahe gelegt wird, könnte für den Arbeitnehmer einen nicht hinzunehmenden Nachteil bedeuten: Ihm wird dadurch, dass es nach § 69 b UrhG einer ausdrücklichen Abrede bedarf, wenn bestimmte Nutzungsrechte nicht eingeräumt werden sollen, eine Verpflichtung zum Tätigwerden auferlegt, die er aber zum fraglichen Zeitpunkt nicht kennen konnte. Die Frage kann hier aber dahinstehen, weil P, auch wenn man zur Anwendung der allgemeinen Regeln des Arbeitnehmerurheberrechts gelangen sollte, seine Rechte an dem Programm auf den S stillschweigend übertragen hätte. III. Der Anspruch ist gegen den Eigentümer oder Besitzer der rechtswidrig hergestellten Vervielfältigungsstücke zu richten. Die Vorschrift knüpft ihrem Wortlaut nach an § 98 UrhG an, geht inhaltlich jedoch darüber hinaus. Während gem. § 98 UrhG der Verletzte verlangen kann, dass alle rechtswidrig hergestellten Vervielfältigungsstücke vernichtet werden, soweit sie sich im Besitz oder Eigentum des Verletzers stehen, gewährt § 69 f UrhG einen Vernichtungsanspruch gegenüber jedem Eigentümer oder Besitzer. Zur Durchsetzung des Anspruchs muss folglich nicht nachgewiesen werden, ob der Eigentümer oder Besitzer die Eigentumsverletzung auch eine Urheberrechtsverletzung begangen hat. Hier wäre es allerdings dem K unproblematisch nachzuweisen gewesen, dass er als Anstifter der Vervielfältigungshandlung eine Urheberrechtsverletzung begangen hat. In jedem Fall befinden sich die Kopien aber in seinem Besitz, so dass auch diese Voraussetzung gegeben ist. IV. S kann daher gegen K einen Vernichtungsanspruch gem. § 69 f Abs. 1 S. 1 UrhG geltend machen. B. Anspruch des P gegen S I. Ein Anspruch auf Zahlung einer Vergütung für die Erstellung des Buchhaltungsprogramms könnte sich aus § 9 ArbNErfG analog ergeben. Nach dieser Vorschrift ist ein Vergütungsanspruch gegeben, wenn der Arbeitgeber die patent- oder gebrauchsmusterfähige Diensterfindung des Arbeitnehmers in Anspruch nimmt. Um in der vorliegenden Situation Anwendung finden zu können, müsste sich die Vorschrift als analogiefähig erweisen. Der Grund für diese Bestimmung ist darin zu sehen, dass es weder als selbstverständlich angesehen werden kann, noch es zu den Arbeitnehmerpflichten gehört, dass ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner Tätigkeit eine Erfindung hervorbringt. Auf das Urheberrecht können diese Grundsätze aber nicht übertragen werden. Hier dient die Erstellung des Werks gerade der Erfüllung einer Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag. Eine Analogiefähigkeit der Vorschrift ist daher zu verneinen. II. Ein Anspruch auf Zahlung einer Vergütung könnte sich aber möglicherweise aus § 32 Abs. 1 S. 3 UrhG herleiten lassen. Hierfür wäre Voraussetzung, dass sich ein grobes Missverhältnis zwischen den Erträgnissen aus der Nutzung des Werkes und der vereinbarten Gegenleistung feststellen ließe. Es ist allerdings umstritten, ob § 32 Abs. 1 S. 3 UrhG bei Computerprogrammen überhaupt Anwendung findet. Einer eingehenderen Erörterung dieser Frage bedarf es jedoch nicht, weil hier schon keine Anhaltspunkte für ein grobes Missverhältnis gegeben sind. Ein Anspruch lässt sich daher auch nicht nach § 32 Abs. 1 S. 3 UrhG herleiten. |
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