Urheberrecht
Fall 25 - Digitalisierung
Student B ist blind. Für das Wintersemester 2008/09 hat er sich bei der Universität U für Rechtswissenschaften eingeschrieben. Die von ihm sogleich im anfänglichen Eifer gekauften A-Skripte scannt er sich ein. Die Digitalisierung ist erforderlich, damit er die Bücher über die Braillezeile mit den Fingern lesen oder sich über eine speziell hierzu entwickelte Software akustisch vorlesen lassen kann. In der nächsten Woche mit mehreren Büchern der Universitätsbibliothek bepackt fragt er bei der Bibliothekangestellten A nach, ob es nicht möglich wäre, alle Bücher der Universität einzuscannen und den blinden Studenten elektronisch, z.B. per E-Mail oder im Intranet, zur Verfügung zu stellen. Dann wäre sein eigener Aufwand nicht so enorm. A entgegnet ihm, dass schon die durch ihn durchgeführte Digitalisierung unzulässig wäre, insbesondere, wenn es sich bei den betreffenden Büchern um solche der Universitätsbibliothek handeln würde. Die Universität selbst sei demgemäß aber erst recht nicht befugt, derartige Vervielfältigungen vorzunehmen. B hält die Aussage der A für falsch. Wer hat Recht? |
LösungA. Ist das Einscannen der A-Skripte zulässig gewesen? I. Bei den A-Skripten handelt es sich um urheberrechtlich geschützte Werke i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG. II. Das Einscannen stellt eine zustimmungspflichtige Vervielfältigungshandlung gem. § 16 UrhG dar. III. Die Vervielfältigung könnte allerdings gem. § 45 a Abs. 1 UrhG erlaubt sein. Nach dieser Vorschrift ist eine nicht kommerzielle Vervielfältigung eines Werkes zulässig, soweit einem behinderten Menschen ansonsten die Wahrnehmung erheblich erschwert oder unmöglich ist und eine Vervielfältigung zur Ermöglichung des Zugangs des Werkes erforderlich ist. B hat hier die Skripte für den eigenen Gebrauch, somit also nicht zu Erwerbszwecken, digitalisiert. Dadurch, dass B blind ist, er somit die Bücher nicht lesen kann, ist ihm der Zugang zu deren Inhalten nicht möglich. Fraglich ist jedoch, ob die Digitalisierung zur Ermöglichung des Zugangs erforderlich ist. Dies wäre möglicherweise dann auszuschließen, wenn ein Buch gleichzeitig auch als Hörbuch im Handel erhältlich ist. Erfolgt die Benutzung des Buches jedoch zu wissenschaftlichen Zwecken wird auch dann eine Vervielfältigung für zulässig erachtet, denn ein korrektes Zitieren ist anhand eines Hörbuchs nicht möglich. IV. Das Einscannen der Skripte ist daher dem B gem. § 45 a Abs. 1 UrhG erlaubt. Selbst eine Vergütungspflicht entfällt. Nach § 45 a Abs. 2 S. 1 UrhG ist zwar eine Vervielfältigung grundsätzlich vergütungspflichtig. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn lediglich einzelne Vervielfältigungen angefertigt werden. Da B die Skripte nur einmal eingescannt hat und sie nicht weiterkopieren möchte, braucht er keine Vergütung zu zahlen. B. Ist auch das Einscannen von Büchern aus der Universitätsbibliothek erlaubt? Auch hier ändert sich nichts an der Rechtslage. B darf die Bücher gem. § 45 a Abs. 1 UrhG einscannen. C. Darf die Universitätsbibliothek ihre Bücher für die blinden Studenten einscannen und ihnen elektronisch zur Verfügung stellen? I. Auch die Universitätsbibliothek darf die Bücher gem. § 45 a Abs. 1 UrhG einscannen und an ihre blinden Studenten verbreiten, indem sie ihnen das Dokument per E-Mail zusendet oder ihnen einen Datenträger übergibt. Sofern die Verbreitung nicht nur an einen einzelnen, sondern an mehrere Studenten erfolgt, ist allerdings eine angemessene Vergütung zu entrichten (§ 45 a Abs. 2 S. 1 UrhG). II. Nicht durch § 45 a Abs. 1 UrhG erlaubt wird dagegen das Einstellen der Texte im Intranet der Universität. Da sich die Zurverfügungstellung der Bücher nicht auf einen eng umgrenzten Personenkreis bezieht, handelt es sich hierbei um eine öffentliche Zugänglichmachung nach § 19 a UrhG. Dieses Recht des Urhebers wird aber durch § 45 a Abs. 1 UrhG nicht beschränkt. Richtige Schrankenbestimmung ist in diesem Fall allein § 52 a UrhG. Zu bedenken bleibt jedoch, dass diese Vorschrift nur die öffentliche Zugänglichmachung von kleinen Teilen eines Werkes, d.h. kurzen Auszügen, Werken geringen Umfangs, d.h. sehr kurzen Werken, und einzelnen Beiträgen aus Zeitungen und Zeitschriften, erlaubt. Die Bücher können daher den blinden Studenten nicht vollständig zur Verfügung gestellt werden. |
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