Urheberrecht
Fall 17 - Diebstahl
Der deutsche Maler M war Zeit seines Lebens weltbekannt und in der Kunstwelt äußerst geschätzt. Auch sein Ableben im Jahre 1944 hat seinem Ansehen keinen Abbruch getan. Auf Einladung der norwegischen Regierung leiht sein Sohn S das Bild „Der erstaunte Ausruf“ an die norwegische Nationalgalerie aus, welche zu Ehren des Lebenswerks des M eine Ausstellung eröffnet, was Kunstfreunde in ganz Skandinavien in pure Entzückung versetzt. Kurze Zeit nach Ausstellungseröffnung wird das Bild jedoch von den Ganoven P und K aus der Galerie gestohlen. Während die Kunstwelt in heller Aufregung und absolut geschockt ist, berichten die Medien gewohnt ausführlich über den Diebstahl. Verleger V hingegen kommt bei der massiven Medienberichterstattung eine seiner Ansicht nach „geniale Idee“. Da der von ihm verlegte Kunstführer „Bekannte Bilder noch bekannterer Maler in einem noch nie da gewesenen Bildband“ unter Absatzschwierigkeiten leidet, möchte er die Aufregung um „Der erstaunte Ausruf“ gerne ausnutzen, um die Verkaufszahlen zu steigern. Hierzu schneidet er einen immer noch als solches zu erkennenden Ausschnitt der gestohlenen Version des Gemäldes aus und benutzt sie für das Cover des von ihm verlegten Kunstführers, wobei im Buchumschlag M als Urheber genannt wird. Während die Verkaufszahlen alsbald plötzlich in die Höhe schnellen, ärgert sich S über die ohne sein Wissen geschehene Verwendung des Gemäldes seines Vaters. Besonders ungehalten ist er über die in seinen Augen „unverschämte“ Verzerrung des Abdrucks. Dass M zu allem Überfluss auch noch als Urheber dieser „Verzerrten Abscheulichkeit“ genannt werde, ist für ihn unerträglich. S möchte von Ihnen wissen, ob das Verhalten des V seine eventuell bestehenden Urheberrechte an dem Kunstwerk seines Vaters verletzt. |
LösungUrheberrechte können nur verletzt sein, wenn das Bild urheberrechtlich geschützt ist. Als Erbe könnte S dann diese Rechte gem. § 29 UrhG geltend machen. A. Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG sind Werke der bildenden Künste urheberrechtlich geschützt. Laut Sachverhalt handelt es sich bei den Gemälden des M um Kunstwerke, welche in der Regel urheberrechtlich geschützt sind. Diese Urheberrechte sind auch noch nicht gem. § 64 UrhG erloschen, da noch nicht 70 Jahre seit dem Tod des M vergangen sind. Somit bestanden an dem Werk Urheberrechte in der Person des Erben S. B. Des Weiteren müssten die hieraus resultierenden Urheberrechte verletzt worden sein. I. V könnte dadurch, dass er einen Ausschnitt des Gemäldes „Der erstaunte Ausruf“ auf dem Buchcover benutzt hat, das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht des S gem. §§ 16, 17 UrhG verletzt haben. Die Vervielfältigung und Verbreitung kann sich auch auf einen einzelnen Teil eines Werkes beschränken, wobei dieser Teil selber schutzfähig sein muss. Im vorliegenden Fall ist auch trotz der Tatsache, dass nur ein Ausschnitt des Gemäldes verwendet wurde, eindeutig erkennbar, dass es sich um das berühmte Gemälde des M handelt. Dies war auch Intention des V, da er sich von dieser Erkennbarkeit höhere Verkaufszahlen erhoffte. Somit war auch der Teil dieses Gemäldes schutzfähig. II. Durch das Entnehmen nur eines Teiles des Gemäldes könnte V dieses i.S.d. § 23 UrhG umgestaltet haben. Umgestaltungen i.d.S. sind Handlungen, bei denen das Werk in abgeänderter Form genutzt wird. Es ist fraglich, ob beim Verwenden eines Ausschnittes eine Nutzung in abgeänderter Form angenommen werden kann. Laut BGH kommt es hierbei nicht auf die veränderte Substanz des Werkträgers an, sondern auf seinen geistigen Gehalt, also auf die konkrete Form und den konkreten geistig-ästhetischen Gesamteindruck, der auf den Betrachter ausgeübt wird. Hier war trotz des Ausschneidens weiterhin ersichtlich, dass es sich gerade nur um einen Ausschnitt des berühmten Gemäldes handelt. Somit war für den Betrachter ersichtlich, dass es sich nur um eine Umgestaltung i.S.d. § 23 UrhG handelt. Somit handelte es sich bei der Verwendung des unveränderten Ausschnittes auf dem Buchcover nicht um ein selbstständiges Werk im Sinne einer freien Benutzung gem. § 24 Abs. 1 UrhG, eine Einwilligung des Urhebers war folglich gem. § 23 UrhG zur Veröffentlichung und Verwertung des Bildteiles erforderlich. III. Außerdem könnte das Recht aus § 14 UrhG verletzt worden sein. Hierfür müsste das Werk entstellt worden sein. Nach herkömmlichem Verständnis ist eine Entstellung eine Verschlechterung des Werkes, nämlich eine Verzerrung oder Verfälschung seiner Wesenszüge. Des Weiteren kann auch eine Verstümmelung des Werkes eine solche Entstellung darstellen. Hierbei ist ein dreistufiger Prüfungsaufbau anzuwenden. 1. Zunächst müsste eine objektive Entstellung des Werkes vorgelegen haben. Dies ist hier zu bejahen, war der Ausschnitt auf dem Buchcover doch auch für einen objektiven Dritten als verstümmelter und verzerrter Ausschnitt des berühmten Kunstwerkes zu erkennen. 2.Des Weiteren müsste diese Entstellung eine Gefährdung der Interessen des Urhebers bzw. seines Rechtsnachfolgers darstellen. Durch die Feststellung eines objektiven Vorliegens einer Entstellung wird hier angesichts des anzunehmenden Interesses des Urhebers an Bestand und Unversehrtheit des Werkes die Eignung zur Interessengefährdung bereits indiziert. Diese Indizwirkung entfiele nur, wenn der Urheber etwa durch eine Änderungsvereinbarung gem. § 39 Abs. 2 UrhG zu erkennen gegeben hätte, dass er kein besonderes Interesse an der Aufrechterhaltung des ursprünglichen Zustandes hat. Im vorliegenden Fall hat S jedoch nicht zu erkennen gegeben, dass er hieran kein Interesse habe. Vielmehr ist er erzürnt über die Entstellung auf dem Buchcover. Somit ist die Entstellung auch zur Gefährdung der Interessen des S geeignet. 3. Zuletzt muss eine Interessensabwägung zwischen den Interessen des S und des V vorgenommen werden. Bei der Geltendmachung eines Werkschutzrechts durch einen Rechtsnachfolger des Urhebers ist mit zunehmendem Abstand zum Tode des Urhebers eine geringere Intensität des Schutzinteresses anzunehmen. Diesem, wenn auch aufgrund der 60 bereits seit dem Tode des M vergangenen Jahre sicherlich geringeren Schutzinteresse des Rechtsnachfolgers S steht hier jedoch keinerlei Schutzinteresse auf Seiten des V entgegen. Folglich ist das Interesse des S schützenswerter. 4. V hat somit § 14 UrhG verletzt, indem er einen Ausschnitt des Gemäldes „Der erstaunte Ausruf“ in verzerrter und verstümmelter Form auf seinem Buchcover abgedruckt hat. IV. Weiterhin könnte V durch das Abdrucken auch § 13 UrhG verletzt haben. Fraglich ist, ob § 13 UrhG auch durch die nicht genehmigte Nennung des Namens des Urhebers verletzt ist. Grundsätzlich steht dem Urheber ein Anspruch auf Nennung seines Namens zu. Will sich jedoch der Urheber von seinem Werk distanzieren, so steht ihm im Rahmen des § 13 UrhG auch ein Namensnennungsverbot im Zusammenhang mit der Werkverwertung zu. Während dieses Namensnennungsverbot nicht abstrakt zur Verhinderung des Bekanntwerdens der wahren Urheberschaft eingesetzt werden darf, § 66 Abs. 2 S. 1 UrhG, ist ein solches Interesse des Urhebers zumeist dann gegeben, wenn sein Werk entstellt veröffentlicht wird. In einem solchen Fall möchte er eventuell nicht mit dem entstellten Werk in Verbindung gebracht werden. Durch § 13 UrhG wird somit auch das Recht des Urhebers auf Anonymität anerkannt. Im vorliegenden Fall wollte S als Rechtsnachfolger nicht, dass der Name seines Vaters mit einem so entstellten Werk in Verbindung gebracht wird. Durch die nicht genehmigte Namensnennung hat V zwar die Schaffung eines Plagiats vermieden, jedoch gegen das Recht des Urhebers auf Namensnichtnennung verstoßen. C. V hat somit durch das ungenehmigte Abdrucken des entstellten Werks des M mitsamt Namensnennung gegen die Verwertungsrechte der §§ 16, 17 UrhG sowie gegen die Urheberpersönlichkeitsrechte der §§ 13, 14 UrhG verstoßen. |
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