Fallbeispiele Gesellschaftsrecht - Falllösung
Fall 16Die Brüder L, M und N wollen mit der Erbschaft ihres Vaters in Höhe von 43.000 € ein Skihotel eröffnen. Da alle drei nicht persönlich haften wollen, gründen sie hierfür die S-GmbH, deren Satzung auch notariell beurkundet wird. Das Stammkapital soll 39.000 € betragen, wovon auf jeden Bruder 13.000 € entfallen soll. M und N zahlen den auf sie entfallenen Anteil sofort an die GmbH, während L, der noch Schulden von seiner Erbschaft bezahlen muss, zunächst nur 3.000 € einzahlt. Da die Wintersaison bevorsteht, beschließen die drei Ende Oktober 2003 den Hotelbetrieb noch vor der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister zu beginnen. Gleichzeitig bestellen die drei G zum Geschäftsführer. Dieser beauftragt gleich Anfang November 2003 im Namen der S-GmbH den Bauunternehmer B damit, neue Fahrstühle für einen Preis von 50.000 € an dem Hotel anzubauen. Die Bauarbeiten gehen zügig voran, so dass sie schon im Dezember 2003 fertiggestellt sind. Im Januar 2004 brennt durch Unachtsamkeit des Hotelangestellten X eine Etage aus. Die nicht versicherte Gesellschaft muss für die Ersatzansprüche der Hotelgäste nahezu das gesamte Betriebskapital aufbrauchen. Daraufhin beschließen L, M und N Anfang Februar 2004, den Betrieb einzustellen und den Eintragungsantrag zurückzunehmen, was auch Ende des Monats geschieht. Anfang März 2004 möchte B wissen,1. ob er die ausstehende Forderung in Höhe von 50.000 € von L, M, N oder G verlangen kann? 2. ob über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet werden kann? |
Formulierungsvorschlag Fall 16
1. Ansprüche des B wegen der Bauarbeiten in Höhe von 50.000 €
1.1 B kann von L die Zahlung der 50.000 € nach § 128 HGB verlangen, wenn B einen Anspruch gegen die S-GmbH hat und L für die Verbindlichkeiten der GmbH haftet.
1.1.1 B hat mit G im Namen der S-GmbH einen Vertrag über die Erbringung von Bauleistungen nach § 631 II BGB abgeschlossen. B hat daher einen Werklohnanspruch gem. § 631 I BGB.
1.1.2 Die S-GmbH kann nur dann Vertragspartner von B sein, wenn sie wirksam entstanden ist und Verbindlichkeiten eingehen kann.
1.1.2.1 L, M und N haben durch Gesellschaftsvertrag die S-GmbH gegründet. Die notarielle Beurkundung ist nach § 2 GmbHG erfolgt. Allerdings entsteht die GmbH als solche nach § 11 GmbHG erst mit der Eintragung. Diese ist jedoch nicht erfolgt. Die rechtliche Behandlung der GmbH in Gründung ist umstritten. Teilweise wird vertreten, dass die Vorgesellschaft als Personengesellschaft oder nichtrechtsfähiger Verein zu behandeln ist. Nach herrschender Auffassung ist die Vor-GmbH Personenvereinigung eigener Art, die bis auf die noch fehlende Rechtsfähigkeit bereits der künftigen GmbH als deren Vorstufe entspricht. Daher sind auf sie neben dem Gesellschaftsvertrag bereits die Normen des GmbH-Rechts anzuwenden, soweit diese nicht gerade die Rechtsfähigkeit voraussetzen oder sonst mit der Beschränkung auf das Gründungsstadium nicht vereinbar sind. Trotz fehlender eigener Rechtspersönlichkeit kann die Vor-GmbH aufgrund ihrer weitgehenden Verselbständigung selbständig am Rechtsverkehr teilnehmen und so Verträge schließen. B konnte den Vertrag mit der S-GmbH abschließen.
1.1.2.2 Die S-GmbH müsste wirksam durch G vertreten worden sein. G ist für die S-GmbH aufgetreten. Fraglich ist, ob er als Geschäftsführer die Gesellschaft (§ 35 I GmbHG) verpflichten konnte. Nach § 6 III GmbHG werden Geschäftsführer schon vor der Eintragung, also im Stadium der Vor-GmbH bestellt. Geschäftsführer müssen keine Gesellschafter der GmbH sein (§ 6 III 1 GmbHG). G ist auch von den Gesellschaftern bestimmt worden (§ 46 Nr. 5 GmbHG). Daher hat G als Geschäftsführer die S-GmbH wirksam verpflichtet.
1.1.3 L müsste für die Verbindlichkeiten der S-GmbH in Gründung haften. Eine solche Haftung ist umstritten, da die Gründung einer GmbH als juristischer Person gerade dazu dienen soll, die persönliche Haftung der Gesellschafter auszuschließen. Allerdings ist bei der Vor-GmbH der für die Begründung einer juristischen Person ausschlaggebende Akt, die Eintragung in das Handelsregister. Das früher bestehende Vorbelastungsverbot, wonach das Stammkapital der GmbH bei Eintragung unversehrt als Haftungssubstrat bereitstehen muss, ist durch die vom BGH begründete Differenzhaftung abgelöst worden. Danach kann die GmbH auch im Gründungsstadium Verbindlichkeiten eingehen, die Gründer müssen aber entsprechend § 24 GmbHG die entstehenden Lücken für das Stammkapital zur Eintragung auf-füllen. Umstritten ist aber die Folge für die Außenhaftung.
1.1.3.1 Nach einer Auffassung ist eine Gründerhaftung generell ausgeschlossen. Die Gläubiger können ihre Ansprüche nur gegenüber der Gesellschaft oder nach § 11 II GmbHG dem Handelnden geltend machen. Die Gesellschafter der werdenden GmbH unterliegen ausschließlich einer unbeschränkten Innenhaftung, nicht dagegen einer Außenhaftung. Nur in bestimmten Ausnahmesituationen, wie der Vermögenslosigkeit der Gesellschaft oder dem Fehlen eines Geschäftsführers, wird die Außenhaftung zugelassen. Hiernach würde L nur haften, soweit die GmbH als vermögenslos eingestuft werden kann. Allein die Aufzehrung des Stammkapitals genügt hierfür nicht, da die Gesellschafter aufgrund der unbeschränkten Innenhaftung dieses wieder auffüllen müssen.
1.1.3.2 Eine andere Auffassung vertritt eine auf die Kommanditistenhaftung angelehnte Gründerhaftung auf die nicht erbrachte Einlage. Diese Meinung wurde in Folge der geänderten BGH-Rechtsprechung nicht mehr vertreten. Hiernach würde L in Höhe der von ihm nicht erbrachten Einlage von 10.000 € für die Verbindlichkeiten der GmbH haften.
1.1.3.3 Eine dritte Meinung tritt für die unbegrenzte Haftung der Gründer ein, da es sich bei der GmbH im Gründungsstadium regelmäßig um eine Personenge-sellschaft handelt, so dass § 128 HGB hierfür eingreift. Danach haftet L für alle Verbindlichkeiten, die die Vorgesellschaft begründet, unbegrenzt.
1.1.3.4 Die besseren Gründe sprechen für die erste Meinung. Wesentliches Strukturmerkmal des Kapitalgesellschaftsrechts ist, dass die Gesellschafter nur intern und anteilig und nur für die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals haften. Bei Auftreten für die „GmbH“ richtet sich das schutzwürdige Vertrauen Dritter ausschließlich auf die Haftung des Stammkapitals. Daher haftet L nicht für die Verbindlichkeit der S-GmbH in Gründung.
1.1.4 Die Haftung des L wird auch nicht dadurch begründet, dass die Gründung der S-GmbH durch Rücknahme des Eintragungsantrags nicht fortgeführt wird. Auch wenn die Eintragung als GmbH unterbleibt, ist die Vorgesellschaft für die Zeit ihres Bestehens die Vorstufe der GmbH. Da die endgültige Rücknahme des Antrags der endgültigen Ablehnung der Eintragung gleichsteht, ist die S-GmbH aufzulösen.
1.1.5 Zwischenergebnis: B hat keinen Anspruch gegen L nach § 128 HGB auf Zahlung des ausstehenden Werklohns in Höhe von 50.000 €.
1.2 Zwischenergebnis: Ebenso bestehen keine Ansprüche des B gegen M und N auf Zahlung des Werklohns in Höhe von 50.000 € nach § 128 HGB.
1.3 B kann die Zahlung des Werklohns in Höhe von 50.000 € von G nach § 11 II GmbHG verlangen, wenn G als Handelnder für Verbindlichkeiten der S-GmbH haftet. G hat im Namen der GmbH den Werkvertrag mit B abgeschlossen, obwohl die GmbH noch nicht eingetragen war. Damit unterliegt G der Handelndenhaftung. B hat gegen G einen Anspruch auf Zahlung von 50.000 € nach § 11 II GmbHG.
Dies könnte wegen § 11 I GmbHG zweifelhaft sein, weil die juristische Person GmbH erst mit Eintragung entsteht. Nach allgemeiner Meinung hat aber bereits die Vor-GmbH zumindest ein solches Maß an Teilrechtsfähigkeit, dass sie ein eigenes Vermögen in Form des eingezahlten Stammkapitals hat, sowie Rechte und Pflichten für sich begründen kann. Zumindest ist eine entsprechende Anwendung des § 11 II Nr. 1 InsO möglich, weil die Vor-GmbH auf jeden Fall einer OHG gleichsteht. Aus diesem Grund ist die Vor-GmbH insolvenzfähig. Das Verfahren wird aber nach § 26 InsO nicht eröffnet, soweit die Masse nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken. |
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