Fallbeispiele Gesellschaftsrecht - Falllösung
Fall 18Die Freunde A und B wollen schnell in das Filmgeschäft einsteigen. Um ihre persönliche Haftung auszuschließen erwerben sie im Juni 2005 von dem Konkursverwalter K aus der Insolvenzmasse der X-AG für einen Kaufpreis von 5.000 € alle Geschäftsanteile an der im Handelsregister eingetragenen Z-GmbH mit einem Nennwert von 25.000 €. Stammkapital ist nicht mehr vorhanden. Den Kaufpreis hat A erbracht. Die Z-GmbH hatte ursprünglich Metallzäune hergestellt, den Betrieb aber schon Jahre zuvor eingestellt. A und B vereinbaren neben der Änderung des Geschäftszwecks und der Firma in A-GmbH, dass jeder einen Geschäftsanteil von 12.500 € erhalten soll. Während A 6.250 € einzahlt, leistet B nur 1.000 € auf seinen Anteil. Eine Eintragung der Änderungen in das Handelsregister wird nicht angestrebt. Die A-GmbH vertreten durch den zum Geschäftsführer bestellten A erwirbt die Rechte an einem Drehbuch von D für 40.000 €. Die Verbindlichkeit wird aber nicht bezahlt, da sich A und B schon bei der Planung des ersten Projekts unversöhnlich zerstreiten. Sie können sich nur noch darauf einigen, ihre Geschäftsanteile zum Nennwert einheitlich an der im Textilbereich tätigen V GmbH & Co KG anzubieten, die unter der Firma der A-GmbH Billig-Mode produzieren will. Dabei verhandeln sie mit der durch den Geschäftsführer G vertretenen V Verwaltungs-GmbH (V-GmbH), die persönlich haftende Gesellschafterin der V GmbH & Co KG ist. Einziger Gesellschafter der V Verwaltungs-GmbH ist V, der auch alleiniger Kommanditist der V GmbH & Co KG ist. Die Einlagen beider Gesellschafter der V-GmbH & Co KG betragen jeweils 35.000 €, wovon jeder die Hälfte eingezahlt hat; im Handelsregister ist für V eine Einlage von 30.000 € eingetragen. V fragt seinen Anwalt J,1. wer über den Erwerb der Geschäftsanteile von A und B in der V GmbH & Co KG zu entscheiden befugt ist und wer die Geschäftsanteile für die V GmbH & Co KG zu erwerben ermächtigt ist, 2. wer im Falle des Erwerbes der Geschäftsanteile durch die V GmbH & Co KG bis zu welcher Höhe wann für den Kaufpreis gegenüber A und B haftet, 3. ob die A-GmbH oder A und B für den Anspruch von D haften, 4. welche Maßnahmen im Falle des Erwerbs der Geschäftsanteile der A-GmbH durch die V GmbH & Co KG ergriffen werden müssen, insbesondere für eine Haftungsbegrenzung, 5. ob im Fall des Erwerbes der Geschäftsanteile durch die V GmbH & Co KG die Firma der A-GmbH unverändert fortgeführt werden kann. |
Formulierungsvorschlag Fall 18
1. Befugnis, über den Erwerb der Geschäftsanteile von A und B zu entschei-den, und Ermächtigung, die Geschäftsanteile von A und B zu erwerben
1.1 In der KG ist derjenige befugt, über den Erwerb der Geschäftanteile von A und B zu entscheiden, dem Geschäftsführungsbefugnis für diese Entscheidung zusteht.
1.1.1 Der Erwerb der Geschäftsanteile durch die KG ist für diese ein Geschäft, das über den Betrieb des Handelsgewerbes der KG hinausgeht, weil die Beteiligung an einer anderen Gesellschaft von dem im Gesellschaftsvertrag der KG vereinbarten Zweck, dem Betrieb eines Textilunternehmens, nicht umfasst ist. Dies gilt insbesondere für eine Gesellschaft einer anderen Branche, selbst wenn der Erwerb der Geschäftsanteile zu einer Zweckänderung bei der erworbenen Gesellschaft führen soll. Nach §§ 311 I BGB, 161 I HGB sind bei solchen Grundlagengeschäften alle Gesellschafter der KG, auch die nicht persönlich haftenden, an der Entscheidung über den Erwerb zu beteiligen.
1.1.1.1 Die V GmbH wird als persönlich haftende Gesellschafterin bei der Mitwirkung an der Entscheidung durch ihren Geschäftsführer G als gesetzlichen Vertreter (§ 35 I GmbHG) vertreten. G ist als Geschäftsführer befugt, den Entschluss der GmbH selbst zu fassen, weil im Gesellschaftsvertrag der GmbH über die Zuständigkeit zu dieser Entscheidung keine Regelung getroffen und diese Entscheidung den Gesellschaftern der V-GmbH nicht nach § 46 GmbHG vorbehalten ist. G kann aber nach § 37 I GmbHG von V als einzigem Gesellschafter der V-GmbH angewiesen werden, in bestimmter Weise für die V-GmbH in der KG zu entscheiden.
1.1.1.2 V ist als Kommanditist Gesellschafter der KG und hat damit als an ihr Beteiligter an der Entscheidung über den Erwerb der Geschäftsanteile mitzuwirken.
1.1.2 Zwischenergebnis: Die V-GmbH und V haben in der KG nach §§ 311 I BGB, 161 I HGB zu entscheiden, ob in Erweiterung der Geschäftszwecke der KG für diese die Geschäftsanteile von A und B erworben werden sollen.
1.2 Zwischenergebnis: Für die KG zu erwerben ist nach §§ 161 II, 125 I, 126 I HGB nur G ermächtigt, weil für den Erwerb ein Vertrag zwischen der KG sowie A und B nach §§ 398, 413 BGB, 15 III HGB erforderlich ist und weil nur die GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin der KG, nach § 35 I GmbHG vertreten durch ihren Geschäftsführer G, Vertretungsmacht für die KG hat. Als Kommanditist ist V nach § 170 HGB von der Vertretung der KG ausgeschlossen.
Ergebnis: Die V-GmbH und V sind befugt, über den Erwerb der Geschäftsanteile von A und B zu entscheiden. G ist ermächtigt, die Geschäftsanteile von A und B für die KG zu erwerben.
2. Haftung für den Kaufpreis gegenüber A und B
2.1 Da zwischen der KG, die nach §§ 161 II, 124 I HGB unter ihrer Firma Verbindlichkeiten eingehen kann, sowie A und B Kaufverträge über deren Geschäftsanteile nach §§ 433 BGB, 15 IV GmbHG abgeschlossen werden sollen, haftet die KG nach § 433 II BGB für die Kaufpreise mit dem Gesellschaftsvermögen.
2.2 Neben der KG haftet nach §§ 161 II, 128 HGB die V-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin der KG für die Kaufpreise mit ihrem Gesellschaftsvermögen. Eine Haftung von V als Gesellschafter der V-GmbH be-steht nach § 13 II GmbHG nicht.
2.3 Neben der KG haftet nach §§ 161 II, 128, 171 I HGB ferner V als Kommanditist für die Kaufpreise mit seinem Privatvermögen. V haftet jedoch maximal bis zu 12.500 €, weil er bereits 17.500 € an die KG geleistet hat, so dass seine Haftung nach § 172 I HGB bis zum Betrag von 30.000 €, nach § 171 I HGB bis auf den Betrag von 12.500 € ausgeschlossen ist.
Ergebnis: Für die Kaufpreise haften gegenüber A und B die KG und die V-GmbH in voller Höhe, V bis maximal 12.500 €.
3. Haftung für die Ansprüche des D
3.1 Die A-GmbH haftet für den Anspruch des D auf Zahlung des Kaufpreises nach §§ 433 II, 453 I BGB für den Erwerb der Drehbuchrechte, wenn sie wirksam Partnerin des Kaufvertrages geworden ist.
3.1.1 A ist als Geschäftsführer der A-GmbH gegenüber D aufgetreten und wollte diese verpflichten.
3.1.2 Die A-GmbH kann aber nur dann Partnerin des Vertrages mit D geworden sein, wenn sie zu diesem Zeitpunkt ein eigenständiges Rechtssubjekt nach § 13 I GmbHG war. Dass ist sie nach § 11 GmbHG, soweit sie als solche im Handelsregister eingetragen wird. Die Eintragung konstituiert die Stellung der GmbH als juristische Person. Die A-GmbH ist die alte, im Handelsregister eingetragene Z-GmbH und könnte als Rechtsnachfolgerin ihre Rechtsstellung übernommen haben. Bei der Übernahme der Geschäftsanteile eines „alten“ oder auf Vorrat angelegten GmbH-Mantels, also einer GmbH ohne werbenden Geschäftsbetrieb, handelt es sich aber um eine wirtschaftliche Neugründung, die den Regelungen des GmbH-Gründungsrechts unterliegt. Die A-GmbH hätte also zur Entstehung als GmbH angemeldet werden müssen; mangels Eintragung ist sie nur eine Vor-GmbH.
3.1.4 Die A-GmbH haftet nach §§ 433 II, 453 I BGB für den Anspruch des D auf Zahlung der vereinbarten Vergütung.
3.2 Daneben kann A für den Anspruch des D auf Zahlung der vereinbarten Vergütung nach §§ 433 II, 453 BGB als Handelnder der Vor-GmbH nach § 11 II GmbHG haften. A hat als Geschäftsführer der nicht eingetragenen A-GmbH den Vertrag mit D geschlossen. Damit ist A Handelnder im Sinne des § 11 II GmbHG. Er hat den Vertrag im Namen der A-GmbH geschlossen. Damit haftet er persönlich für die Ansprüche des D nach § 11 II GmbHG.
3.3 Weiterhin können A und B als Gesellschafter der nicht eingetragenen Vor-GmbH haften. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH haften die Gesellschafter einer Vor-GmbH unbeschränkt und persönlich, allerdings nur im Innenverhältnis. Ein unmittelbarer Anspruch des D gegen die Gesellschafter A und B wäre danach ausgeschlossen. Allerdings ist eine Eintragung der wirtschaftlichen Neugründung von A und B niemals verfolgt worden, so dass es sich bei der A-GmbH um eine sog. „unechte Vorgesellschaft“ handelt. Bei einer solchen „unechten Vorgesellschaft“ haften die Gesellschafter direkt analog § 128 HGB, weil die Gründung einer juristischen Person niemals bezweckt war und die Gesellschaft daher von Anfang lediglich Personenhandelsgesellschaft war. Bei der Übernahme eines alten GmbH-Mantels gehen die Gesellschafter aber regelmäßig davon aus, dass eine Eintragung nicht mehr erforderlich ist, da die fortgeführte GmbH bereits eingetragen ist. Danach wäre es angemessen, sie nur wie bei sonstigen Vor-GmbHs haften zu lassen. Da nach der neuen Rechtsprechung des BGH aber die Anforderungen an wirtschaftlich neugegründete Gesellschaften bei Fortführung eines GmbH-Mantels bekannt sind, ist zumindest bei Fallgestaltungen seit 2003 die Haftung nach § 128 HGB analog vertretbar. Den Übernehmern eines GmbH-Mantels werden hierdurch besondere Verhaltenspflichten aufgelegt, deren Verletzung eine direkte Haftung rechtfertigt.
3.4 Die A-GmbH haftet als Vertragspartner für den Anspruch des D auf Zahlung der Vergütung in Höhe von 40.000 € nach §§ 433 II, 453 I BGB. Eine Haftungsbegrenzung auf das Gesellschaftsvermögen (§ 13 II GmbHG) kommt für die A-GmbH mangels Eintragung nach §§ 11 I, 13 I GmbHG nicht in Betracht. Daneben haften A und B als Gesellschafter der unechten Vorgesellschaft nach § 128 HGB analog unbegrenzt sowie A als Handeln-der nach § 11 II GmbHG ebenfalls unbegrenzt.
4.1 Wenn die KG die A-GmbH übernimmt, handelt es sich angesichts der Branchenverschiedenheit um eine wirtschaftliche Neugründung. Die A-GmbH ist im Bereich ihres Gesellschaftszwecks – Filmproduktion – nur begrenzt tätig gewesen. Die KG will die A-GmbH für die Produktion von Textilien nutzen. Damit entspricht die Übernahme der Geschäftsanteile weitgehend der Fortführung eines „leeren“ GmbH-Mantels. Die Gründungsvorschriften des GmbH-Rechts sind also zu beachten.
4.1.3 Der Geschäftsführer muss nach § 7 I GmbHG unter Angabe der Informationen nach § 8 I GmbHG die Neugründung der A-GmbH beim zuständigen Registergericht anmelden. Zusätzlich ist die Versicherung der Einzahlung der nach § 7 II, III GmbHG geforderten Zahlungen auf die Stammeinlage zu erklären (§ 8 II GmbHG).
4.1.4 Die Eintragung erfolgt auf die Anmeldung nur, wenn auf jede Stammeinlage ein Viertel und insgesamt mindestens 12.500 € in die Gesellschaft eingezahlt worden sind (§ 7 II GmbHG). In der Z-GmbH war kein Stammkapital mehr bei der Übernahme durch A und B vorhanden. A und B haben insgesamt nur 7.000 € auf das Stammkapital, das dem Mindeststammkapital nach § 5 II GmbHG entspricht, eingezahlt. Der von A gezahlte Kaufpreis ist keine Einlage, weil sie nicht der Gesellschaft, sondern der von K verwalteten Insolvenzmasse zugute kommt. Insofern müssen noch 5.500 € aufgebracht werden. Auf den Anteil des A sind 50% eingezahlt, so dass auf diesen Anteil nichts mehr geleistet werden muss. Auf den Anteil des B müssen dagegen noch mindestens 2.125 € eingezahlt werden. Die Anforderungen des § 7 II GmbHG würden mit einer Zahlung von 5.500 € auf den Anteil von B erfüllt. Allerdings genügt nach § 8 II GmbHG die Abgabe einer Versicherung, dass die Einlagen entsprechend geleistet worden sind.
4.2 Mit der Eintragung der A-GmbH gehen die Verbindlichkeiten der Vor-GmbH auf die GmbH über. Ab diesem Moment greift die Haftungsbeschränkung nach § 13 II GmbHG zugunsten der Gesellschafter.
5.1 Die Firma der A-GmbH ist im Gesellschaftsvertrag nach § 4 GmbHG von A und B vereinbart worden. Dadurch ist die frühere Firma Z-GmbH geändert worden. Eine solche Änderung ist nach Belieben möglich. Allerdings müssen vor Eintragung der Firmenänderung neben § 4 GmbHG die firmenrechtlichen Regelungen nach §§ 18 ff. HGB beachtet werden, soweit es sich zuvor noch nicht um eine juristische Person handelt (§ 11 I GmbHG). Die Anforderungen der §§ 18 ff. HGB, 4 GmbHG sind erfüllt. Unschädlich ist auch, dass die von A und B wirtschaftlich neugegründete GmbH sich bei der Änderung der Firma noch im Gründungsstadium befand, weil zumindest aus praktischen Gründen auf die Vorgesellschaft bereits GmbH-Firmenrecht anwendbar ist, sie also schon den GmbH-Zusatz führen darf.
5.2 Die A-GmbH ist als Vor-GmbH noch keine juristische Person. Dennoch ist ein Gesellschafterwechsel durch notariell beurkundete Änderung des Gesellschaftsvertrags (§ 2 I GmbHG) möglich, der den Bestand der Gesellschaft unberührt lässt. Soweit die notarielle Beurkundung erfolgt, kann die Gesellschaft die Firma unverändert weiterführen, da im Gesellschaftsvertrag von A und B nicht vereinbart worden ist, dass die Firma beim Ausscheiden des Gesellschafters A, dessen Name in der Firma der A-GmbH enthalten ist, entsprechend § 24 III HG zu ändern ist.
5.3 Die A-GmbH kann ihre Firma unverändert fortführen, soweit der Gesellschafterwechsel notariell beurkundet wird.
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