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Thüringer Bauordnung [ThürBO]

Kommentar Prof. Dr. Sven Müller-Grune



§ 74
Vorbescheid



Vor Einreichung des Bauantrags ist auf Antrag des Bauherrn zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid zu erteilen. Der Vorbescheid gilt drei Jahre. Die Frist kann auf schriftlichen Antrag jeweils bis zu einem Jahr verlängert werden. Die §§ 67 bis 70, 71 Abs. 1 bis 5 sowie § 72 Abs. 2 Satz 2 gelten entsprechend; die Bauaufsichtsbehörde kann von der Anwendung des § 69 absehen, wenn der Bauherr dies beantragt.

Quelle










Kommentierung







A. Normgeschichte



1. Historie/Gesetzesbegründung


2014 (G.v.25.03.2014 - GVBL. 2014, 49)

Je nach Art und Umfang eines Bauvorhabens erfordert dessen Planung einen erheblichen Zeit- und Kostenaufwand. Das gilt insbesondere dann, wenn zur Beurteilung des Bauvorhabens ergänzende Gutachten erforderlich sind, die längerfristige Beobachtungen oder besondere Untersuchungen erfordern. Dieser Aufwand ist jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, wenn die Zulässigkeit des Bauvorhabens von Vorfragen abhängt, die verhältnismäßig einfach beantwortet werden können.

Satz 1 ermöglicht daher die Vorklärung dieser Fragen in einem besonderen Verfahren und räumt daher dem Bauherrn einen ausdrücklichen Rechtsanspruch auf Erteilung des Vorbescheids ein.

Da der Vorbescheid vorweggenommener Teil der Baugenehmigung ist, kommt er nur bei baugenehmigungsbedürftigen Vorhaben in Betracht. Es können durch ihn auch nur Fragen entschieden werden, die Gegenstand des für das konkrete Vorhaben durchzuführenden Baugenehmigungsverfahrens sein können.

Die Geltungsdauer und die Verlängerungsmöglichkeit entsprechen den Regelungen zur Baugenehmigung.

Nach Satz 4 Halbsatz 2 kann auf Antrag des Bauherrn von einer an sich erforderlichen Nachbarbeteiligung abgesehen werden. Ein entsprechendes Interesse von Bauherrn ist mitunter dann gegeben, wenn er im Vorfeld eines möglichen Grundstückserwerbs die Nutzungsmöglichkeiten klären will, das Erwerbsinteresse aber nicht bekannt werden soll.

Thüringer Landtag Drucksache 5/5768


2. Verwaltungsvorschrift


74.1 Der Vorbescheid ist ein vorweggenommener Teil der Genehmigung. Er kann daher grundsätzlich nur für solche Bauvorhaben beantragt und erteilt werden, für die ein Baugenehmigungsverfahren nach § 62 oder § 63 vorgesehen ist. Entsprechend kann sich der Vorbescheid auch nicht auf Fragen beziehen, die im jeweiligen Baugenehmigungsverfahren nicht geprüft werden. Möglich ist auch im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren ein Vorbescheid über die Zulassung von Abweichungen, da diese nach § 62 Abs. 1 Satz. 2 Nr. 2 zum Prüfumfang gehören. Ein Vorbescheid ist grundsätzlich auch im Verfahren nach § 76 möglich.

74.2 Bei Vorhaben, die der Genehmigungsfreistellung nach § 61 unterliegen, ist ein Vorbescheid zu bauordnungsrechtlichen Abweichungen möglich. Ein Vorbescheid über Ausnahmen und Befreiungen i.S.d. § 31 BauGB ist als Vorfrage einer Genehmigungsfreistellung dagegen nicht möglich, da diese dazu führen, dass das Vorhaben dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach § 62 unterliegt.

74.3 Der Vorbescheid entscheidet nur über einzelne bauplanungs- oder bauordnungsrechtliche Fragen. Diese müssen vom Bauherrn so formuliert sein, dass sie mit einer eindeutigen Zustimmung oder Ablehnung beantwortet werden können. Ggf. sind Bauvorlagen vorzulegen. Eine Bauvorlageberechtigung ist bei einfachen Einzelfragen entbehrlich, für die die Erstellung detaillierter Bauvorlagen nicht erforderlich ist (z. B. ob eine Grundstück mit einem Einfamilienhaus bebaubar ist, ob eine Befreiung von der festgesetzten Bauweise oder für eine Garage eine Abweichung von § 4 Abs. 1 in Aussicht in Aussicht möglich ist). Ebenfalls keine Bauvorlageberechtigung ist erforderlich, wenn sich die Fragen auf Bauvorhaben bezieht, die nach § 64 keine Bauvorlageberechtigung verlangen.

74.4 Von einer an sich erforderlichen Nachbarbeteiligung kann auf Antrag des Bauherrn abgesehen werden. Ein entsprechendes Interesse kann z. B. vorliegen, wenn der Antragsteller vor einem eventuellen Grundstückserwerb Nutzungsmöglichkeiten prüfen will. Werden Nachbarn nicht beteiligt, hat der Vorbescheid im nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren ihnen gegenüber keine Wirkung.

VollzBekThürBO



B. Normauslegung


















Zitiervorschlag:
Müller-Grune Sven, Kommentar zur Thüringer Bauordnung, Schmalkalden 2017, § 74.





© Prof. Dr. Sven Müller-Grune





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