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Thüringer Bauordnung [ThürBO]
Kommentar Prof. Dr. Sven Müller-Grune
§ 36 Notwendige Flure, offene Gänge |
(1) Flure, über die Rettungswege aus Aufenthaltsräumen oder aus Nutzungseinheiten mit Aufenthaltsräumen in notwendige Treppenräume oder ins Freie führen (notwendige Flure), müssen so angeordnet und ausgebildet sein, dass die Nutzung im Brandfall ausreichend lang möglich ist. Notwendige Flure sind nicht erforderlich
1. in Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2,
2. in sonstigen Gebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2, ausgenommen in Kellergeschossen,
3. innerhalb von Nutzungseinheiten mit nicht mehr als 200 m2 und innerhalb von Wohnungen und
4. innerhalb von Nutzungseinheiten, die einer Büro- oder Verwaltungsnutzung dienen, mit nicht mehr als 400 m2; das gilt auch für Teile größerer Nutzungseinheiten, wenn diese Teile nicht größer als 400 m2 sind, Trennwände nach § 29 Abs. 2 Nr. 1 haben und jeder Teil unabhängig von anderen Teilen Rettungswege nach § 33 Abs. 1 hat.
(2) Notwendige Flure müssen so breit sein, dass sie für den größten zu erwartenden Verkehr ausreichen. In den Fluren ist eine Folge von weniger als drei Stufen unzulässig.
(3) Notwendige Flure sind durch nichtabschließbare rauchdichte und selbstschließende Abschlüsse in Rauchabschnitte zu unterteilen. Die Rauchabschnitte sollen nicht länger als 30 m sein. Die Abschlüsse sind bis an die Rohdecke zu führen; sie dürfen bis an die Unterdecke der Flure geführt werden, wenn die Unterdecke feuerhemmend ist. Notwendige Flure mit nur einer Fluchtrichtung, die zu einem Sicherheitstreppenraum führen, dürfen nicht länger als 15 m sein. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für offene Gänge nach Absatz 5.
(4) Die Wände notwendiger Flure müssen als raumabschließende Bauteile feuerhemmend, in Kellergeschossen, deren tragende und aussteifende Bauteile feuerbeständig sein müssen, feuerbeständig sein. Die Wände sind bis an die Rohdecke zu führen. Sie dürfen bis an die Unterdecke der Flure geführt werden, wenn die Unterdecke feuerhemmend und ein demjenigen nach Satz 1 vergleichbarer Raumabschluss sichergestellt ist. Türen in diesen Wänden müssen dicht schließen; Öffnungen zu Lagerbereichen im Kellergeschoss müssen feuerhemmende, dicht- und selbstschließende Abschlüsse haben.
(5) Für Wände und Brüstungen notwendiger Flure mit nur einer Fluchtrichtung, die als offene Gänge vor den Außenwänden angeordnet sind, gilt Absatz 4 entsprechend. Fenster sind in diesen Außenwänden ab einer Brüstungshöhe von 0,90 m zulässig.
(6) In notwendigen Fluren sowie in offenen Gängen nach Absatz 5 müssen
1. Bekleidungen, Putze, Unterdecken und Dämmstoffe aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen,
2. Wände und Decken aus brennbaren Baustoffen eine Bekleidung aus nichtbrennbaren Baustoffen in ausreichender Dicke haben.
Kommentierung |
A. Normgeschichte
1. Historie
2. Gesetzesbegründung
Absatz 1 Satz 1 enthält die Funktionsbeschreibung sowie das Schutzziel: Notwendige Flure müssen so angeordnet und ausgebildet sein, dass die Nutzung im Brandfall ausreichend lang möglich ist. Satz 2 nimmt bestimmte Fälle vom Erfordernis der Ausbildung notwendiger Flure aus, bei denen von einem kleinen Benutzerkreis und einer aufgrund der geringen Größe der Nutzungseinheiten guten Erreichbarkeit der Treppenräume oder der Ausgänge ins Freie auszugehen ist. In Nummer 3 wird durch eine Umstellung verdeutlicht, dass die Größenbegrenzung von 200 m2 nur für Nutzungseinheiten und nicht auch für Wohnungen gilt.
Absatz 2 verlangt wie § 34 Abs. 5, dass die Breite des Rettungswegs (hier von Fluren) für den größten zu erwartenden Verkehr ausreicht. Jedenfalls dann, wenn die Nutzung des Flurs als Rettungsweg durch aus anschließenden Räumen kommende Personen oder in den Fluchtweg aufschlagende Türen beeinträchtigt werden kann, muss die Breite der Flure größer sein als die Breite der Treppen.
Absatz 3 regelt die Unterteilung langer Flure durch Rauchabschlüsse in Rauchabschnitte. Um auszuschließen, dass eine Rauchausbreitung oberhalb der abgehängten Decke den Rauchabschluss "überläuft", wird in Satz 3 zusätzlich klargestellt, dass Rauchabschlüsse grundsätzlich bis an die Rohdecke zu führen sind. Der obere Anschluss an eine Unterdecke ist stattdessen nur dann zulässig, wenn diese feuerhemmend ist, weil dadurch ein vergleichbarer Rauchabschluss zu erwarten ist, ohne dass weitere Maßnahmen erforderlich wären. In Satz 4 wird zur Konkretisierung der allgemeinen Forderung "sicher erreichbar" (siehe § 33 Abs. 2 Satz 3) die Flurlänge eines Flurs mit nur einer Fluchtrichtung zu einem Sicherheitstreppenraum auf 15 m begrenzt. Offene Gänge nach Absatz 5 sind von den Regelungen ausgenommen.
Absatz 4 enthält die Anforderungen an die Flurwände. Die Anforderung feuerhemmend bezieht sich auf den Raumabschluss (Satz 1). Die notwendigen Flure von Aufenthaltsräumen in Kellergeschossen müssen - wie die Trennwände von Aufenthaltsräumen in Kellergeschossen - der Feuerwiderstandsfähigkeit der Tragkonstruktion des Kellergeschosses entsprechen, gegebenenfalls also feuerbeständig sein. Es wird auch hier klargestellt, dass die Wände bis zur Rohdecke zu führen sind (Satz 2). Der obere Anschluss an eine Unterdecke ist nur zulässig, wenn die Unterdecke feuerhemmend ist und der Raumabschluss sichergestellt ist (Satz 3), was in der Regel ein bauaufsichtlich zugelassenes System voraussetzt. Satz 4 enthält eine Erleichterung für Türen in Flurwänden und verlangt nur, dass sie dicht schließen (dreiseitig umlaufende Dichtung, kein formeller Nachweis erforderlich); zu Lagerbereichen in Kellergeschossen werden dagegen Feuerschutzabschlüsse verlangt.
Absatz 5 regelt die Ausbildung der Wände von offenen Gängen, die anstelle von notwendigen Fluren die einzige Verbindung zwischen Aufenthaltsräumen und notwendigen Treppenräumen darstellen. Satz 1 stellt klar, dass Anforderungen nur an solche Gänge gestellt werden, die nur in einer Fluchtrichtung benutzt werden können. Unter Wänden sind hier die Außenwand, vor der der Gang liegt, und seine Brüstung zu verstehen. Für sie gilt die Anforderung des Absatzes 4 entsprechend (Satz 1); sie müssen (raumabschließend) feuerhemmend sein. Fenster in der Außenwand sind ohne besondere Anforderung ab einer Brüstungshöhe von 90 cm zulässig (Satz 2). Die Brüstung muss geschlossen ausgebildet werden. Wenn ein Feuerüberschlag nicht zu befürchten ist, beispielsweise wegen besonders tiefer Gangbreiten und/oder der Anordnung von Schürzen, kann durch Zulassung einer Abweichung nach § 66 auf die geschlossene feuerhemmende Brüstung teilweise oder ganz verzichtet werden.
Absatz 6 regelt die Anforderungen an die flurseitigen Baustoffe, die nichtbrennbar sein müssen. Für Wände und Decken aus brennbaren Baustoffen wird verlangt, dass sie eine Bekleidung aus nichtbrennbaren Baustoffen in ausreichender Dicke erhalten.
3. Verwaltungsvorschrift
Vorhandene Flure, die Teil des Rettungsweges sind, sind notwendige Flure und haben die entsprechenden Anforderungen zu erfüllen. Ggf. vorgesehene, aber nicht als Rettungsweg benötigte (nicht notwendige) Flure müssen die Anforderungen des § 36 nicht erfüllen. Auch in anderen Gebäuden können notwendige Flure entfallen, wenn die Verbindung der Treppenräume zu den Nutzungseinheiten ohne Flure erfolgt (siehe dazu 35).
Schutzziel: ausreichend lange Nutzung im Brandfall
Notwendige Flure, offene Gänge | GK 1 | GK 2 | GK 3*) | GK 4*) | GK 5*) |
---|---|---|---|---|---|
Wände notwendiger Flure | X | X | F 30 | F 30 | F 30 |
Wände und Brüstungen notwendiger Flure mit nur einer Fluchtrichtung, die als offene Gänge vor den Außenwänden angeordnet sind | F 30 | F 30 | F 30 | ||
Wände in Kellergeschossen ausgenommen Wohngebäude der GK 1 und 2 | F 90-AB | F 90-AB | F 90-AB | ||
Türen in Wänden notwendiger Flure | dichtschließend | dichtschließend | dichtschließend | ||
Türen zur Teilung notwendiger | RS, nicht | RS, nicht | RS, nicht | ||
Flure in Rauchabschnitte von max. 30 m Länge | abschließbar | abschließbar | abschließbar | ||
Öffnungen in Wänden notwendiger Flure zu Lagerbereichen im Kellergeschoss | T 30 dicht- u. selbst-schließend | T 30 dicht- u. selbst-schließend | T 30 dicht- u. selbst-schließend | ||
Bekleidungen, Putz, Unterdecken, Dämmstoffe sowie Oberflächen von Wänden und Decken | A | A | A |
*) Gilt nicht innerhalb von Nutzungseinheiten bis 200 m² und Wohnungen sowie Büroeinheiten bis 400 m².
36.4 An feststehende Verglasungen wie Lichtöffnungen in Innenwänden notwendiger Flure sind Anforderungen wie an Flurwände zu stellen. Dabei sind in der Regel feuerhemmende Verglasungen (F 30) zu verwenden. Verglasungen der Feuerwiderstandsklasse G 30 nach DIN 4102 Teil 5 in Trennwänden von notwendigen Fluren sind zulässig, wenn sie mit der Unterkante mindestens 1,80 m über dem Fußboden angeordnet sind.
36.6 Aus der Anforderung der Nichtbrennbarkeit der Oberflächen von Wänden und Decken ergibt sich unter Berücksichtigung des Schutzziels der ausreichend langen Nutzbarkeit im Brandfall eine Minimierung von Brandlasten und Brandentstehungsgefahren. Daraus ist abzuleiten, dass notwendige Flure von Brandlasten weitgehend freizuhalten sind. Baustoffeigenschaften für Bodenbeläge sind nicht geregelt. Aus der Systematik des § 35 Abs. 5 Nr. 3 ergibt sich, dass mindestens schwerentflammbare Baustoffe jedenfalls ausreichen.
B. Normauslegung
Zitiervorschlag:
Müller-Grune Sven, Kommentar zur Thüringer Bauordnung, Schmalkalden 2017, § 36.
© Prof. Dr. Sven Müller-Grune |
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