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Thüringer Bauordnung [ThürBO]
Kommentar Prof. Dr. Sven Müller-Grune
§ 32 Dächer |
(1) Bedachungen müssen gegen eine Brandbeanspruchung von außen durch Flugfeuer und strahlende Wärme ausreichend lang widerstandsfähig sein (harte Bedachung).
(2) Bedachungen, die die Anforderungen nach Absatz 1 nicht erfüllen, sind zulässig bei Gebäuden der Gebäudeklassen 1 bis 3, wenn die Gebäude
1. einen Abstand von der Grundstücksgrenze von mindestens 12 m,
2. von Gebäuden auf demselben Grundstück mit harter Bedachung einen Abstand von mindestens 15 m,
3. von Gebäuden auf demselben Grundstück mit Bedachungen, die die Anforderungen nach Absatz 1 nicht erfüllen, einen Abstand von mindestens 24 m,
4. von Gebäuden auf demselben Grundstück ohne Aufenthaltsräume und ohne Feuerstätten mit nicht mehr als 50 m3 Brutto-Rauminhalt einen Abstand von mindestens 5 m
einhalten. Soweit Gebäude nach Satz 1 Abstand halten müssen, genügt bei Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2 in den Fällen
1. der Nummer 1 ein Abstand von mindestens 6 m,
2. der Nummer 2 ein Abstand von mindestens 9 m und
3. der Nummer 3 ein Abstand von mindestens 12 m.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für
1. Gebäude ohne Aufenthaltsräume und ohne Feuerstätten mit nicht mehr als 50 m3 Brutto-Rauminhalt,
2. lichtdurchlässige Bedachungen aus nichtbrennbaren Baustoffen; brennbare Fugendichtungen und brennbare Dämmstoffe in nichtbrennbaren Profilen sind zulässig,
3. Dachflächenfenster, Oberlichte und Lichtkuppeln von Wohngebäuden,
4. Eingangsüberdachungen und Vordächer aus nichtbrennbaren Baustoffen und
5. Eingangsüberdachungen aus brennbaren Baustoffen, wenn die Eingänge nur zu Wohnungen führen.
(4) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 sind
1. lichtdurchlässige Teilflächen aus brennbaren Baustoffen in Bedachungen nach Absatz 1 und
2. begrünte Bedachungen
zulässig, wenn eine Brandentstehung bei einer Brandbeanspruchung von außen durch Flugfeuer und strahlende Wärme nicht zu befürchten ist oder Vorkehrungen dagegen getroffen werden.
(5) Dachüberstände, Dachgesimse und Dachaufbauten, lichtdurchlässige Bedachungen, Dachflächenfenster, Lichtkuppeln, Oberlichte und Solaranlagen sind so anzuordnen und herzustellen, dass Feuer nicht auf andere Gebäudeteile und Nachbargrundstücke übertragen werden kann. Von Brandwänden und von Wänden, die anstelle von Brandwänden zulässig sind, müssen mindestens 1,25 m entfernt sein:
1. Dachflächenfenster, Oberlichte, Lichtkuppeln und Öffnungen in der Bedachung, wenn diese Wände nicht mindestens 0,30 m über Dach geführt sind und
2. Solaranlagen, Dachgauben und ähnliche Dachaufbauten aus brennbaren Baustoffen, wenn sie nicht durch diese Wände gegen Brandübertragung geschützt sind.
(6) Dächer von traufseitig aneinandergebauten Gebäuden müssen als raumabschließende Bauteile für eine Brandbeanspruchung von innen nach außen einschließlich der sie tragenden und aussteifenden Bauteile feuerhemmend sein. Öffnungen in diesen Dachflächen müssen waagerecht gemessen mindestens 2 m von der Brandwand oder der Wand, die anstelle der Brandwand zulässig ist, entfernt sein.
(7) Dächer von Anbauten, die an Außenwände mit Öffnungen oder ohne Feuerwiderstandsfähigkeit anschließen, müssen innerhalb eines Abstands von 5 m von diesen Wänden als raumabschließende Bauteile für eine Brandbeanspruchung von innen nach außen einschließlich der sie tragenden und aussteifenden Bauteile die Feuerwiderstandsfähigkeit der Decken des Gebäudeteils haben, an den sie angebaut werden. Dies gilt nicht für Anbauten an Wohngebäude der Gebäudeklassen 1 bis 3.
(8) Für vom Dach aus vorzunehmende Arbeiten sind sicher benutzbare Vorrichtungen anzubringen.
Quelle
Kommentierung |
A. Normgeschichte
1. Historie
2. Gesetzesbegründung
2014
Absatz 1 enthält das Schutzziel für die Anforderungen an die Bedachung.Absatz 2 lässt Ausnahmen von der nach Absatz 1 grundsätzlich erforderlichen harten Bedachung zu. Um die damit verbundene Erhöhung der Gefahr einer Brandübertragung über das Dach zu reduzieren, müssen Gebäude ohne harte Bedachung von der Grenze und von anderen Gebäuden einen größeren Abstand einhalten. Der erforderliche Grenzabstand darf sich nach in § 6 Abs. 2 Satz 2 bis zur Mitte angrenzender öffentlicher Flächen erstrecken. Satz 2 erlaubt für Wohngebäude der Gebäudeklassen 1 und 2 verringerte Abstände.
Absatz 3 enthält Ausnahmen für kleine Nebengebäude und Teile von Bedachungen, von denen nur ein geringes Risiko ausgeht. In Nummer 3 wurden zusätzlich Dachflächenfenster aufgenommen. Diese Ausnahme korrespondiert mit der Ausnahmeregelung in § 28 für Fenster in Außenwänden.
Absatz 4 enthält weitere Ausnahmen von den Absätzen 1 und 2, die aber im Unterschied zu den in Absatz 3 genannten Ausnahmen nicht uneingeschränkt gelten, sondern unter dem Vorbehalt stehen, dass eine Brandentstehung durch Brandbeanspruchung von außen durch Flugfeuer und strahlende Wärme nicht zu befürchten ist beziehungsweise dagegen Vorkehrungen getroffen werden. Lichtdurchlässige Teilflächen aus brennbaren Baustoffen werden bei geringer Größe regelmäßig unbedenklich sein.
Absatz 5 enthält in Satz 1 das Schutzziel für die Anforderungen an Dachaufbauten und ähnliche Dachteile. Anders als bei dem in Absatz 1 genannten Schutzziel geht es dabei nicht vorrangig um den Schutz des Gebäudes selbst, sondern um den Schutz anderer Gebäude.
Absatz 6 stellt an Dächer von traufseitig aneinandergebauten Gebäuden höhere Anforderungen. Diese sind gerechtfertigt, da andernfalls der durch eine Brandwand oder eine Trennwand vermittelte Schutz vor Brandübertragung oberhalb der Wand enden würde. Für Öffnungen in diesen Dächern ist anders als bei Öffnungen in Wänden (vgl. § 30 Abs. 2 Nr. 1) ein Abstand von 2 m ausreichend, da im Brandfall die Hitze nicht unmittelbar in Richtung auf die Grenze beziehungsweise das andere Gebäude abgestrahlt wird.
Nach § 31 müssen Decken eine bestimmte Feuerwiderstandsfähigkeit erreichen. Da es für die Brandübertragung gleichgültig ist, ob die durch Decken getrennten Geschosse unmittelbar übereinander oder versetzt angeordnet sind, verlangt Absatz 7, dass Decken von Anbauten, außer bei Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 bis 3, die Feuerwiderstandsfähigkeit der Decken des Gebäudes aufweisen müssen, an das sie angebaut sind.
Nach Absatz 8 sind für vom Dach aus vorzunehmende Arbeiten sicher benutzbare Vorrichtungen anzubringen. Die Regelung dient dem Schutz von Personen, die - wie der Schornsteinfeger - regelmäßig das Dach betreten müssen, nicht dagegen von Personen, die das Dach nur in Ausnahmefällen, beispielsweise zur Durchführung von Reparaturarbeiten, betreten. Insoweit gelten die allgemeinen Arbeitsschutzbestimmungen.
Thüringer Landtag Drucksache 5/5768
3. Verwaltungsvorschrift
Schutzziel ist die Verhinderung der Brandübertragung durch Flugfeuer und strahlende Wärme mittels harter Bedachung oder entsprechend großer Abstände zu anderen Gebäuden.
32.4.1 Gegen Lichtbänder aus brennbaren Baustoffen in Dächern mit harter Bedachung bestehen keine Bedenken, wenn sie
- mit ihrer Längsseite parallel zur Traufe geführt werden, höchstens 2 m breit und 20 m lang sind,
- untereinander und von den Dachrändern mindestens 2 m Abstand haben.
32.4.2 Gegen Lichtkuppeln aus brennbaren Baustoffen in Dächern mit harter Bedachung bei Nichtwohngebäuden bestehen in der Regel keine Bedenken, wenn
- die Grundrissfläche der einzelnen Lichtkuppel in der Dachfläche 6 m² nicht überschreitet,
- die Grundrissfläche aller Lichtkuppeln höchstens 20 vom Hundert der Dachfläche erreicht,
- die Lichtkuppeln untereinander und von den Dachrändern mindestens 1 m Abstand, von Lichtbändern einen Abstand von mindestens 2 m haben.
Im Einzelfall können weitere Vorkehrungen notwendig sein.
32.4.3 Werden solche Lichtkuppeln und Lichtbänder zusammen verwendet, dann dürfen diese Bedachungen insgesamt höchstens 30 vom Hundert der Dachflächen erreichen. Diese Teilflächen gelten nicht als weiche Bedachung.
32.4.4 Die DIN 4102-7 ist für die Beurteilung begrünter Dächer - Extensivbegrünungen, Intensivbegrünungen, Dachgärten - ungeeignet. Für die Beurteilung einer ausreichenden Widerstandsfähigkeit gegen Flugfeuer und strahlender Wärme können jedoch die nachstehenden Ausführungen zu Grunde gelegt werden:
Dächer mit Intensivbegrünung und Dachgärten - das sind solche, die bewässert und gepflegt werden und die in der Regel eine dicke Substratschicht aufweisen - sind als widerstandsfähig gegen Flugfeuer und strahlende Wärme (harte Bedachung) zu bewerten.
Bei Dächern mit Extensivbegrünungen durch überwiegend niedrig wachsende Pflanzen, wie beispielsweise Gras, Sedum, Eriken, ist ein ausreichender Widerstand gegen Flugfeuer und strahlende Wärme gegeben, wenn
- eine mindestens 3 cm dicke Schicht Substrat (Dachgärtnererde, Erdsubstrat) mit höchstens 20 Gewichtprozent organischer Bestandteile vorhanden ist; bei Begrünungsaufbauten, die dem nicht entsprechen, wie beispielsweise Substrat mit höherem Anteil organischer Bestandteile, Vegetationsmatten aus Schaumstoff, ist ein Nachweis nach DIN 4102-7 bei einer Neigung von 15 Grad und im trockenen Zustand (Ausgleichsfeuchte bei Klima 23/50) ohne Begrünung zu führen;
- Gebäudeabschlusswände, Brandwände oder Wände, die anstelle von Brandwänden zu-lässig sind, mindestens 30 cm über das begrünte Dach, bezogen auf Oberkante Substrat oder Erde, geführt sind. Sofern diese Wände aufgrund auordnungsrechtlicher Bestimmungen nicht über Dach geführt werden müssen, genügt auch eine mindestens 30 cm hohe Aufkantung aus nicht brennbaren Baustoffen oder ein 1 m breiter Streifen aus massiven Platten oder Grobkies;
- vor Öffnungen in der Dachfläche (Dachfenster, Lichtkuppeln) und vor Wänden mit Öffnungen ein mindestens 0,5 m breiter Streifen aus massiven Platten oder Grobkies angeordnet wird, es sei denn, dass die Brüstung der Wandöffnung mehr als 0,8 m über Oberkante Substrat hoch ist;
- bei aneinander gereihten, giebelständigen Gebäuden im Bereich der Traufe ein in der Horizontalen gemessener mindestens 1 m breiter Streifen nachhaltig unbegrünt bleibt und mit einer Dachhaut aus nicht brennbaren Baustoffen versehen ist.
32.5 Die Regelung dient vorrangig dem Schutz angrenzender Gebäude in giebelständiger Bauweise. Dabei kann bei entsprechendem Abstand der genannten Bauteile zur Brandwand auf eine Überdachführung verzichtet werden.
32.6 Die Regelung gilt entsprechend, wenn ein traufseitiger Anbau zulässig ist. Soll das Gebäude lediglich grenznah errichtet werden, ist der Abstand von 2 m von der Grenze einzuhalten.
B. Normauslegung
Zitiervorschlag:
Müller-Grune Sven, Kommentar zur Thüringer Bauordnung, Schmalkalden 2017, § 32.
© Prof. Dr. Sven Müller-Grune |
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