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Thüringer Bauordnung
[ThürBO]
Kommentar
Prof. Dr. Sven Müller-Grune




§ 2
Begriffe



(1) Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Eine Verbindung mit dem Boden besteht auch dann, wenn die Anlage durch eigene Schwere auf dem Boden ruht oder auf ortsfesten Bahnen begrenzt beweglich ist oder wenn die Anlage nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden. Bauliche Anlagen sind auch

1. Aufschüttungen und Abgrabungen,

2. Lagerplätze, Abstellplätze und Ausstellungsplätze,

3. Campingplätze, Wochenendplätze, Zeltplätze, Spiel- und Sportflächen,

4. Stellplätze für Kraftfahrzeuge,

5. Gerüste und Hilfseinrichtungen zur statischen Sicherung von Bauzuständen,

6. künstliche Hohlräume unter der Erdoberfläche,

7. Freizeit- und Vergnügungsparks.

Anlagen sind bauliche Anlagen und sonstige Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2.

(2) Gebäude sind selbständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und geeignet oder bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen.

(3) Gebäude werden in folgende Gebäudeklassen eingeteilt:

1. Gebäudeklasse 1:

a) freistehende Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m2 und

b) freistehende Gebäude, die einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb oder einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Baugesetzbuchs (BauGB) in der Fassung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414) in der jeweils geltenden Fassung in Verbindung mit § 201 BauGB dienen,

2. Gebäudeklasse 2:

Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m2 ,

3. Gebäudeklasse 3:

sonstige Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m,

4. Gebäudeklasse 4:

Gebäude mit einer Höhe bis zu 13 m und Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 400 m2 ,

5. Gebäudeklasse 5:

sonstige Gebäude einschließlich unterirdischer Gebäude.

Höhe im Sinne des Satzes 1 ist das Maß der Fußbodenoberkante des höchstgelegenen Geschosses, in dem ein Aufenthaltsraum möglich und zulässig ist, über der Geländeoberfläche im Mittel. Die Grundflächen der Nutzungseinheiten im Sinne dieses Gesetzes sind die Brutto-Grundflächen; bei der Berechnung der Brutto-Grundflächen nach Satz 1 bleiben Flächen in Kellergeschossen außer Betracht.

(4) Sonderbauten sind Anlagen und Räume besonderer Art oder Nutzung, die einen der nachfolgenden Tatbestände erfüllen:

1. Hochhäuser (Gebäude mit einer Höhe nach Absatz 3 Satz 2 von mehr als 22 m),

2. bauliche Anlagen mit einer Höhe von mehr als 30 m,

3. Gebäude mit mehr als 1 600 m2 Grundfläche des Geschosses mit der größten Ausdehnung, ausgenommen Wohngebäude und Garagen,

4. Verkaufsstätten, deren Verkaufsräume und Ladenstraßen eine Grundfläche von insgesamt mehr als 800 m2 haben,

5. Gebäude mit Räumen, die einer Büro- oder Verwaltungsnutzung dienen und einzeln eine Grundfläche von mehr als 400 m2 haben,

6. Gebäude mit Räumen, die einzeln für die Nutzung durch mehr als 100 Personen bestimmt sind,

7. Versammlungsstätten

a) mit Versammlungsräumen, die insgesamt mehr als 200 Besucher fassen, wenn diese Versammlungsräume gemeinsame Rettungswege haben,

b) im Freien mit Szenenflächen sowie Tribünen, die keine Fliegenden Bauten sind und insgesamt mehr als 1 000 Besucher fassen, und Freisportanlagen, deren Besucherbereich jeweils mehr als 1 000 Besucher fasst,

8. Schank- und Speisegaststätten mit mehr als 40 Gastplätzen in Gebäuden oder mehr als 1 000 Gastplätzen im Freien, Beherbergungsstätten mit mehr als zwölf Betten und Spielhallen mit mehr als 150 m2 Grundfläche,

9. Gebäude mit Nutzungseinheiten zum Zwecke der Pflege oder Betreuung von Personen mit Pflegebedürftigkeit oder Behinderung, deren Selbstrettungsfähigkeit eingeschränkt ist, wenn die Nutzungseinheiten

a) einzeln für mehr als sechs Personen oder

b) für Personen mit Intensivpflegebedarf bestimmt sind oder

c) einen gemeinsamen Rettungsweg haben und für insgesamt mehr als zwölf Personen bestimmt sind,

10. Krankenhäuser,

11. sonstige Einrichtungen zur Unterbringung oder Pflege von Personen sowie Wohnheime,

12. Tageseinrichtungen für Kinder, Menschen mit Behinderung und alte Menschen, ausgenommen Tageseinrichtungen einschließlich Tagespflege für nicht mehr als zehn Kinder,

13. Schulen, Hochschulen und ähnliche Einrichtungen,

14. Justizvollzugsanstalten und bauliche Anlagen für den Maßregelvollzug,

15. Camping- und Wochenendplätze,

16. Freizeit- und Vergnügungsparks,

17. Fliegende Bauten, soweit sie einer Ausführungsgenehmigung bedürfen,

18. Regallager mit einer Oberkante Lagerguthöhe von mehr als 7,50 m,

19. bauliche Anlagen, deren Nutzung durch Umgang oder Lagerung von Stoffen mit Explosions- oder erhöhter Brandgefahr verbunden ist,

20. Anlagen und Räume, die in den Nummern 1 bis 19 nicht aufgeführt und deren Art oder Nutzung mit vergleichbaren Gefahren verbunden sind.

(5) Aufenthaltsräume sind Räume, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind.

(6) Oberirdische Geschosse sind Geschosse, deren Deckenoberkanten im Mittel mehr als 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragen; im Übrigen sind sie Kellergeschosse. Hohlräume zwischen der obersten Decke und der Bedachung, in denen Aufenthaltsräume nicht möglich sind, sind keine Geschosse.

(7) Stellplätze sind Flächen, die dem Abstellen von Kraftfahrzeugen außerhalb der öffentlichen Verkehrsflächen dienen. Garagen sind Gebäude oder Gebäudeteile zum Abstellen von Kraftfahrzeugen. Ausstellungs-, Verkaufs-, Werk- und Lagerräume für Kraftfahrzeuge sind keine Stellplätze oder Garagen.

(8) Feuerstätten sind in oder an Gebäuden ortsfest benutzte Anlagen oder Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, durch Verbrennung Wärme zu erzeugen.

(9) Barrierefrei sind bauliche Anlagen, soweit sie für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.

(10) Bauprodukte sind

1. Baustoffe, Bauteile und Anlagen, die hergestellt werden, um dauerhaft in bauliche Anlagen eingebaut zu werden,

2. aus Baustoffen und Bauteilen vorgefertigte Anlagen, die hergestellt werden, um mit dem Erdboden verbunden zu werden, wie Fertighäuser, Fertiggaragen und Silos.

(11) Bauart ist das Zusammenfügen von Bauprodukten zu baulichen Anlagen oder Teilen von baulichen Anlagen.











Kommentierung






A. Normgeschichte







1. Historie







2. Gesetzesbegründung


§ 2 definiert verschiedene Begriffe, die für eine größere Zahl von Bestimmungen von Bedeutung sind.
Absatz 1 definiert den Begriff der baulichen Anlage. Hierzu gehören nicht nur Anlagen, bei denen es sich nach dem üblichen Sprachgebrauch um Bauwerke handelt, sondern es werden auch Anlagen erfasst, die zwar beweglich sind, im konkreten Fall aber ortsfest wie bauliche Anlagen genutzt werden. Hierzu können beispielsweise Fahrzeuge fallen, die wie feste Verkaufsstände oder Lagergebäude genutzt werden. Bei den in Satz 3 aufgeführten Anlagen kann ohne Regelung im Einzelfall die Erfüllung des Begriffs bauliche Anlage fraglich sein. Es wird aber auch klargestellt, dass beispielsweise bei Spiel- und Sportflächen nicht nur die einzelnen Geräte, sondern auch die Fläche als Gesamtheit eine bauliche Anlage darstellt.
Absatz 2 bestimmt, was ein Gebäude ist. Wesentliche Merkmale eines Gebäudes sind die Überdeckung und der Schutzzweck. Dagegen ist es nicht erforderlich, dass die betreffende Anlage eine oder mehrere Wände aufweist. Die Frage, ob eine Anlage ein Gebäude ist, ist unter anderem von Bedeutung für die Erforderlichkeit einer öffentlich-rechtlich gesicherten Zufahrt (§ 4), für die Zugänglichkeit für die Feuerwehr (§ 5), für die Geltung von Brandschutzbestimmungen und für die Verpflichtung, Bauanträge durch eine bauvorlageberechtigte Person erstellen zu lassen (§ 64).
Absatz 3 Satz 1 enthält eine Gliederung der Gebäude in Gebäudeklassen, die als systematische Grundlage für das Brandschutzkonzept erforderlich ist. Die Brandschutzanforderungen richten sich nach einer Kombination des Kriteriums Gebäudehöhe mit der Zahl und Größe von Nutzungseinheiten.
Gebäude mit Nutzungseinheiten, die deutlich kleiner sind als Brandabschnitte, die gegeneinander mit Brandschutzqualität abgetrennt sind und die über ein eigenes Rettungswegsystem verfügen, wie beispielsweise Wohnungen, kleine Verwaltungseinheiten, Praxen oder kleine Läden, stellen für die Brandausbreitung und die Brandbekämpfung durch die Feuerwehr ein geringeres Risiko dar als Gebäude mit ausgedehnten Nutzungseinheiten. Für Gebäude mit dieser Zellenbauweise (auch Kompartment-Bauweise genannt) sind daher geringere Brandschutzanforderungen vertretbar. Das Kriterium der Gebäudehöhe wird daher mit der Größe der Nutzungseinheiten kombiniert, was zur Bildung von 5 Gebäudeklassen führt.
Gebäudeklasse 1 umfasst freistehende Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m (zur Höhe siehe unten) mit nicht mehr als 2 Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m². Das sind vor allem die freistehenden Ein- und Zweifamilienhäuser. Die Nutzung wird jedoch nicht auf das Wohnen beschränkt. Ebenfalls in die Gebäudeklasse 1 sind die freistehenden landwirtschaftlichen Betriebsgebäude eingeordnet. Die gleichen Gebäude (ohne landwirtschaftliche Betriebsgebäude) sind in die Gebäudeklasse 2 eingestuft, wenn sie nicht freistehend sind. In Gebäudeklasse 3 werden alle übrigen Gebäude einer Höhe bis zu 7 m eingeordnet. Gebäudeklasse 4 umfasst Gebäude mit einer Höhe bis zu 13 m und Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 400 m². Alle sonstigen Gebäude einschließlich unterirdischer Gebäude fallen in die Gebäudeklasse 5. Die Einstufung in Gebäudeklassen ist unabhängig von der Einstufung als Sonderbau nach Absatz 4.
Bei der Abgrenzung der Gebäudeklassen hinsichtlich des Kriteriums der Gebäudehöhe wird nicht mehr auf die Fußbodenoberkante des höchstgelegenen Geschosses, in dem ein Aufenthaltsraum möglich und zulässig ist, an der zum Anleitern bestimmten Stelle über der Geländeoberfläche abgestellt, sondern auf die Lage des höchstgelegenen Fußbodens über der Geländeoberfläche im Mittel. Dadurch werden Unklarheiten über die Einordnung von Gebäuden vermieden, bei denen für die Personenrettung überhaupt keine Rettungsgeräte der Feuerwehr erforderlich sind (Gebäude mit 2 baulichen Rettungswegen). Soweit dadurch unnötige Verschärfungen erfolgen, kann ihnen durch Zulassung einer Abweichung nach § 66 Rechnung getragen werden. Anforderungen an die Zugänge und Zufahrten für Rettungsfahrzeuge der Feuerwehr (§ 5) und an die Rettungswege (§ 33) bleiben von dieser Änderung unberührt, da sie auf die tatsächlichen Rettungsmöglichkeiten abstellen. Die Ergänzung, dass bei der Berücksichtigung des obersten Geschosses auch darauf abgestellt wird, ob dort ein Aufenthaltsraum zulässig ist, soll Unsicherheiten über die Behandlung solcher Geschosse Rechnung tragen, bei denen wie bei größeren Dachböden die Schaffung eines Aufenthaltsraums zwar technisch, aufgrund der Baugenehmigung oder aus anderen Gründen aber rechtlich nicht möglich ist.
Satz 3 Halbsatz 1 definiert die Fläche der Nutzungseinheiten einheitlich als die Brutto-Grundfläche. Dieser Begriff ist den Entwurfsverfassern geläufig und durch die DIN 277 unterlegt. Halbsatz 2 nimmt für die Flächenberechnung nach Satz 1 Flächen in Kellergeschossen aus und stellt, wie die Höhenbetrachtung, nur auf die oberirdischen Teile eines Gebäudes ab. Für Räume in Kellergeschossen enthält das Brandschutzkonzept eigene Regelungen sowohl hinsichtlich der Bauteilanforderungen als auch der Zugänglichkeit und der Rettungswege. Selbstständige unterirdische Gebäude werden nicht von den Gebäudeklassen 1 bis 4, sondern von Gebäudeklasse 5 erfasst; auf die Flächengröße kommt es dabei nicht an.
Absatz 4 enthält eine Aufzählung der Sonderbauten. Der Sonderbautenbegriff hat einmal verfahrenssteuernde Wirkung, da Sonderbauten (grundsätzlich) weder der Genehmigungsfreistellung (§ 61) noch dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren (§ 62) unterfallen, sondern im Baugenehmigungsverfahren (§ 63) zu behandeln sind, sodass in jedem Falle im Genehmigungsverfahren auch alle bauordnungsrechtlichen Anforderungen geprüft werden und die Möglichkeit eröffnet ist, nach § 51 Satz 1 besondere Anforderungen zu stellen oder Erleichterungen zuzulassen (§ 51 Satz 2). Ferner ist der Sonderbautenbegriff Anknüpfungspunkt für besondere Anforderungen hinsichtlich der bautechnischen Nachweise.
In den Katalog der Sonderbauten sind solche Anlagen aufgenommen worden, bei denen wegen ihrer Größe, wegen der Zahl und/oder der Schutzbedürftigkeit der sich in ihnen aufhaltenden Personen oder aus anderen Gründen ein besonderes Gefahrpotenzial erwartet werden muss. Deshalb wird mit dem einleitenden Wortlaut "die einen der nachfolgenden Tatbestände erfüllen" auch klargestellt, dass es für die Sonderbauteneigenschaft ausreicht, wenn ein Bauvorhaben von einem der in dem Katalog aufgezählten Fälle erfasst wird, die einzelnen Nummern des Katalogs also nicht untereinander spezialgesetzlich vorgehen. Unter dem Blickwinkel des Brandschutzes ist erwogen worden, die Sonderbautendefinitionen durchgängig mit den Einstiegsschwellen der Muster- Sonderbautenverordnungen zu harmonisieren. Im Ergebnis ist der Kreis der Sonderbauten aber deshalb weiter gezogen worden, weil auch unterhalb dieser Einstiegsschwellen über die Standards des materiellen Bauordnungsrechts hinausgehende Anforderungen und gegebenenfalls kompensatorische Erleichterungen angezeigt sein können, die aber nur auf § 51 Satz 1 und 2 gestützt werden können, dessen Anwendung die Sonderbauteneigenschaft voraussetzt. Die Schwellenwerte beruhen auf bauaufsichtlichen Praxiserfahrungen.
Der Sonderbautenkatalog ist grundsätzlich abschließend, um den am Bau Beteiligten und den Bauaufsichtsbehörden für die Regelfälle eine zuverlässige und rechtssichere Orientierung zu ermöglichen. Nummer 20 enthält aber einen Auffangtatbestand, mit dessen Hilfe auch Sonderfälle erfasst werden können, die bei der Erstellung des Katalogs nicht erkennbar waren; der Auffangtatbestand kann aber nicht dazu herangezogen werden, in den übrigen Nummern abschließend umrissene Sonderbautentatbestände zu erweitern.
Die Nummern 1 bis 3 erfassen bauliche Anlagen, die unabhängig von der Art ihrer Nutzung aufgrund ihrer Höhe oder Ausdehnung als Sonderbauten eingeordnet werden. Alle weiteren Typen sind differenziert nach der Art ihrer Nutzung. Garagen werden klarstellend aus dem Sonderbautentatbestand der Nummer 3 ausgenommen, da die an Garagen zu stellenden Anforderungen gesondert in der Thüringer Garagenverordnung vom 28. März 1995 (GVBl. S. 185) in der jeweils geltenden Fassung und hinsichtlich der bautechnischen Nachweise in § 65 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 geregelt sind.
In den Nummern 4 bis 8 sind Nutzungsarten aufgeführt, die nur in Kombination mit einer größeren Zahl von Personen zur Sonderbauteneigenschaft führen, wie Verkaufsstätten, Versammlungsstätten oder Großraumbüros; in diesen Fällen ist über die Flächengrößen oder, soweit möglich, über Personenzahlen eine "Einstiegsschwelle" angegeben.
Die bisherige Regelung der Nummer 7 über Versammlungsstätten im Freien mit Szenenflächen wird konkretisiert. Die Abgrenzung zwischen "Veranstaltungen im Freien" und "Versammlungsstätten im Freien" hat zu Schwierigkeiten geführt. Typische Versammlungsstätten im Freien sind Freilichttheater, Anlagen für den Rennsport oder Reitbahnen sowie Sportstadien – also ortsfeste, auf Dauer angelegte Anlagen mit tribünenartiger Anordnung der Besucherbereiche. Das Vorhandensein von Szeneflächen und Tribünen und deren Verkoppelung mit dem dauerhaften Nutzungszweck der Anlage sind Voraussetzungen, um unter die Regelung zu fallen; temporäre Veranstaltungen wie Musikfestivals auf Freiflächen werden nicht erfasst. Werden bei solchen Veranstaltungen Tribünen (und Bühnen) aufgestellt, handelt es sich um Fliegende Bauten; die Genehmigung Fliegender Bauten regelt § 75.
In Nummer 8 wird klargestellt, dass sich die Tatbestandsvoraussetzung von 40 Gastplätzen auf Plätze im Gebäude bezieht, da die bei üblichen Gaststätten mit Außenbewirtschaftung im Freien vorhandenen Plätze regelmäßig nur geringe Auswirkungen auf die Rettungswegführung oder andere bauaufsichtliche Schutzziele haben. Durch die Aufnahme von Schank- und Speisegaststätten mit mehr als 1 000 Sitzplätzen im Freien sind allerdings große Biergärten als Sonderbauten zu qualifizieren, so dass die Bauaufsichtsbehörde die Möglichkeit hat, nach § 51 besondere Anforderungen, beispielsweise im Hinblick auf eine angemessene Anzahl von Toiletten, zu stellen. Die Schwelle von 1 000 Sitzplätzen lehnt sich an den Grenzwert für Versammlungsstätten im Freien nach Nummer 7 Buchst. b an.
Die Nummern 9 bis 15 erfassen Nutzungsarten, bei denen stets mit einer größeren Anzahl von Personen zu rechnen ist, die hilfs-, betreuungs- oder erhöht schutzbedürftig sind (Krankenhäuser, Einrichtungen für Kinder, alte und Menschen mit Behinderung, Schulen und weitere).
Nach Nummer 9 haben bestimmte Gebäude mit Nutzungseinheiten Sonderbauteneigenschaft, wenn sie dem Zweck dienen, dass in ihnen Personen mit Pflegebedürftigkeit oder Behinderung gepflegt oder betreut werden.
Aus der verfahrenssteuernden Wirkung des Sonderbautenbegriffs folgt für die Errichtung dieser Nutzungseinheiten die Notwendigkeit der Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens nach § 63. Gleiches gilt für eine entsprechende Umnutzung im Gebäudebestand. Bei bestehenden Nutzungseinheiten, die keine den besonderen Nutzungszweck umfassende Baugenehmigung haben, jedoch nach Nummer 9 Sonderbauten sind, ist ein Baugenehmigungsverfahren nachzuholen. Voraussetzung für die Genehmigungsfähigkeit ist die Erstellung eines Brandschutznachweises, der nach § 65 Abs. 3 Satz 2 bauaufsichtlich geprüft sein muss.
Bei Nutzungseinheiten zum Zwecke der Pflege oder Betreuung handelt es sich um solche, die von Anfang an nur für eine solche Nutzung geschaffen werden. Somit wird beispielsweise eine Wohnung, in der aufgrund ihres Alters oder aus anderen Gründen pflegebedürftig gewordene Ehepartner weiter leben, nicht zum Sonderbau. Das Gleiche gilt bei Wohnungen, bei denen zur Aufnahme pflegebedürftiger Angehöriger besondere Einrichtungen vorgesehen werden.
Die Tatbestandsmerkmale Pflegebedürftigkeit oder Behinderung bedeuten, dass die Personen auf mindestens ambulante Pflege- oder Betreuungsdienstleistungen angewiesen sind.
Nach Buchstabe a werden Nutzungseinheiten ab sieben Personen mit Pflegebedürftigkeit oder Behinderung zu Sonderbauten, weil ab dieser Personenzahl ein Gefahrenpotential besteht, welches im Baugenehmigungsverfahren nach § 63 einer Einzelfallbeurteilung unterzogen werden muss. Bei bis zu sechs Personen ist weder die Einstufung in die Kategorie Sonderbau noch eine Nutzungsänderung anzunehmen.
Die Sonderbauteneigenschaft entsteht auch nur, wenn die Nutzungseinheiten einzeln den Schwellenwert (mehr als sechs Personen) erreichen. Durch die Eigenschaft "einzeln" soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Nutzungseinheit von ihrer baulichen Unabhängigkeit bestimmt ist, nicht durch ihre Organisationsform. In der Praxis bedeutet das beispielsweise, dass zwei baulich nicht unmittelbar verbundene Wohngemeinschaften mit jeweils sechs pflegebedürftigen oder betreuten Personen, auch im Fall ihrer organisatorischen Zusammengehörigkeit, zwei Nutzungseinheiten mit je sechs Personen bleiben. Die Sonderbautenschwelle wird in diesem Fall nicht erreicht.
Nach Buchstabe b ist der Sonderbautentatbestand immer dann erfüllt, wenn Einrichtungen oder Wohnungen über den allgemeinen Zweck der Pflege oder Betreuung hinaus darauf ausgerichtet sind, dem besonderen Zweck zu dienen, Personen mit Intensivpflegebedarf aufzunehmen, beispielsweise Menschen mit apallischem Syndrom ("Wachkoma") oder mit Beatmungsbedarf.
Nach Buchstabe c ist der Sonderbautentatbestand erfüllt, wenn 13 oder mehr Personen, die in Nutzungseinheiten zum Zwecke der Pflege oder Betreuung von Personen leben, auf einen gemeinsamen Rettungsweg angewiesen sind. Hierbei sind nur die Personen anzurechnen, die gepflegt oder betreut werden. So sind insbesondere Pfleger und Betreuer nicht hinzuzurechnen. Sinn dieser Regelung ist, dass die Zahl der Personen, die sich im Gefahrenfall nicht selbst retten können, sondern auch auf die Hilfe der Einsatzkräfte der Feuerwehr angewiesen sind, begrenzt wird, soweit nicht im Baugenehmigungsverfahren die Genehmigungsfähigkeit der Nutzung festgestellt wird.
Der Sonderbautentatbestand liegt bereits vor, wenn eines der Kriterien der Buchstaben a, b oder c erfüllt ist.
Nummer 10 bestimmt Krankenhäuser und Nummer 11 sonstige Einrichtungen zur Unterbringung oder Pflege von Personen als eigene Sonderbautenkategorien. Der Begriff "Heime", der in der Aufzählung der bisherigen Nummer 9 noch enthalten war, wurde nicht übernommen, weil dieser Begriff mit Fürsorge und Abhängigkeit assoziiert wird und nicht mehr zeitgemäß ist. Da Wohnheime aber einer Beherbergungsstätte vergleichbare Gefahren aufweisen können, werden sie in den Sonderbautenkatalog aufgenommen. Die in Nummer 11 aufgeführten sonstigen Einrichtungen zur Unterbringung oder Pflege sind Einrichtungen, die ihrer Art nach nicht bereits in den Nummern 9 und 10 aufgeführt sind. Bezogen auf die Nummer 9 bedeutet das, dass Gebäude mit Pflegewohnungen ausschließlich dann Sonderbauten sind, wenn eine der in den Buchstaben a bis c genannten Voraussetzungen erfüllt ist. Ist keine dieser Voraussetzungen erfüllt, liegt hinsichtlich dieser Nutzungseinheiten auch nicht nach der Nummer 11 ein Sonderbau vor.
Die bisher in der Nummer 10 zusammengefassten Tageseinrichtungen für verschiedene Personen werden nun differenzierter geregelt. Durch Nummer 12 werden kleinere Kindertageseinrichtungen, bei denen die Kinder in Form einer Kindertagespflege im Sinne des § 1 Abs. 2 des Thüringer Kindertageseinrichtungsgesetzes (ThürKitaG) vom 16. Dezember 2005 (GVBl. S. 365 -371-) in der jeweils geltenden Fassung betreut werden, aus dem Sonderbautenkatalog herausgenommen. Aufgrund der Hilfebedürftigkeit der Kinder wird die Gesamtzahl der in einem Gebäude anwesenden Kinder in Kindertagespflege auf zehn begrenzt. Damit ist es auch möglich, dass zwei Tagespflegepersonen gemeinsam eine Pflegeeinrichtung begründen und dabei jeweils die nach § 8 Abs. 2 ThürKitaG zulässige Zahl von Kindern betreuen.
Die Nummern 16 bis 19 erfassen bauliche Anlagen, die wegen ihrer Atypik im Baugenehmigungsverfahren (§ 63) behandelt werden sollen.
Absatz 5 bestimmt, unter welchen Voraussetzungen ein Raum als Aufenthaltsraum genutzt wird. Die Definition ist unter anderem für die Bestimmung der Gebäudeklassen (siehe Absatz 3 Satz 2), die Notwendigkeit von zwei Rettungswegen (siehe § 33 Abs. 1) und die Bestimmung von Mindesthöhen und Mindestfenstergrößen (siehe § 47) von Bedeutung.
Absatz 6 regelt die Abgrenzung von oberirdischen Geschossen und Kellergeschossen. Die Regelung hat insbesondere für die Brandschutzanforderungen Bedeutung, da in Kellergeschossen regelmäßig höhere Anforderungen gelten.
Absatz 7 definiert die Begriffe der Stellplätze und Garagen. Die Definitionen stehen im Zusammenhang mit den Anforderungen des § 49 und stellen klar, dass es um Flächen zur Aufnahme des ruhenden Verkehrs geht. Das Abstellen von vorübergehend abgemeldeten Fahrzeugen oder von Kfz-Anhängern würde daher keine Stellplatznutzung darstellen.
Absatz 8 definiert den Begriff der Feuerstätte. Erfasst werden damit nicht nur die der Raumheizung dienenden Anlagen, sondern beispielsweise auch Gaskochgeräte. Die konkreten Anforderungen werden in § 42 und in der Thüringer Feuerungsverordnung vom 10. August 2009 (GVBl. S. 745) in der jeweils geltenden Fassung geregelt.
Absatz 9 übernimmt die Definition der Barrierefreiheit aus § 4 des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) vom 27. April 2002 (BGBl. I S. 1467 -1462-) in der jeweils geltenden Fassung. Dadurch wird deutlich, dass es keinen davon abweichenden bauordnungsrechtlichen Begriff der Barrierefreiheit gibt. Die Grundanforderungen an die Barrierefreiheit regelt § 50, die Einzelanforderungen ergeben sich aus der zur Einführung als Technische Baubestimmung vorgesehenen DIN 18040.
Die Absätze 10 und 11 definieren die insbesondere für die Anwendung der §§ 17 bis 25 bedeutsamen Begriffe der Bauprodukte und Bauarten.

3. Verwaltungsvorschrift







B. Normauslegung


















Zitiervorschlag:
Müller-Grune Sven, Kommentar zur Thüringer Bauordnung, Schmalkalden 2017, § 2.





© Prof. Dr. Sven Müller-Grune



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