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Übungsszenario: Umgangsformen im Streit
A. Situation
Im Projekt Produktrelaunch eiPott, in dem die Neuauflage des erfolgreichen Geschirrs der Firma Birne zur Marktreife gebracht werden soll und das von Karl geleitet wird, kommt es zu Verzögerungen. Das für Ende Mai angepeilte Datum des Produktionsstarts ist bedroht - dies würde für das Projektteam negative Konsequenzen bedeuten. Die Projektmitglieder sind Sabine (Designerin), Martha (Mitarbeiterin aus dem Controllingbereich) und Jan (Produktion). Die Probleme und Verzögerungen sind teils auf externe Faktoren zurückzuführen, teils auf folgende Fehler im Projektteam:
- Karl als Projektleiter hat es nie geschafft, das Projektteam rechtzeitig über veränderte Anforderungen seitens der Geschäftsleitung zu informieren; deshalb wurde häufig "für die Schublade" gearbeitet;
- durch einen Fehler von Sabine (sie ist etwas chaotisch und hat die Unterlagen zu einem völlig anderen Produkt mit denen des Projekts verwechselt) wurde der erste Entwurf des Produktdesigns völlig gegen die wirklichen Vorgaben der Geschäftsleitung entwickelt, was erst nach einer Woche bemerkt wurde;
- Martha hat die Kalkulationen nach Verschiebungen im Zeitplan nicht rechtzeitig fertiggestellt und dadurch das Projekt weiter hinausgezögert;
- Jan drückt sich regelmäßig vor Projektarbeit - für ihn sind die operativen Aufgaben im Produktionsbereich vorrangig - obwohl seine Arbeitskraft und sein Wissen im Projekt dringend benötigt werden.
Sofern keine unvorhergesehenen Ereignisse eintreten, kann das Projekt innerhalb der Frist noch gerettet werden, jedoch mit größter Mühe und Not. Es gibt allerdings keine Garantie, dass dies gelingt, so dass die bis Projektende unternommenen Bemühungen auch umsonst sein können. Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt werden, wenn das Vorhaben noch gelingen soll:
- es darf nicht mehr in die falsche Richtung gearbeitet werden - jegliche Informationspannen müssen nun ausgeschlossen werden;
- die Arbeit aller Projektmitglieder muss stets pünktlich oder nach Möglich vor Termin abgeliefert werden;
- alle müssen das Projekt als erste Priorität betrachten,
- Urlaub ist bis Projektabschluss für alle gestrichen,
- Überstunden werden mit Sicherheit anfallen und müssen gestemmt werden.
B. Rolle 1: Projektleiter Karl
Die Schwierigkeiten im Projekt sind meiner Meinung nach ausschließlich darauf zurückzuführen, dass alle Mitarbeiter versuchen, die Arbeit nicht zu erledigen sondern von ihren Schreibtischen zu schieben. Die Informationen, für die in meinen Augen eine klare Holschuld der Mitarbeiter besteht, sollten erfragt werden und waren bei mir immer verfügbar. Deshalb war der unnötige Aufwand nicht durch mich verursacht.
Die Lösung sehe ich eigentlich allein darin, dass sich die Mitarbeiter deutlich für "proaktives" Mitwirken am Projekt bereiterklären, damit Kommunikation auch zu richtigen Ergebnissen führt. Eigentlich sehe ich mich als Führungskraft nicht in der Pflicht, mit anzupacken, aber bei Bedarf mache ich gleichrangig mit allen mit und mache Zugeständnisse, damit das Projekt nur realisiert wird.
Auf der emotionalen Seite fühle ich mich im Team nicht wohl - Sabine ist ein Chaot, dessen Art und Weise ich nicht leiden kann; sie ist dafür aber fleißig und kreativ - wir brauchen sie unbedingt im Team; Martha ist faul - unter dem Vorwand der Familie ("ich kann nicht so spät, weil meine Kinder allein sind") und Jan weiß nur, wie man ein Team am Fließband steuert, hat aber keine Ahnung von Projektarbeit, die eigentlich selbstverständlich vorrangig zu erledigen wäre.
Wenn mich Jan angreift, würde ich ihm gern sagen, was ich von seinem Beitrag im Projekt halte und dass ich ihn vor seinen Vorgesetzten am besten als absolut nicht teamfähig enttarnen sollte. Allerdings muss ich alles daran setzen, dass er sich beruhigt und im Projekt bleibt - ohne ihn kann ich einpacken. Zugleich muss seine Teilnahme am Projekt intensiviert werden - die von ihm noch zu erbringenden Teile sind weitgehend nicht da. Hier muss noch nachgeholt werden.
Martha ist eine gute Controllerin und ihre Produktkalkulationen sind die besten. Wäre nur nicht so faul... Das mit der Familie kann nicht wirklich stimmen - sie ist ja bei jedem Betriebsfest oder Ausflug dabei - aber wenn kein Spaß sondern Arbeit gefragt ist, muss sie am besten um 16.00 Uhr nach Hause.
Sabine ist OK, sofern sie verspricht, ihre Arbeit konzentrierter zu erledigen und einer Qualitätskontrolle durch jemand anderen zu unterziehen.
Als Leiter halte ich mich unbedingt an Regeln der Gesprächsführung.
Kurz: ich bin auf das Team angewiesen, also ist das Projektziel für mich im Vordergrund. Die Projektmitarbeiter muss ich wirksam zur Arbeit bewegen - dies muss professionell erfolgen.
C. Rolle 2: Projektmitarbeiterin Sabine
Ich langweile mich sowohl in meinem Job wie auch im Projekt. Die Arbeit ist simpler Kleinkram - ich könnte viel größere Räder drehen. Aus meiner Sicht könnte ich gleich die gesamte Produktpalette der Firma Birne umkrempeln, wenn ich nur mehr Verantwortung und Einfluss erhalte. Statt dies zu erkennen, jammert der Projektleiter Karl ständig nur über Versehen, Fristen usw. usf. Wenn es sein muss, kann ich in der Nacht nachholen, was ich tagsüber verbockt habe. Er soll mir aber endlich mehr Verantwortung und Spielraum lassen! Und etwas Vertrauen gehört auch dazu - meine Referenzen belegen, dass ich zu Höchstleistungen fähig bin.
Im Übrigen würde ich schon gern das Projekt erfolgreich abschließen - aber nur, wenn ich als eine der maßgebenden Gestalterinnen im Unternehmen bekannt werde. Sonst ist mir das Projekt egal. Und die unfähigen und faulen anderen Mitarbeiter interessieren mich insgesamt gar nicht.
Kurz: ich kann mitmachen, aber nur, wenn ich meine Anerkennung erhalte. Solange dies nicht der Fall ist, halte ich mich an keine Regeln und zeige allen, was ich von ihnen halte.
D. Rolle 3: Projektmitarbeiterin Martha
Ich arbeite gern im Projekt, jedoch gehen mir die Streber und "Workaholics" mächtig auf die Nerven. Erst warte ich tagelang auf ihre Zuarbeit, und dann, wenn ich nach Hause zu den Kindern muss, wollen Sie alles zwischen 17.00 und 21.00 Uhr erledigt haben. Unter solchen Bedingungen breche ich lieber das Projekt gezielt. Für mich zählt nur der Umstand, dass sich die angehäuften Überstunden negativ auf das Klima bei mir zu Hause auswirken. Die mir von meinem Mann geschenkte Karibik-Urlaubsreise musste ich schon mal absagen und die Kinder hatten immer öfter Probleme in der Schule in letzten Monaten.
All die Probleme können nur dann bewältigt werden, wenn ich mehr und vor allem systematischer zu Hause bin und mehr Zeit für meine Familie habe. In jedem Fall muss ich meinen Urlaub nachholen! Andererseits bin ich auch dann zufrieden, wenn:
- ich nach der Projektphase 3 Wochen Urlaub machen darf,
- an fest vereinbarten 2 Tagen in der Woche ein Arbeitsschluss um 17.00 Uhr vereinbart werden könnte.
Unter diesen Voraussetzungen kann ich notfalls an übrigen Tagen auch bis Mitternacht arbeiten, wenn ich damit den anderen Kolleginnen und Kollegen helfen kann. Ungeachtet dessen wäre mir die Beendigung der Projektarbeit lieber.
Aus meinem Team sehe ich Jan eher neutral, aber Karl und Sabine sind unmöglich - sie könnten ewig in der Arbeit sitzen, sie tun aber kaum etwas. Hier plaudern, dort mal gemeinsam rauchen - wenn sie es lassen würden, könnte die Arbeit eigentlich eher fertig werden. Ich halte mich aber an folgende Regeln der Gesprächsführung.
Kurz: Lasst mich in Ruhe - wenn Ihr aber meine Sphäre respektiert, bin ich für konstruktive Mitarbeit und Gespräch offen.
E. Rolle 4: Projektmitarbeiter Jan
Warum ich zum Projekt zugeteilt wurde, weiß ich nicht. Ich glaube, dass ich es meinem Vorgesetzten zu verdanken habe. Er hat dies veranlasst, damit er beweisen kann, dass ich meine Arbeit im Bereich nicht schaffe. Wenn ich durch das Projekt meine Aufgaben im Produktionsbereich nicht mustergültig erledige, werde ich wohl nicht befördert, was mir die Geschäftsleitung bereits in Aussicht gestellt hat. Und das ist gegenwärtig mein wichtigstes oder eigentlich einziges Ziel. Dem steht das Projekt eigentlich deutlich im Wege.
Ich will mit diesem komischen Team nichts zu tun haben - eine chaotische Designerin, die nicht weiß, was wir eigentlich entwickeln sollen, eine Mutti, die nie da ist, wenn sie benötigt wird und ein Projektleiter, der das Geschehen nicht unter Kontrolle hat. Wenn wir miteinander reden sollen, dann kann ich hier meine Meinung über den Rest vom "Team" loswerden - ich will und brauche keine gemeinsame Lösung zur Fortführung des Projekts. Das Projekt ist mir egal - sofern meine Beförderung nicht gefährdet ist.
Kurz: Angriff, keine freundlichen Reden.
CategoryKonfliktmanagement
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