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Dies ist eine alte Version von RechtderDigitalisierungHaftungserleichterungen erstellt von PaulK am 2018-08-20 10:47:03.

 

Berücksichtigung von Haftungserleichterungen des TMG


Wie bereits hier beschrieben kann es sich bei der Maschinenkommunikation innerhalb vernetzter IT- und Maschinensysteme um ein sog. Telemedium handeln. In diesem Fall können die Haftungserleichterungen, die bei der technischen Erbringung von Telemedien in §§ 7-10 TMG vorgesehen sind, zugunsten der Betreiber dieser Systeme eingreifen.

Die Grundprinzipien dieser Haftungserleichterungen sind:
  • während für die Bereitstellung oder Sendung eigener Informationen durch sog. Content-Provider uneingeschränkt gehaftet wird (§ 7 Abs. 1 TMG), kann die technische Verbreitung fremder Informationen haftungsrechtlich privilegiert sein;
  • bei der technischen Verbreitung fremder Informationen sind die Haftungserleichterungen in §§ 8-10 TMG danach gestuft, welche Eingriffsmöglichkeiten der Provider (d.h. der Anbieter der technischen Verbreitung) auf die Inhalte hat;
  • es gibt keine allgemeine Überwachungspflicht (§ 7 Abs. 2 TMG).

Abbildung: Haftungsmodell des TMG

Die Differenzierung bei der Haftung für die technische Verbreitung fremder Informationen erfolgt angesichts der Einflussmöglichkeiten auf die übermittelten Informationen durch die verschiedenen Providertypen. Dabei sind die Übergänge nicht trennscharf und viele Internet-Provider bieten mehrere oder alle der möglichen Dienstleistungen an:
  • Access-Provider sind die Diensteanbieter, die lediglich den technischen Internet-Zugang im Rahmen eines an das Internet angeschlossenen Kommunikationsnetzes anbieten; im Rahmen dieser Dienstleistung kommt es zur reinen technischen Durchleitung von Informationen mit technisch bedingten kurzzeitigen Zwischenspeicherungen (vgl. § 8 Abs. 2 TMG); die Access-Provider haben dadurch keine Kenntnis von den Inhalten, die die Nutzer über ihren Internet-Zugang bereitstellen oder abrufen; daher sind die Access-Provider nach § 8 Abs. 1 TMG von der Haftung für rechtwidrige Informationen, die sie nur durchleiten, befreit;
  • Caching-Provider sind Diensteanbieter, die durch nicht nur vorübergehende Speicherung großer Datenmengen auf zentralen Internet-Servern den Datenfluss im Internet effektiv und schnell halten; ihre Tätigkeit liegt damit im Interesse aller Internet-Nutzer; daher wird ihre Haftung für von ihnen gespeicherte rechtswidrige Inhalte trotz der Zugriffsmöglichkeiten nach § 9 TMG erleichtert; Voraussetzung ist allerdings, dass sie keinen Einfluss (insb. Veränderung) auf die Informationen nehmen (also reine Speicherung), dass sie die gespeicherten Daten aktualisieren und bei Kenntnis rechtwidriger Informationen diese unverzüglich löschen;
  • Service-Provider sind Diensteanbieter, die über technische Plattformen Nutzern die Möglichkeit zur Bereitstellung von Informationen bieten (Beispiel: eBay; Amazon); sie tragen nach § 10 S. 1 TMG Verantwortung für die Verbreitung rechtswidriger Informationen über ihre Plattform, es sei denn, dass sie keine positive Kenntnis der rechtswidrigen Informationen oder der rechtswidrigen Bereitstellung hatten bzw. diese unverzüglich nach Kenntniserlangung löschen oder den Zugang hierzu sperren.

Abbildung: Haftungsregeln für verschiedene Provider-Typen

Soweit die Betreiber vernetzter IT- und Maschinensysteme gleichzeitig auch die industriellen Nutzer dieser Systeme in Produktion und Vertrieb sind, wird eine Haftungserleichterung als Access-Provider oder Service-Provider kaum in Betracht kommen. Dieser Gesichtspunkt kann für eine gesellschaftsrechtliche Entflechtung im Sinne einer Betreibergesellschaft für die Systeme und einer oder mehrerer Nutzergesellschaften sprechen.
Soweit es um unternehmens- und konzernübergreifende Systeme geht, kann für das nicht an rechtswidriger Maschinenkommunikation beteiligte Unternehmen ggfs. die Haftungserleichterung als Service-Provider angewendet werden.
Der oben genannte Grundsatz der Überwachungsfreiheit von Kommunikation über Telemedien nach § 7 Abs. 2 TMG ist durch die Rechtsprechung mittlerweile dadurch eingeschränkt worden, dass die allgemeinen Grundsätze der sog. Störerhaftung bei technischer Beteiligung an Internet-Kommunikation von der Rechtsprechung des BGH geschärft wurden. Störer ist jeder, der ohne Täter oder Teilnehmer einer rechtswidrigen Handlung zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines absoluten Rechts beiträgt (s. BGH MMR 2008, 531, 533). Da die Bereitstellung von rechtswidrigen Inhalten im Internet nicht ohne einen Internet-Anschluss möglich ist, kann der Access-Provider damit der Störerhaftung unterfallen.
  • Die Überwachungsfreiheit nach § 7 Abs. 2 TMG bedeutet, dass ein Internet-Dienstleister die Durchleitung, Speicherung oder Bereitstellung fremder Informationen niemals präventiv kontrollieren muss. Dies bedeutet insbesondere der Verzicht auf Filtersoftware, die bei bestimmten rechtswidrigen Begriffen reagiert und eine Löschung bzw. Sperrung der mit diesen Begriffen zusammenhängenden Inhalte auslöst. Hintergrund dieser Überwachungsfreiheit ist zum einen die Abwägung der geringen Verantwortlichkeit rein technisch tätiger Provider mit den Vorteilen der Internetkommunikation für die Meinungs- und Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG. Zum anderen besteht bei zu hohen Anforderungen an die Überwachung bei vergleichsweise seltenen Fällen der rechtswidrigen Bereitstellung von Informationen bzw. Bereitstellung rechtwidriger Informationen die Gefahr, dass eigentlich erlaubte Geschäftsmodelle nicht mehr umgesetzt werden können. Ausnahmen von dieser Überwachungsfreiheit sieht die Rechtsprechung allenfalls bei mehrfachen gleichartigen Rechtsverstößen gegen den gleichen Rechtsinhaber oder bei besonderen Gefahren für die Öffentlichkeit vor.
  • Die Störerhaftung dagegen kann auch gegenüber rein technischen Providern eingreifen, weil der BGH die §§ 8-10 TMG nicht auf Unterlassungsansprüche anwenden will (BGH MMR 2008, 531, 532). Zwar hält der BGH auch dann eine präventive Prüfungspflicht grundsätzlich für nicht mit den erlaubten Geschäftsmodellen der Internetprovider für vereinbar. Dies gelte vor allem, soweit eine solche umfassende Prüfungspflicht auf rechtswidrig bereitgestellte Informationen oder bereitgestellte rechtswidrige Informationen technisch nicht möglich oder mit einem unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Aufwand verbunden ist. Bei Hinweisen auf eine Rechtswidrigkeit besteht aufgrund der Störerhaftung allerdings die Pflicht zur unverzüglichen Löschung oder Sperrung dieser Inhalte (vgl. § 10 TMG). Soweit mehrfache gleichgelagerte Verletzungen gegenüber dem gleichen Rechtsinhaber erfolgen, kann aber auch ein präventiv wirkendes Filtersystem im Rahmen der Störerhaftung gefordert werden.

Abbildung: Überwachungsfreiheit und Störerhaftung

BGH, U..v. 30.04.2008 – I ZR 73/05: Internetversteigerung III
(…) Die Kl. zu 1 stellt Uhren her, die weltweit unter der Bezeichnung „ROLEX” vertrieben werden. Die Uhrwerke fertigt die Kl. zu 2. Die Uhren tragen auf dem Ziffernblatt und auf der Armbandschließe die Bezeichnung „ROLEX” und das Bildemblem einer stilisierten fünfzackigen Krone. (…) Die Bekl. betrieb eine Internetplattform. Auf der Grundlage ihrer AGB veranstaltete sie u.a. Fremdauktionen im Internet, bei denen sie zum einen privaten oder gewerblich tätigen Anbietern die Gelegenheit bot, Waren im Internet anzubieten, und zum anderen Interessenten den Zugriff auf die Versteigerungsangebote eröffnete. Bei den auf der Plattform der Bekl. veranstalteten Fremdauktionen wurden auch mit den Marken der Kl. versehene Uhren angeboten. Z.T. handelte es sich dabei um Fälschungen, was teilweise schon aus den Angeboten ersichtlich war. Die Kl. sehen in dem Vertrieb der gefälschten Uhren eine Verletzung ihrer Marken, für die auch die Bekl. hafte. Dieser sei es technisch möglich und zumutbar gewesen, eine Nutzung der markenverletzenden Angebote zu verhindern. Die Kl. haben die Bekl. zunächst auf Unterlassung und Auskunftserteilung in Anspruch genommen und die Feststellung der Verpflichtung der Bekl. zur Zahlung von Schadensersatz begehrt. Die Bekl. ist der Klage entgegengetreten. Sie hat ein Handeln der Anbieter der Einzelstücke im geschäftlichen Verkehr in Abrede gestellt und geltend gemacht, die Angebote seien automatisch ins Internet gestellt worden, ohne dass sie hiervon Kenntnis genommen habe. (…)
Aus den Gründen: (…)
Die Revision der Bekl. und die Anschlussrevision der Kl. haben nur z.T. Erfolg. Den Kl. steht gegen die Bekl. als Störerin wegen des Angebots gefälschter „ROLEX”-Uhren auf deren Internetplattform ein Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5 MarkenG i.V.m. § 1004 BGB analog nach dem von den Kl. im Revisionsverfahren verfolgten Hilfsantrag beschränkt auf die konkrete Verletzungsform zu. (…)
Ob den Kl. ein Unterlassungsanspruch zusteht, ist nach dem zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht zu beurteilen. Der Senat hat im ersten Revisionsurteil entschieden, dass das Haftungsprivileg der §§ 11 Abs. 1 TDG 2001 auf Unterlassungsansprüche keine uneingeschränkte Anwendung findet (…). Durch das am 1.3.2007 in Kraft getretene TMG v. 26.2.2007 (BGBl. I, S. 179) hat sich daran nichts geändert (…)
4. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Bekl. als Störerin für die in Rede stehenden Markenverletzungen bejaht hat.
a) Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des absoluten Rechts beiträgt (…). Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der Rspr. des Senats die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (…). Nach dem Senatsurteil v. 11.3.2004 (…) muss die Bekl. immer dann, wenn sie auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist, nicht nur das konkrete Angebot unverzüglich sperren. Sie muss vielmehr auch Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Markenverletzungen kommt.
b) Das Berufungsgericht hat i.E. zu Recht angenommen, dass es auf der Internetplattform zu klaren Markenverletzungen Dritter in der Vergangenheit gekommen ist (...). Es ist weiter davon ausgegangen, dass der Bekl. nach ihrer Pressemitteilung v. 22.11.1999 Verletzungen der Marken der Kl. zeitlich vor den in Rede stehenden Angeboten bekannt gewesen sind und die Bekl. deshalb weitere Rechtsverletzungen hätte verhindern müssen. (...) Die Bekl. hätte (...) die vor der Pressemitteilung bekannten Fälle zum Anlass nehmen müssen, Angebote von „ROLEX”-Uhren einer besonderen Prüfung zu unterziehen. Dass dies geschehen ist, die unter B.I.3. angeführten klar erkennbaren Markenverletzungen gleichwohl nicht erfasst werden konnten, hat die Bekl. (...) nicht dargelegt. Gegenteiliges zeigt auch die Revision nicht auf.
c) Die Bekl. haftet als Störerin allerdings nur, soweit sie keine zumutbaren Kontrollmaßnahmen ergreift, während ein Verstoß gegen das Unterlassungsgebot nicht gegeben ist, wenn schon keine Markenverletzungen vorliegen oder die Markenverletzungen nicht mit zumutbaren Filterverfahren und eventueller anschließender manueller Kontrolle der dadurch ermittelten Treffer erkennbar sind (…). Die Bekl. ist deshalb in einem Ordnungsmittelverfahren nicht gehindert, etwa geltend zu machen, dass ein Handeln der Anbieter im geschäftlichen Verkehr trotz zahlreicher „Feedbacks” auf Grund bestimmter Umstände gleichwohl nicht vorlag oder Markenverletzungen trotz des Einsatzes zumutbarer Filterverfahren und eventueller anschließender manueller Kontrolle nicht erkennbar waren. Sind die Markenverletzungen nicht erkennbar, obwohl die Bekl. die ihr zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, liegt ein mit Ordnungsmitteln zu ahndender Verstoß gegen das Unterlassungsgebot mangels Verschuldens nicht vor (…)
abgedruckt in MMR 2008, 531 ff..
Der Volltext kann auch beispielhaft hier [externer Link] nachgelesen werden.

Insbesondere bei Vernetzung von IT-Systemen und Maschinen über eine Vielzahl von Unternehmen kann daher – jedenfalls bei der Gefahr einer Verarbeitung oder Speicherung fremder rechtswidriger Daten – die Installationen von Filtersystemen sinnvoll sein. Letztendlich ist dies aber eine wirtschaftliche Frage in Abwägung zur Möglichkeit von Haftungsfällen.


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Autor: Prof. Dr. Ulf Müller

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