Wissensdatenbank Wirtschaftsrecht

image4
image3
image2
image1
 Alle Kategorien:
  Forschungsdatenbank
  Lehrveranstaltungen
  Lexikon
  Literatur
  Rechtsgebiete
  Rechtsprechung
  Service
  Studium F H S
  Wissensmanagement
ich war hier: ProbeklausurWIPR1VertauschteAngebote

Version [102276]

Dies ist eine alte Version von ProbeklausurWIPR1VertauschteAngebote erstellt von WojciechLisiewicz am 2025-01-14 08:35:23.

 

Probeklausur WIPR I

Missglückte Bestellung von Hebebühnen durch vertauschte Angebote

Sachverhalt


Auf Anfrage des Werkstattinhabers W sendet der Hersteller von Hebebühnen H am 5. 7. drei Vorschläge für eine für die Werkstatt des W geeignete Hebeanlage für PKWs. Die Varianten 1 bis 3 würden 3.500,- EUR (1), 4.500,- EUR (2) oder 5.500,- EUR (3) kosten und hätten unterschied­liche Aus­stattung. H vermerkt auf den Vorschlägen, dass sie nur bis 20. 7. gültig sind.

W bittet seinen 19-jährigen Azubi A, die von W unterzeichnete Bestellung zu Variante 1 dem H bis spätestens 19. 7. persönlich vorbeizubringen. W gibt A alle Unterlagen mit. A erinnert sich daran erst am 20. 7. Um 16.00 Uhr und rennt sofort zu H. Dort trifft er um 17.00 Uhr nur noch eine Reinigungskraft R, die auf selbständiger Basis die Büros des H aufräumt. Sie wundert sich, was A von ihr will, aber nimmt die Papiere entgegen und verspricht, sie dem H unverzüglich zu geben. Dabei vertauscht A allerdings die Angebote so, dass die Seite mit Unterschrift des W zusammen mit Variante 3 (Preis 5.500,- EUR) abgegeben wird.

R gibt die von A überreichten Papiere dem H am 22. 7. H liefert die Hebebühne für 5.500,- EUR am 30. 7. Als W am 31. 7. die Rechnung sieht, verweigert er die Zahlung – er hätte die Variante für 3.500,- EUR bestellt.

Frage

Wie ist die Rechtslage?



Vorgehensweise

Frage: Rechtslage?
Die zu prüfenden, denkbaren Ansprüche sind sinnvoll auszuwählen und in sinnvoller Reihenfolge zu prüfen. Streitig ist, welcher Gegenstand bestellt wurde und auch welcher Preis zu zahlen ist. Da der Preis das Merkmal des Vertrages zu sein scheint, bei dem die Meinungen am deutlichsten auseinandergehen, ist wohl mit dem Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises von 5.500,- zu starten (Interesse des Verkäufers) und danach die übrigen Ansprüche zu prüfen, die je nach Ausgang des ersten sinnvoll erscheinen.

Je nach Ergebnis kann anschließend auf den Anspruch auf Lieferung der vom Käufer gewünschten Hebebühne eingegangen werden und diese Prüfung mit Verweis nach oben etwas kürzer ausfallen. Sollte Anspruch auf Kaufpreis von 5.500,- EUR gegeben sein, dann ist die Hebebühne für 3.500,- nicht geschuldet (kurz prüfen und bei Einigung darauf eingehen). Der Anspruch auf Lieferung der für 5.500,- ist bereits erfüllt.

Besteht der Vertrag nicht, ist ein Anspruch auf 1) 985 BGB und 2) 812 zu prüfen.

Es scheint hier ein Problem
  • bei Vertragsabschluss
  • inkl. Beteiligung Dritter Personen bei Abgabe der WE
  • bei Willensmängeln
zu bestehen.
Darauf ist auf jeden Fall Bezug zu nehmen.

Wichtig:
Wenn wir bei Prüfung des Primäranspruchs auf Vertragserfüllung irgendwo frühzeitig (Beispiel: bereits bei Vertragsschluss) feststellen, dass dieser Anspruch nicht entstanden ist, stellt sich die Frage, was wir mit restlichen Problemen tun sollten: zum Beispiel bleiben dann Themen einer möglichen Anfechtung unbehandelt.
Für diesen Fall besteht die Möglichkeit eines Hilfsgutachtens - dieses können Sie mit der Bemerkung anfertigen, dass der Anspruch nicht besteht, hilfsweise aber auch noch ein weiteres Problem - das der Anfechtung - geprüft wird. Sozusagen zweiter Boden als Argument für das Scheitern des Anspruchs, was Sie aber ohne Rücksicht auf die Prüfung vorher erläutern.


Musterlösung


A. Anspruch H gegen W aus § 433 Abs. 2 BGB
H könnte einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises i. H. v. 5.500,- EUR gegen W gem. § 433 Abs. 2 BGB haben. Dies ist dann der Fall, wenn H den Anspruch erworben, nicht verloren hat und dieser durchsetzbar ist.

1. Anspruchserwerb
H könnte den Anspruch erworben haben. Dies ist der Fall, wenn H und W einen wirksamen Kaufvertrag i. S. d. § 433 BGB abgeschlossen haben. Dieser Vertrag muss auch einen Kaufpreis von geforderten 5.500,- EUR vorgesehen haben.

a. Vertragsschluss
Es könnte ein Vertragsschluss vorliegen. Dies setzt voraus, dass einerseits ein Angebot vorliegt, andererseits eine darauf bezogene Annahme, das Angebot bei Annahme bindend war und zwischen den Erklärungen Konsens besteht.

(1) Angebot seitens W
Die im Sachverhalt erwähnte Anfrage des W an H, die H mit 3 Vorschlägen beantwortet hat, enthält noch keine hinreichenden Inhalte eines eventuelles Angebotes. Die Anfrage ist demzufolge kein Angebot i. S. d. §§ 145 ff. BGB.

(2) Angebot seitens H
Ein Angebot könnte in Form der 3 vorgeschlagenen Varianten von Hebebühnen seitens H vorliegen. Dies setzt eine Willenserklärung mit dem Inhalt Antrag voraus, die abgegeben und zugegangen ist.

(a) Willenserklärung des H
Eine Willenserklärung seitens H könnte vorliegen. Eine Willenserklärung liegt vor, wenn H mit seinem Handeln den inneren und äußeren Tatbestand der Willenserklärung erfüllt hat. H hat dem W drei Vorschläge mit konkreten Hebebühnen jeweils mit einem Preis versehen unterbreitet. Dabei nennt er auch ein Datum, bis zu dem H diese Vorschläge für W umzusetzen bereit ist. Dies stellt eine - auch wenn mit drei Varianten versehene - Erklärung des Willens, dass jedenfalls eine von den Bühnen verkauft werden soll. Eine solche Handlung ist eine rechtsverbindliche Willenserklärung.

(b) Inhalt Antrag
Die 3 Varianten des H sollen die Möglichkeit schaffen, einen Kaufvertrag abzuschließen. Sie sind inhaltlich auch ein Angebot.

(c) Abgabe und Zugang
Die Erklärung müsste H auch abgegeben haben und sie müsste dem W auch zugehen. H sendet die 3 Varianten dem W zu. Im Sachverhalt ist davon die Rede, dass W darauf auch Bezug nimmt. Dies bedeutet also, dass H die Erklärung mit den 3 Varianten abgegeben hat und sie dem W auch zugegangen ist.

(d) Zwischenergebnis
Die 3 Varianten, die H dem W zugesendet hat, stellen ein Angebot zum Verkauf einer (von den drei) Hebebühne dar.

(3) Annahme durch W
W könnte das Angebot des H angenommen haben. Dies setzt eine Willenserklärung des W voraus, die inhaltlich eine Annahme darstellt, sie abgegeben wurde und dem Adressaten zugegangen ist.

(a) Willenserklärung mit dem Inhalt Annahme
W könnte durch Auswahl der Variante 1 eines der Angebote von H angenommen haben. Er unterzeichnet eine Bestellung zu Variante 1 und bringt damit zum Ausdruck, dass er die Hebebühne für 3.500,- EUR kaufen will. Damit liegt eine Annahmeerklärung vor.

(b) Abgabe
W könnte die Annahmeerklärung auch abgegeben haben. Dies ist durch W persönlich oder mithilfe eines Dritten möglich. Eine persönliche Abgabe der Erklärung durch W fand nicht statt.
W könnte die Erklärung mithilfe eines Boten (A) abgegeben haben. Dies setzt voraus, dass W A als Boten eingesetzt hat und dieser die Erklärung so auf den Weg gebracht hat, dass mit Zugang zu rechnen ist.
W hat A die unterzeichnete Bestellung gegeben und ihn darum gebeten, sie dem H bis zum 19. 7. zu übermitteln. Damit hat W A als Boten eingesetzt. A ist zum H zwar erst am 20. 7. gegangen, die Erklärung dort aber abgeliefert. Problematisch ist, dass er sie nicht H persönlich, sondern der Reinigungskraft R gab. Diese verspricht dem A jedoch, die Erklärung weiterzugeben, so dass mit Zugang (jedenfalls irgendwann) zu rechnen ist.






Diese Seite wurde noch nicht kommentiert.
Valid XHTML   |   Valid CSS:   |   Powered by WikkaWiki