Lernverhalten
A. Bedeutung des richtig Lernens im Studium
Viele Studienanfänger haben in der Schule wissenschaftliches Arbeiten nicht gelernt. In der Schule unterrichtet man zwar Einzelfächer wie Mathematik, Deutsch, Englisch, Physik oder Kunst. Kaum ein Fachlehrer fühlt sich jedoch für das übergreifende Thema „Lernen lernen“ zuständig. Die Naturtalente unter den Schülern können lernen. Die anderen wursteln sich durch, mit mehr Anstrengung als nötig wäre – oder sie scheitern. Für das Studium genügt Durchwursteln nicht, man braucht effiziente Lese- und Lerntechniken. Als Studierender profitiert man, weil man dasselbe Ziel mit weniger Aufwand erreicht oder man mit demselben Aufwand mehr erreicht. Als Lehrender profitiert man, weil gut organisierte Studierende besser und schneller lernen. Das Studium ist eine eigenständige Lebensphase, es ist keine bloße Weiterführung der Schullaufbahn, ebenso wenig ist das Studium lediglich eine Vorbereitung auf das spätere Berufsleben. Studere (lateinisch) bedeutet „sich ernsthaft um etwas bemühen“. Studieren ist nicht passives Aufnehmen, sondern aktives Gestalten, und das in erheblich größerem Umfang als es die Schule erfordert. Das Studium bietet mehr Freiräume als die Schule und erfordert daher mehr Selbstdisziplin und die Fähigkeit zur Selbststrukturierung der Lernprozesse sowie mehr Eigeninitiative. Ohne Mühe und Anstrengung geht es daher nicht. Mit falschen Lerntechniken führt aber auch Anstrengung nicht ans Ziel. Man benötigt für Erfolg in Prüfungen beides: Anstrengungsbereitschaft und gute Lerntechniken.
B. Voraussetzungen
Die kognitive Leistungsfähigkeit hängt nicht ausschließlich von der Intelligenz ab. Wer ein geringes Selbstwertgefühl hat, traut sich vieles nicht zu, probiert vieles nicht und schafft vieles genau deshalb nicht. Und das, obwohl die erforderlichen Fähigkeiten möglicherweise vorhanden gewesen wären. Wer emotional nicht ausgeglichen ist, benötigt seine Energie, um sich selbst zu stabilisieren. Intelligenz ist für Leistung daher notwendig, aber nicht hinreichend. Folgende Einflussfaktoren auf die kognitive Leistungsfähigkeit können sein:
- Konzentrationsfähigkeit
- Intelligenz
- Motivation
- Emotionale Stabilität
- Selbstwertgefühl
- Arbeitstechnik / Lerntechnik
- Physiologische Bedingungen
- Soziales Umfeld
Selten sind alle diese Einflussfaktoren optimal ausgeprägt. Wichtig ist, dass die Positivfaktoren überwiegen und dass ein Minimum an Motivation vorhanden ist.
C. Mögliche Störungsfaktoren
Fehlende Motivation, Unterforderung, Langeweile:
Auf Aufgaben, für die man sich überhaupt nicht interessiert, kann man sich nur schwer konzentrieren. In solchen Fällen liegt der Ansatzpunkt für eine Verbesserung in der Motivation, nicht in der Konzentrationsfähigkeit.Schlechte Tageseinteilung:
Wer während seines biologischen Leistungstiefs lernt oder wer ohne Pausen lernt, dessen Konzentration ist zwangsläufig gering. Dieses Problem kann man durch geplantes Lernen entschärfen.Dauerstress oder eine angegriffene Gesundheit:
Eine mögliche Stressursache ist Überforderung. Wer sich aktuell unerreichbare Ziele setzt, produziert Stress. Unabhängig davon, wodurch Stress im Einzelfall ausgelöst wird, sinkt die Leistungsfähigkeit unter starkem Stress erheblich.Ablenkungen und Unterbrechungen:
Wer zuviel gleichzeitig versucht, wird nichts vollenden. Man kann nicht gleichzeitig lernen, Radio hören, essen und telefonieren. Die Konzentrationsfähigkeit jedes Menschen hat Grenzen. Unterbrechungen reißen einen aus dem Lernen heraus und man benötigt einen erneuten Anlauf, um wieder in das Lernen einzusteigen.Schlechte Lernatmosphäre:
Man braucht einen ruhigen Arbeitsplatz, an dem man sich wohl fühlt. Die wichtigen Hilfsmittel müssen bereit liegen.Weitere können sein:
LärmSchlafmangel
Akzeptanz der Arbeitzeit durch Freunde/Familie
D. Lernprobleme aus Angst
Es gibt noch eine weitere Gruppe von Gründen, sich nicht ans Lernen zu machen. Die Angst, es nicht zu schaffen. Am Ende jeden Lernens steht eine Prüfung in irgendeiner Form. Das, was ich gelernt habe, muss ich präsentieren. Und viele haben Angst, sich zu präsentieren, haben Angst, dass sie nicht gut genug sind. So kann Nicht-Lernen ein Vermeidungsverhalten sein, um damit die Konsequenz des Lernens - nämlich die Prüfung - zu vermeiden. Leider sind uns diese Ängste nicht immer bewußt. Hier hilft nur, sich selbst zu fragen, ob man vor den Konsequenzen der Arbeit, d.h., sich der Kritik in Form von Prüfungen zu stellen, Angst hat. Bleibt diese Angst unbewusst, wird sie einen immer wieder am Lernen hindern, etwa in Form von „heute läuft's nicht“ etc..
E. Umgang mit „Lernstörern“
Es gibt also eine ganze Menge von Gründen, die verantwortlich sind für das „Vor-sich-herschieben": Probleme, die einen beschäftigen, andere Interessen und Ängste vor dem, was am Ende des Lernens steht. Für das Lernen sind letztlich aber nicht diese Störfaktoren das eigentliche Problem, sondern dass uns die Störfaktoren nicht bewusst sind, ja, dass wir sie wegschieben. In allererster Linie geht es deswegen darum, sich diese Störfaktoren bewusst zu machen. Dies ist schwieriger als es auf den ersten Blick aussieht, denn es gibt ja gute Gründe, dass uns diese Störfaktoren nicht bewusst sind. Probleme und Ängste bewusst zu machen hat zur Konsequenz, sich mit ihnen auseinander setzen zu müssen. Probleme und Ängste werden ja gerade deswegen verdrängt, um diese Auseinandersetzung zu vermeiden. Deshalb kann es durchaus schwierig sein, Probleme und Ängste zu fassen, obwohl dies unter Umständen notwendig wäre, um sich auf das Lernen konzentrieren zu können.
Am Anfang einer Auseinandersetzung mit Lernstörungen steht die Selbstwahrnehmung, dass es mit dem Lernen nicht vorwärts geht. Sich dies einzugestehen erfordert schon eine gehörige Portion Kraft und Mut, weil ja nicht sein kann, was nicht sein darf. Hat man aber dies erkannt, ist die zweite Frage: Was hindert mich zu lernen? Die dritte Frage ist dann: Wie gehe ich nun mit der Situation um? Dabei muss die Entscheidung nicht zugunsten des Lernens ausfallen. Es mag durchaus sein, dass es gerade wichtiger ist, ein Beziehungsproblem zu klären oder auch andere Interessen in den Vordergrund zu stellen. Wichtig ist, dass man ehrlich sich selbst gegenüber ist und sich selbst ernst nimmt. Dann ist es möglich, die richtige Entscheidung zu treffen, deren Grundlagen dann transparent sind, und die unter Umständen wieder revidiert werden kann.
F. Quellen
Sven Max Litzcke, Ruth Linssen: Studieren lernen. Arbeits- und Lerntechniken, Prüfungen und Studienarbeiten. Brühl/Rheinland 2008, ISBN 978-3-938407-25-7
Karlsruher Institut für Technologie - Lernbroschüre: Information Lernen in Studium, 2008
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