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Internationaler Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht II
Fall 3 - Richtlinie zum Vermiet- und Verleihrecht
Dem Gerichtshof wird die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Steht Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2006/115/EG, wonach zumindest die Urheber eine Vergütung für das öffentliche Verleihen erhalten müssen, einer nationalen Bestimmung entgegen, die als Vergütung einen Pauschalbetrag von 1 Euro je Erwachsenen und Jahr und von 0,50 Euro je Minderjährigen und Jahr festlegt? |
LösungDie Festlegung der Vergütung ist zulässig, wenn sie im Einklang mit der Richtlinie 92/100/EWG steht. Nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 92/100/EWG verfügen die Urheber über ein ausschließliches Recht, das Verleihen zu erlauben oder zu verbieten. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 92/100/EWG ermächtigt jedoch die Mitgliedstaaten, von diesem ausschließlichen Recht für das öffentliche Verleihen abzuweichen. Da die Umsetzung dieser möglichen Ausnahme das ausschließliche Recht der Urheber beeinträchtigt, da ihnen ihr Recht genommen wird, eine genaue Form des Verleihens zu erlauben oder zu verbieten, ist diese Möglichkeit von der Voraussetzung abhängig, dass die Urheber eine Vergütung für dieses Verleihen erhalten. Für die Frage, wem die Entrichtung der den Urhebern der im Fall des öffentlichen Verleihens geschuldeten Vergütung obliegt, ist entscheidend, dass das Verleihen nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 92/100/EWG als zeitlich begrenzte Gebrauchsüberlassung definiert wird, die nicht einem wirtschaftlichen oder kommerziellen Nutzen dient und durch der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtungen vorgenommen wird. Von dieser Definition und dem Ziel dieser Richtlinie kann hergeleitet werden, dass die Gebrauchsüberlassung bestimmter Gegenstände deren Verleihen ermöglicht und nicht erst das tatsächliche Entleihen bestimmter Gegenstände durch die bei diesen Einrichtungen eingetragenen Personen, das den die Verpflichtung, die den Urhebern geschuldete Vergütung zu zahlen, auslösenden Vorgang darstellt. Es obliegt daher grundsätzlich den diese Gebrauchsüberlassung vornehmenden Einrichtungen, die den Urhebern geschuldete Vergütung zu zahlen. Dieses Ergebnis wird implizit durch Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 92/100/EWG bestätigt, der die Mitgliedstaaten ermächtigt, bestimmte Kategorien von Einrichtungen von der Zahlung der Vergütung auszunehmen. Der Begriff der Vergütung ist in der gesamten Gemeinschaft autonom und einheitlich auszulegen, wobei diese Auslegung unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und des mit der Regelung verfolgten Zweckes zu erfolgen hat. Zwar hat der Gesetzgeber im Rahmen der Richtlinie 92/100/EWG den Begriff „Vergütung” an Stelle des in der Richtlinie 2001/29 vorgesehenen Begriffs „Ausgleich” verwendet, wenn er Ausnahmen vom ausschließlichen Recht der Urheber geregelt hat. Allerdings soll mit diesem Begriff „Vergütung” auch eine Entschädigung für die Urheber eingeführt werden, denn sie erfolgt in einer vergleichbaren Situation, da die Werke im Rahmen des öffentlichen Verleihs ohne die Erlaubnis der Urheber genutzt werden und diesen auf diese Weise einen Schaden verursachen. Ferner erwähnt Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 92/100/EWG nur eine „Vergütung”, während Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie in Bezug auf die Vermietung systematisch von einer „angemessenen Vergütung” spricht. Die Höhe der Vergütung ist anhand des wirtschaftlichen Wertes der Nutzung eines geschützten Gegenstands zu ermitteln. Was im Einzelnen die Kriterien für die Festlegung des Betrags der den Urhebern im Fall des öffentlichen Verleihens geschuldeten Vergütung angeht, ist zu beachten, dass es keine objektive Rechtfertigung dafür gibt, die Festsetzung einer einheitlichen angemessenen Vergütung im Einzelnen zu regeln. Sonst würde sich die EU an die Stelle der Mitgliedstaaten setzen, denen die Richtlinie 92/100/EWG kein bestimmtes Kriterium vorgibt. Daher ist es allein Sache der Mitgliedstaaten, in ihrem Hoheitsgebiet die sachnahen Kriterien festzulegen, um innerhalb der vom Gemeinschaftsrecht, insbesondere der Richtlinie 92/100/EWG, gezogenen Grenzen die Beachtung dieses Gemeinschaftsbegriffs zu gewährleisten. Da jedoch, wie in den Rdnrn. 28 und 29 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, die Vergütung die Gegenleistung für den Urhebern durch die ohne ihre Genehmigung erfolgte Nutzung ihrer Werke entstandenen Schaden ist, kann die Festsetzung des Betrags dieser Vergütung nicht völlig von den Faktoren, aus denen sich ein solcher Schaden zusammensetzt, getrennt werden. Da der Schaden auf dem öffentlichen Verleihen, d.h. der Gebrauchsüberlassung geschützter Werke durch der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtungen, beruht, sollte der Betrag der Vergütung dem Umfang dieser Gebrauchsüberlassung Rechnung tragen. Die Beeinträchtigung der Urheberrechte ist umso größer, je größer die Zahl der geschützten Objekte ist, die durch eine öffentliche Verleiheinrichtung zum Gebrauch überlassen werden. Somit müsste der Betrag der von einer solchen Einrichtung zu entrichtenden Vergütung die Zahl der der Öffentlichkeit zum Gebrauch überlassenen Gegenstände berücksichtigen, so dass die größeren öffentlichen Verleiheinrichtungen eine höhere Vergütung zahlen müssten als die kleineren Einrichtungen. Ferner erweist sich das betroffene Publikum, nämlich die Zahl der bei einer Verleiheinrichtung eingetragenen Entleiher, als ebenso erheblich. Je größer nämlich die Zahl der Personen ist, die Zugang zu den geschützten Gegenständen haben, desto stärker ist die Beeinträchtigung der Urheberrechte. Daher muss der Betrag der an die Urheber zu entrichtenden Vergütung auch unter Berücksichtigung der Zahl der bei dieser Einrichtung eingetragenen Entleiher festgesetzt werden. Somit trägt die Gebührenfestlegung weder dem Umfang des den Urhebern entstandenen Schadens ausreichend Rechnung noch dem Grundsatz, dass diese eine Vergütung erhalten müssen, die einem angemessenen Einkommen entspricht. (vgl. EuGH, U. v. 30. 6. 2011 – Rs. C-271/10, abgedruckt in GRUR 2011, 913) |
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