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Internationaler Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht II


Fall 1 - Furyo



Die in London niedergelassenen englischen Glinwood Films Ltd. übertrug den Verleih und die ausschließliche Verwertung des Films „Furyo“ in Filmtheatern im März 1983 der französischen Firma A.A.A. Für den Film wurde die Genehmigung zur Verwertung in Filmtheatern im Sinne des Artikels 89 des Gesetzes Nr. 82-652 am 28. Juni 1983 erteilt. Einen Monat später räumte die Firma Glinwood einer anderen französischen Firma, der Cinéthèque S.A., eine Exklusivlizenz zur Herstellung und zum Vertrieb von Videokassetten desselben Films vom 1. Oktober 1983 an ein; diese Lizenz galt für Belgien, Frankreich und die Schweiz. Die Firma Cinéthèque verpflichtete sich, an die Firma Glinwood eine Vergütung von 500 000 FF zu zahlen. Nachdem sie auch die Genehmigung der Firma A.A.A. erhalten hatte, nahm die Firma Cinéthèque von dem vereinbarten Zeitpunkt an die Herstellung und den Vertrieb der Kassette des Films tatsächlich auf. Im Oktober 1983 wurde die Ausübung dieser Tätigkeiten durch eine einstweilige Verfügung beeinträchtigt, durch die die Fédération Nationale des Cinémas Français auf ihren Antrag hin ermächtigt wurde, alle von der Firma Cinéthèque vertriebenen und von Wiederverkäufern und Einzelhändlern zum Kauf angebotenen Videoträger des Films "Furyo" zu beschlagnahmen. Die Firmen Cinéthèque und Glinwood riefen das Tribunal de grande instance Paris an und beantragten die Aufhebung der ergriffenen Maßnahmen sowie die Feststellung, daß Art. 89 des Gesetzes 82-652 und die Durchführungsverordnung vom 4. Januar 1983 gegen die Art.34, 36 AEUV verstoßen.

Nach Art. 89 des französischen Gesetzes Nr. 82-652 vom 29. Juli 1982 über die audiovisuelle Kommunikation (J.O.R.F. vom 20. Juli 1982, S. 2431) darf ein Filmwerk, das in Filmtheatern verwertet wird, nicht gleichzeitig vor Ablauf einer durch Dekret festzulegenden Frist von sechs bis achtzehn Monaten in Form von Trägern, die zum Verkauf oder Verleih für den allgemeinen Privatgebrauch bestimmt sind, insbesondere nicht in Form von Videokassetten oder Videoplatten, verwertet werden. Diese Vorschrift bestimmt, dass die Frist mit der Erteilung der Genehmigung zur Verwertung in Filmtheatern beginnt und dass unter durch Dekret festzulegenden Voraussetzungen Ausnahmen zugelassen werden können.

Können Glinwood und Cinéthèque erfolgreich gegen die ergriffenen Maßnahmen vorgehen?



Lösung


Glinwood und Cinétheque sind erfolgreich, wenn Art. 89 des französischen Gesetzes vom 29. Juli 1982, ergänzt durch das Dekret vom 4. Januar 1983, der die Verbreitung von Filmwerken in der Weise regelt, die er durch das Verbot der gleichzeitigen Verwertung von Filmen in Filmtheatern und in Form von Videokassetten während - von Ausnahmen abgesehen – eines Jahres den Übergang von einer Art der Verbreitung zu einer anderen festlegt, mit den Artikeln 30 und 36 AEUV über den freien Warenverkehr unvereinbar ist.

Die streitige Regelung gehört zu einer Gruppe von Bestimmungen, die in den meisten Mitgliedstaaten in vertraglicher, administrativer oder legislativer Form und in unterschiedlichen Anwendungsbereichen angewandt werden, die aber alle das Ziel haben, die Verbreitung von Filmen auf Videokassetten in den ersten Monaten nach der Vorführung in Filmtheatern hinauszuzögern, um die Verwertung in Filmtheatern zu schützen, die für die Rentabilität der Filmproduktion gegenüber der Verwertung durch Videokassetten als wesentlich angesehen wird. Sodann ist zu bemerken, dass der Vertrag die Beurteilung der Notwendigkeit einer derartigen Regelung, der Form, die diese Regelung annehmen soll, sowie der Fristen, die gegebenenfalls vorzuschreiben sind, grundsätzlich den Mitgliedstaaten überlässt. Eine derartige Regelung, wenn sie ohne Unterschied für im Inland hergestellte und für eingeführte Videokassetten gilt, keine Lenkung der Handelsströme bezweckt; sie begünstigt nicht die inländische Produktion gegenüber der Produktion der anderen Mitgliedstaaten, sondern fördert die Filmproduktion als solche.

Die Anwendung einer derartigen Regelung kann jedoch wegen der Unterschiede zwischen den in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Systemen und den Voraussetzungen, unter denen die Filme dort in Filmtheatern vorgeführt werden, zu Behinderungen des innergemeinschaftlichen Handels mit Videokassetten führen. Unter diesen Umständen ist ein in dieser Regelung enthaltenes Verwertungsverbot nur dann mit dem im Vertrag vorgesehenen Grundsatz des freien Warenverkehrs gem. Art. 30 AEUV vereinbar, wenn die etwaigen Behinderungen, die es im innergemeinschaftlichen Handel verursacht, nicht über das hinausgehen, was notwendig ist, um das angestrebte Ziel zu erreichen, und wenn dieses Ziel nach dem Gemeinschaftsrecht gerechtfertigt ist. Eine derartige Rechtfertigung kann einer nationalen Regelung nicht abgesprochen werden, die, um die Schaffung von Filmwerken unabhängig von ihrem Ursprung zu fördern, darauf abzielt, während eines begrenzten Anfangszeitraums die Verbreitung dieser Werke vorrangig der Verwertung in Filmtheatern vorzubehalten (vgl. Art. 36 AEUV).

Art. 30 AEUV in dem Sinne auszulegen ist dass er nicht für nationale Rechtsvorschriften gilt, die die Verbreitung von Filmwerken in der Weise regeln, dass sie eine zeitliche Staffelung für den Übergang von einer Vertriebsform zur anderen durch das Verbot einführen, diese Werke während eines begrenzten Zeitraums durch die Vorführung in Filmtheatern und durch die Verbreitung von Videokassetten gleichzeitig zu verwerten, wenn ein derartiges Verbot ohne Unterschied für die im Inland hergestellten und für die eingeführten Videokassetten gilt und wenn die etwaigen Behinderungen des innergemeinschaftlichen Handels, die sich aus seiner Anwendung ergeben können, nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um während einer Anfangszeit der Verwertung der Filmwerke jeglichen Ursprungs in Filmtheatern vor anderen Formen der Verbreitung den Vorrang einzuräumen.

Vgl. EuGH, U. v. 11.7.1985 – Rs. 60/84, 61/84






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