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Internationaler Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht II

Teil 2 - Urheberrecht und Binnenmarkt



Die erste Auseinandersetzung einer europäischen Institution mit dem Urheberrecht – das Urteil des EuGH vom 8.6.1971 in der Rechtssache Polydor – betraf bereits das Verhältnis der nationalen Urheberrechte mit dem Ziel eines einheitlichen europäischen Binnenmarktes. Eine der Säulen für diesen Binnenmarkt ist der sog. Erschöpfungsgrundsatz beim grenzüberschreitenden
Weiterverkauf von Wirtschaftsgütern. Hierdurch soll der freie Warenverkehr (Art. 34 AEUV) innerhalb der EU gestärkt werden.


EuGH, U. v. 08.06.1971 – Rs. 78/70– Polydor: (…)


Wird ein dem Urheberrecht verwandtes Schutzrecht benützt, um in einem Mitgliedsstaat den Vertrieb von Waren, die vom Rechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates in Verkehr gebracht worden sind, allein deshalb zu verbieten, weil dieses Inverkehrbringen nicht im Inland erfolgt ist, so verstößt ein solches die Isolierung der
nationalen Märkte aufrecht erhaltendes Verbot gegen das wesentliche Ziel des Vertrags, den Zusammenschluß der nationalen Märkte zu einem einheitlichen Markt. Dieses Ziel wäre nicht zu erreichen, wenn Privatpersonen aufgrund der verschiedenen Rechtssysteme der Mitgliedsstaaten die Möglichkeit hätten, den Markt aufzuteilen und willkürliche
Diskriminierungen oder verschleierte Beschränkungen im Handel zwischen den
Mitgliedsstaaten herbeizuführen.
Hiernach würde es gegen die Normen über den freien Warenverkehr im Gemeinsamen Markt verstoßen, wenn ein Hersteller von Tonträgern das ihm nach der Gesetzgebung eines Mitgliedsstaates zustehende ausschließliche Recht, die geschützten Gegenstände in Verkehr zu bringen, ausübte, um in diesem Mitgliedsstaat den Vertrieb von Erzeugnissen, die von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung in einem anderen Mitgliedsstaat verkauft worden sind, allein deshalb zu verbieten, weil dieses Inverkehrbringen nicht im Hoheitsgebiet des ersten Mitgliedsstaates erfolgt ist. (…), abgedruckt in GRUR Int. 1971, 450.


Der Erschöpfungsgrundsatzhat die europäischen Gerichte mehrfach beschäftigt, da das Verhältnis zulässiger Rechtsbeschränkungen (z.B. § 31 Abs. 1 S. 2 UrhG zur räumlichen Beschränkung von Nutzungsrechten) zum Grundsatz des freien Warenverkehrs zu klären war. Insbesondere aufgrund eines Gefälles von Lizenzgebühren innerhalb der EU (niedrige Gebühren in GB
und IRL, hohe Gebühren in anderen Mitgliedstaaten hat der EuGH immer an das Durchsetzung des Erschöpfungsprinzips festgehalten (EuGHE 1981, 147 – Gebührendifferenz II; EuGHE 1982, 329 – Polydor/Harlequin). So sind Importe körperlicher Vervielfältigungsstücke aus anderen EU-Mitgliedsstaaten immer zulässig, soweit nicht die jeweilige Vervielfältigung ursprünglich außerhalb des EWR (vgl. §§ 17 Abs. 2, 69c Nr. 3 S. 2 UrhG) in den Verkehr gebracht wurde (EuGHE 1982, 329 – Polydor/Harlequin) oder aufgrund einer gesetzlichen Lizenz erfolgte (mangelnde Zustimmung des Urhebers). Der Erschöpfungsgrundsatz greift aber nicht bei Dienstleistungen wie der öffentlichen Wiedergabe (EuGHE 1980, 881 – Le Boucher II).

Allerdings gilt der Grundsatz des freien Warenverkehrs nicht uneingeschränkt. Gerade zum Schutz des „gewerblichen und kommerziellen Eigentums“– zu dem der EuGH auch das Urheberrecht zählt (EuGHE 1981, 147, 162 – Gebührendifferenz II) – sind aber nach Art. 36 AEUV nationale Regelungen zulässig, die Ausnahmen vorsehen.


EuGH, U. v. 17.5.1988 – Rs. 158/86– Warner/Christiansen: (…)


(3) Die Warner Inc. ist Inhaberin der Urheberrechte für das Vereinigte Königreich des von ihr dort produzierten Films "Never say never again"; sie hat die Verwertung der Videorechte für Dänemark auf die Metronome ApS übertragen.

(4) E.V. Christiansen, der ein Videogeschäft in Kopenhagen betreibt, kaufte ein Exemplar der Videokassette dieses Films, der im Vereinigten Königreich mit Zustimmung der Warner Inc. verkauft wird, in London, um sie in Dänemark zu vermieten, und führte sie zu diesem Zweck in diesen Mitgliedstaat ein. (…)

(9) Es ist darauf hinzuweisen, daß - anders als die nationalen urheberrechtlichen Bestimmungen, die Anlaß zu dem Urteil vom 10.1.1981 in den Rechtssachen 455 und 57/80 (Musik-Vertrieb Membran/GEMA, Slg. 1981, 147 (…)) waren - die der Vorabentscheidungsfrage zugrunde liegenden Vorschriften dem Urheber keinen Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung
gewähren, wenn Bild- und Tonträger geschützter Werke, die mit seiner Zustimmung in einem anderen Mitgliedstaat in den Verkehr gebracht wurden, eingeführt werden, und ihm nicht die Befugnis geben, die Einfuhr oder den Weiterverkauf zu verhindern. Das dem Urheber von den nationalen Vorschriften gewährte Vorrecht kommt erst dann zum Zuge, wenn die Einfuhr bereits
erfolgt ist.

(10) Videokassetten werden jedoch nicht nur durch Verkauf, sondern auch zunehmend durch Vermietung an Privatpersonen, die im Besitz von Videogeräten sind, in den Verkehr gebracht. Die Befugnis, die Vermietung in einem Mitgliedstaat zu untersagen, ist daher geeignet, den Handel mit Videokassetten und dadurch mittelbar den innergemeinschaftlichen Handel mit diesen Erzeugnissen zu beeinträchtigen. Rechtsvorschriften der Art, wie sie dem Ausgangsverfahren zugrunde liegen, sind daher nach ständiger Rechtsprechung als eine nach Art. 30 EWG-Vertrag verbotene Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen.

(11) Es ist daher zu prüfen, ob solche Rechtsvorschriften aus Gründen des Schutzes des gewerblichen und kommerziellen Eigentums im Sinne des Art. 36 gerechtfertigt werden können, ein Begriff, der, wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 6.10.1982 in der Rechtssache 262/81 (Coditel/Ciné-Vog Films, Slg. 1982, 3381 (…)) entschieden hat, das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst umfaßt.

(12) Hierzu ist zunächst festzustellen, daß die betroffenen nationalen Rechtsvorschriften unterschiedslos für im Inland hergestellte wie für aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführte Videokassetten gelten. Entscheidend für ihre Anwendung ist die Art der Verwendung der Videokassetten und nicht deren Herkunft. Solche Rechtvorschriften bewirken daher für sich genommen keine willkürliche Diskriminierung im Handel zwischen den Mitgliedstaaten.

(13) Es ist daran zu erinnern, daß die Werke der Literatur und Kunst gewerblich gewertet werden können entweder durch öffentliche Aufführung oder durch Vervielfältigung und Inverkehrbringen der hergestellten Bild- und Tonträger, wie dies besonders bei Filmwerken der Fall ist. Die beiden grundlegenden Rechte des Urhebers, das ausschließliche Recht der Aufführung und das ausschließliche Recht der Vervielfältigung, werden von den Bestimmungen des EWG-Vertrages nicht berührt.

(14) Schließlich ist zu berücksichtigen, daß sich, wie die Kommission hervorgehoben hat, ein besonderer Markt für die Vermietung dieser Träger herausgebildet hat, der von dem Markt für den Verkauf zu unterscheiden ist. Verschiedene Faktoren wie etwa die Verbesserung der Verfahren zur Herstellung von Videokassetten, die deren Robustheit und Benutzungsdauer gesteigert hat, die Erkenntnis der Verbraucher, daß sie die Aufzeichnungen auf gekauften Videokassetten nur selten betrachten, und schließlich das relativ hohe Niveau des Kaufpreises haben die Entstehung dieses Marktes möglich gemacht. Dieser Markt für die Vermietung von
Videokassetten erreicht ein größeres Publikum als der für den Verkauf und stellt derzeit eine wichtige potentielle Einnahmequelle für die Filmhersteller dar.

(15) Würde aber ein Anspruch auf Vergütung lediglich bei Verkäufen an private Verbraucher oder auch an Vermieter von Videokassetten eingeräumt, wäre es nicht möglich, den Filmherstellern eine Vergütung zu sichern, die der Zahl der tatsächlich erfolgten Vermietungen entspricht und ihnen einen angemessenen Anteil am Vermietungsmarkt sichert. Dies ist, wie die
Kommission ausgeführt hat, der Grund dafür, daß unlängst in einigen nationalen Rechtsordnungen ein besonderer Schutz des Rechts zur Vermietung von Videokassetten eingeführt worden ist.

(16) Rechtsvorschriften dieser Art sind daher aus Gründen des Schutzes des gewerblichen und kommerziellen Eigentums im Sinne des Art. 36 als gerechtfertigt anzusehen. (…), abgedruckt in EuGHE 1988, 2605.

Nach der Rechtsprechung müssen sich die Ausnahmen allerdings wiederum an Art. 34 AEUV messen lassen. Der EuGH will dies mit einer Unterscheidung zwischen Regeln über einerseits den Bestand und andererseits die Ausübung des Urheberrechts erreichen, wobei nur die ersteren durch die Mitgliedsstaaten in Abweichung zu Art. 34 AEUV geregelt werden dürfen; in der Literatur wird die Unterscheidung nach Bestand und Ausübung des Urheberrechtsteilweise als willkürlich empfunden und deswegen für eine Abgrenzung nach dem „spezifischen Gegenstand“ des geistigen Eigentums befürwortet (z.B. Götting, JZ 1996, 310; Schack, UrhR (5. Aufl. 2010), Rn. 147).

Ein zweiter früher Ansatzpunkt für Harmonisierung des Urheberrechts im Lichte der wirtschaftspolitischen Vorgaben des europäischen Rechts waren die Wettbewerbsregeln mit Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 102 AEUV) und dem Kartellverbot (Art. 101 AEUV). Zunächst standen hierbei die aufgrund ihrer sektoralen und nationalen Alleinstellung
marktbeherrschenden Verwertungsgesellschaften im Vordergrund, später auch die Ausübung der Exklusivrechte des Urhebers.
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