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Internationales Privatrecht
Schranken der Anwendung
A. Gesetzesumgehung (fraus legis) Auch im inteernationalen Privatrecht besteht die Gefahr, dass Vorschriften missbräuchlich verwendet bzw. umgangen werden, um zur Anwendung eines für die Betroffenen günstigeren Rechts zu kommen (fraus legis). Um die Gesetzesumgehung unwirksam zu machen, ist das umgangene ungünstigere Recht dennoch anzuwenden und das erschlichene Recht nicht anzuwenden. I. Voraussetzungen und Fallgruppen der Gesetzesumgehung Eine Gesetzesumgehung liegt vor, wenn die für eine Anknüpfung und Qualifikation erheblichen Tatsachen zwar tatsächlich vorgelegen haben, aber zweckentfremdet worden sind. In der Praxis kommt häufig der Fall vor, dass Anknüpfungspunkte bewusst verändert werden. Diese Veränderung kann bewirken, dass auf eine abweichende Rechtsordnung verwiesen wird. Es besteht deshalb die Gefahr, dass die Anknüpfung bewusst manipuliert wird, um so die günstigste Gesetzeslage ausnutzen zu können. Gelegenheit hierfür bieten vor allem die mobilen Anknüpfungspunkte wie der Handlungs- und der Aufenthaltsort, aber auch ein Wechsel des Wohnsitzes oder der Staatsangehörigkeit. Da nicht jedes Ausnutzen einer vom Gesetzgeber geschaffenen günstigen Möglichkeit verwerflich ist, liegt ein Fall der Gesetzesumgehung nur dann vor, wenn der erzielte Erfolg in krassem Widerspruch zum Gesetzeszweck steht. Solche Fälle sind jedoch nur ausnahmsweise anzunehmen, da nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich bis zur Grenze des ordre public erlaubt ist, was nicht ausdrücklich verboten ist. II. Beispielfall V ist Eigentümer eines Grundstücks in Deutschland, welches K kaufen möchte. V und K besitzen beide die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Kaufvertrag wird - dem dänischen Recht entsprechend - formlos in Dänemark geschlossen. Die Notarkosten konnten so eingespart werden. Ist der Kaufvertrag wirksam zustande gekommen? Lösung: Es liegt ein Fall mit Auslandsberührung vor, da die Parteien den Kaufvertrag in Dänemark abgeschlossen haben. UN-Kaufrecht als vorrangiges zu prüfendes vereinheitlichtes Sachrecht ist nur auf Waren und somit nicht auf Grundstückskaufverträge anwendbar. In Betracht kommt vorliegend gemäß Art. 3 Nr. 1 lit. b) EGBGB die Anwendbarkeit der Art. 3 ff. Rom I-VO. Da die PArteien kein Vertragsrecht i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO gewählt haben, ist nach Art. 4 Rom I-VO objektiv anzuknüpfen. Vorliegend soll ein Grundstück verkauft und das Eigentum daran übertragen werden. Hierbei handelt es sich um einen Vertrag, der ein dingliches Recht an einer unbeweglichen Sache zum Gegenstand hat, Art. 4 Abs. 1 lit. c) Rom I-VO. Das Grundstück befindet sich in Deutschland. Art. 4 Abs. 1 lit. c) Rom I-VO verweist damit auf deutsches Recht. anhaltspunkte für eine Korrektur dieser Vermutung nach Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO liegen nicht vor. Im deutschen Recht sind Kaufverträge über Grundstücke formbedürftig, § 311 b BGB. Die Teilfrage der Formunwirksamkeit ist jedoch nicht nach der lex causae, sondern gemäß Art. 11 Rom I-VO selbständig anzuknüpfen. Gemäß Art. 11 Rom I-VO ist entweder die Form des Geschäftsstatuts (Art. 11 Abs. 1, 1. Alt. Rom I-VO, hier: deutsches Recht, insbes. § 311 b Abs. 1 BGB) oder die Ortsform (Art. 11 Abs. 1, 2. Alt. Rom I-VO hier: dänisches Recht, Formfreiheit) ausreichend. Ein formfreier Abschluss nach dem dänischen Recht würde damit genügen. Jedoch müssen gemäß Art. 11 Abs. 5 Rom I-VO bei Verträgen, die ein dingliches Recht an einem Grundstück zum Gegenstand haben, die international zwingenden Formvorschriften des Belegenheitsortes eingehalten sein. Wäre § 311 b Abs. 1 BGB eine solche, wäre die notarielle Form für die Wirksamkeit des Kaufvertrags zwingend erforderlich. Nach herrschender Meinung erhebt diese Formvorschrift jedoch keinen Anspruch auf unbedingte Anwendbarkeit im Inland. Art. 11 Abs. 5 Rom I-VO steht der Formwirksamkeit des Vertrags folglich nicht entgegen. Der Kaufvertrag könnte aber dennoch unwirksam sein, wenn die Pateien nur deshalb nach Dänemark gefahren sind, um die deutsche Formvorschrift des § 311 b Abs. 1 BGB zu umgehen. Sie könnten so den Anknüpfungspunkt absichtlich in fraudem legis missbräuchlich manipuliert haben, um eine für sie günstige Gesetzeslage ausnutzen zu können. Neben der objektiven Voraussetzung - Manipulation des Anknüpfungspunktes - erfordert die Gesetzesumgehung auch eine subjektive Komponente: Der Wechsel muss missbräuchlich vorgenommen worden sein, d.h. in einem nicht zu billigenden Verhalten der Parteien bestehen. Vorliegend haben V und K den Ort ihres Vertragsschlusses eigens nach Dänemark verlegt und sich so dem deutschen Recht bewusst entzogen. Für die Missbräuchlichkeit ihres Verhaltens spricht der Umstand, dass weder die Parteien noch der Vertrag selbst eine Beziehung zu dänischem Recht aufweist. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der umgangene Gesetzgeber durch seine großzügige Regelung in Art. 11 Rom I-VO zu einem derartigen Verhalten einlädt. Er hat damit in Kauf genommen, dass die Parteien den Ort ihres Vertragsschlusses von den dort geltenden Formvorschriften abhängig machen. Offensichtlich wurden Fragen der Form als nicht so wichtig angesehen, dass ihre bewusste Vermeidung die Unwirksamkeit des Geschäfts nach sich ziehen soll. Jedenfalls wiegt das Interesse an der Einhaltung bestimmter Formvorschriften geringer, als die Einbuße an Rechtssicherheit. Diese entstünde aber, wenn man die Wirksamkeit eines Geschäfts von einer Motivforschung bei den Vertragsparteien abhängig machen wollte. Eine Kollisionsnorm, die ausdrücklich die Ortsform genügen lässt, muss sich daher beim Wort nehmen lassen. Daher liegt kein fraudulöses Geschäft vor und es kommen ausschließlich dänische Formvorschriften zur Anwendung. Damit ist der Kaufvertrag zwischen V und K formwirksam. Deshalb ist auch das forum shopping kein Fall der Gesetzesumgehung. Der Gesetzgeber hat die freie Wahl des Gerichtsstandortes von Gesetzes wegen erlaubt, indem er mehrere Gerichtszuständigkeiten eröffnet. Kein Fall der Gesetzesumgehung liegt vor, wenn die anknüpfungs- oder qualifikationserheblichen Tatsachen nur vorgetäuscht, also simuliert werden (unechte Gesetzesumgehung). Das Institut der fraus legis ist für die Anwendbarkeit der eigentlich einschlägigen Normen nicht erforderlich. Unwahre Sachverhalte sind schon dem Wortlaut der Qualifikationsnorm nach nicht zulässig. |
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