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Version [62589]

Dies ist eine alte Version von FallloesungFall1DasRennrad erstellt von JKramer am 2015-12-01 10:37:06.

 

Fallbeispiel - Das Rennrad


Lösungsvorschlag


1. Lösungsskizze:

V könnte gegen A einen Anspruch auf Zahlung des Restbetrages i.H.v. 100 Euro nach § 433 II BGB haben.

I. Anspruch erworben?
Voraussetzungen: Vertragsschluss, Inhalt, Wirksamkeit


1. Vertragsschluss (+)
Voraussetzungen: Zwei übereinstimmende Willenserklärungen zwischen A und V in Form von Angebot (§ 145 BGB) und
Annahme (§§ 147 ff. BGB)
Sachverhalt: unproblematisch. V und A einigen sich über Kauf des Rennrades.


2. Vertragsinhalt (+)


3. Wirksamkeit
Fraglich, ob Kaufvertrag wirksam
Vertrag könnte nach § 108 I BGB unwirksam sein.
Voraussetzungen: A gehört dem Personenkreis nach §§ 2, 106 BGB an und es kommt keine der Vorschriften der
§§ 107 ff. BGB zur Anwendung, durch welche Rechtsgeschäft wirksam wird.


a. Beschränkte Geschäftsfähigkeit des A (+)
Voraussetzungen: 7. Lebensjahr vollendet, aber 18. Lebensjahr noch nicht vollendet


b. Wirksamkeit des Vertrages nach §§ 107 ff. BGB
A arbeitet in einem Lebensmittelladen! - zunächst § 113 BGB zu prüfen


aa. Wirksamkeit nach § 113 BGB
Voraussetzungen: Dienst- oder Arbeitsverhältnis liegt vor und Rechtsgeschäft im Zusammenhang mit Dienst-
oder Arbeitsverhältnis


aaa. Arbeits- oder Dienstverhältnis des A (+)
Sachverhalt: A arbeitet in Lebensmittelladen


bbb. Rechtsgeschäft im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnis (-)
Keine Hinweise im Sachverhalt. Es ist davon auszugehen, dass A das Rennrad für sich privat möchte.


ccc. Wirksamkeit nach § 113 BGB (-)


bb. Wirksamkeit nach § 107 BGB
Voraussetzungen: Einwilligung gesetzlicher Vertreter oder lediglich rechtlicher Vorteil für A durch
Rechtsgeschäft


aaa. Einwilligung gesetzlicher Vertreter (-)
gesetzlicher Vertreter = Eltern, § 1629 I BGB
Einwilligung = vorherige Zustimmung nach § 183 BGB
Sachverhalt: A kauft Rennrad entgegen ausdrücklichen Wunsch der Eltern


bbb. Lediglich rechtlicher Vorteil für A (-)
Voraussetzung: A entsteht aus dem Geschäft keinerlei rechtliche Verpflichtung (wirtschaftlicher Vorteil
ist irrelevant!)
Hier: Aus dem Kaufvertrag entsteht für A die Pflicht zur Kaufpreiszahlung und zur Abnahme des
Kaufgegenstandes.


ccc. Wirksamkeit nach § 107 BGB (-)


cc. Wirksamkeit nach § 110 BGB (Taschengeldparagraph) (-)
Voraussetzungen: vertragsmäßige Leistung hat A mit Mitteln bewirkt, die ihm für diesen Zweck oder zur freien
Verfügung vom gesetzlichen Vertreter oder mit dessen Zustimmung von Dritten überlassen wurde
Vertragsmäßige Leistung = 1.000 Euro
Bewirken = vollständige Zahlung des Kaufpreises
Sachverhalt: A hat nur 700 Euro gezahlt. Den Rest zahlt er in monatlichen Raten ab.
Somit ist vertragsmäßige Leistung nicht bewirkt!
Zu welchem Zweck A die Mittel überlassen wurden oder ob sie zur freien Verfügung standen, kann hier
dahingestellt bleiben. Es fehlt bereits an der vollständigen Bewirkung der Leistung.


dd. Wirksamkeit nach § 108 I BGB (-)
Voraussetzung: Genehmigung des gesetzlichen Vertreters
Gesetzlicher Vertreter = Eltern, § 1629 I BGB
Genehmigung = nachträgliche Zustimmung, § 184 BGB
Sachverhalt: Kauf des Rennrades entsprach nicht Wunsch der Eltern.
In Sachverhalt keine Hinweise, dass Genehmigung erteilt wurde.


c. Zwischenergebnis
Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts nach § 107 ff. BGB (-)


4. Wirksamkeit des zwischen A und V geschlossenen KV (-)

II. V Anspruch auf Restzahlung erworben (-)

Ergebnis:
V hat gegen A keinen Anspruch auf Zahlung des Restbetrages i.H.v. 100 Euro gem. § 433 II BGB.


Es ist weiterhin zu prüfen, welche Handlungen V erfolgreich vornehmen kann, um an den Restbetrag von 100 Euro zu gelangen.
V könnte durch eine Zustimmungsaufforderung nach § 108 BGB die Wirksamkeit des Kaufvertrages herbeiführen.

V bieten sich hierfür zwei Möglichkeiten:

1. Aufforderung zur Genehmigung ggü. den Eltern des A, § 108 II BGB
2. Aufforderung zur Genehmigung ggü. A, § 108 III BGB


I. Aufforderung zur Genehmigung ggü. Eltern gem. § 108 II BGB


Voraussetzungen: Entscheidung über die Genehmigung kann nur V gegenüber erklärt werden und Genehmigung muss
binnen zwei Wochen nach Aufforderung erteilt werden, sonst wird Verweigerung fingiert.
Sachverhalt: Genehmigung durch die Eltern nach Aufforderung durch V eher unwahrscheinlich, da Kauf des Rennrades
bereits ausdrücklichem Wunsch der Eltern widersprach.


II. Aufforderung zur Genehmigung ggü. A gem. § 108 III, II BGB


A vollendet am 12.01.2009 das 18. Lebensjahr und könnte sich somit die Genehmigung nach § 108 III BGB selbst
erteilen.


Problematisch ist jedoch Zeitpunkt der Aufforderung ggü. A:


1. Aufforderung ggü. A nach Aufforderung ggü. den Eltern


a. Verweigerung der Genehmigung durch die Eltern bis 12.01.2009
= Entscheidung endgültig! A kann sich die Genehmigung mit Vollendung des
18. Lebensjahres nicht mehr erteilen - Vertrag endgültig unwirksam


b. Keine Reaktion der Eltern bis 12.01.2009
A könnte Genehmigung noch erteilen, da die Fiktionswirkung der Zwei-Wochen-Frist noch nicht eingetreten ist


2. Abwarten des V bis zum 12.01.2009 und Genehmigung direkt bei A einholen
Aus Gesetzeswortlaut ergibt sich nicht, dass Abwarten des V unzulässig wäre.
Sachverhalt: Genehmigung des A ist wahrscheinlich, da dieser das Rennrad behalten möchte.


Ergebnis nach Würdigung der Umstände:

V sollte abwarten, bis A am 12.01.2009 das 18. Lebensjahr vollendet und A zur Genehmigung des Vertrages auffordern. Sofern A die Genehmigung erteilt, ist der Kaufvertrag wirksam.


Formulierungsvorschlag

V könnte gegen A einen Anspruch auf Zahlung des Restbetrages i.H.v. 100 Euro nach § 433 II BGB haben.
Voraussetzung hierfür ist, dass V einen Anspruch erworben und nicht verloren hat und dieser auch durchsetzbar ist.

I. V könnte einen Anspruch gegen A erworben haben.
Hierfür müssten V und A einen Vertrag geschlossen haben, welcher inhaltlich einen Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB darstellt und der Vertrag müsste zudem auch wirksam sein.

1. V und A könnten einen Vertrag geschlossen haben.
Voraussetzung dafür ist, dass zwischen A und V zwei übereinstimmende Willenserklärungen in Form von Angebot (§ 145 BGB) und Annahme (§§ 147 ff. BGB) vorliegen.
A und V haben sich hinsichtlich des Kaufs eines Rennrades zum Preis von 1.000 Euro geeinigt. Die Willenserklärungen stimmen damit überein.
V und A haben folglich einen Vertrag geschlossen.

2. Der Vertrag entspricht auch inhaltlich einem Kaufvertrag i. S. d. § 433 BGB.

3. Fraglich ist jedoch, ob der zwischen A und V geschlossene Kaufvertrag auch wirksam ist.
Möglicherweise könnte der Vertrag nach § 108 I BGB unwirksam sein.

Dies ist dann der Fall, wenn A dem Personenkreis der beschränkt Geschäftsfähigen nach §§ 2, 106 BGB angehört und zudem keine der Vorschriften der §§ 107 ff. BGB zur Anwendung kommen, durch welche das Rechtsgeschäft wirksam wird.

a. A ist 17 Jahre alt und gehört somit dem Personenkreis der beschränkt Geschäftsfähigen i. S. d. §§ 2, 106 BGB an.

b. Möglicherweise könnte sich jedoch eine Wirksamkeit des Vertrages aus §§ 107 ff. BGB ergeben.
A arbeitet in einem Lebensmittelladen und hat sich durch diese Tätigkeit 500 Euro gespart.

aa. Eine Wirksamkeit des Vertrages wäre daher zunächst nach § 113 BGB denkbar.
Dann müsste sich A in einem Arbeits- oder Dienstverhältnis befinden und das Rechtsgeschäft müsste im Zusammenhang mit diesem Arbeits- bzw. Dienstverhältnis stehen.

aaa. A arbeitet jeden Nachmittag in einem Lebensmittelladen.
Von einem Arbeitsverhältnis ist folglich auszugehen.

bbb. Weiterhin müsste das Rechtsgeschäft, nämlich der Kauf des Rennrades, auch im Zusammenhang mit diesem Arbeitsverhältnis stehen.
Hier liegen keine bejahenden Hinweise vor, so dass davon auszugehen ist, dass A das Rennrad für private Zwecke erwirbt.
Das Rechtsgeschäft steht folglich nicht in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis.

ccc. Der Kaufvertrag ist somit nicht nach § 113 BGB wirksam.

bb. Eine Wirksamkeit des Kaufvertrages könnte sich aber aus § 107 BGB ergeben.
Dann müssten entweder die gesetzlichen Vertreter des A ihre Einwilligung für das Rechtsgeschäft erteilt haben oder aber A ist durch das Rechtsgeschäft ein lediglich rechtlicher Vorteil entstanden.

aaa. Die gesetzlichen Vertreter des A sind die Eltern, § 1629 I BGB.
Diese müssten eine vorherige Zustimmung i. S. d. § 183 BGB erteilt haben.
A kauft das Rennrad jedoch entgegen dem ausdrücklichen Wunsch seiner Eltern. Eine Einwilligung des gesetzlichen Vertreters liegt folglich nicht vor.

bbb. Der Kaufvertrag könnte aber dennoch nach § 107 BGB wirksam sein, wenn seitens des A für das Rechtsgeschäft ein lediglich rechtlicher Vorteil besteht.
Für den A dürfte dann aus dem Rechtsgeschäft keine rechtliche Verpflichtung entstanden sein.
Aus dem Kaufvertrag entsteht jedoch gem. § 433 BGB für A die Pflicht zur Kaufpreiszahlung und zur Abnahme des Kaufgegenstandes. Somit liegt hier kein lediglich rechtlicher Vorteil für den A vor.

ccc. Der Kaufvertrag ist folglich auch nicht nach § 107 BGB wirksam.

cc. Eine Wirksamkeit des Kaufvertrages könnte § 110 BGB herbeiführen.
Dann müsste A die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt haben, die ihm für diesen Zweck oder zur freien Verfügung vom gesetzlichen Vertreter oder mit dessen Zustimmung von Dritten überlassen wurde.
Das Rennrad kostet 1.000 Euro. Somit ist dies vertragsmäßige Leistung.
Ein Bewirken setzt jedoch die vollständige Zahlung des Kaufpreises voraus.
A hat nur 700 Euro gezahlt. Den Rest zahlt er in monatlichen Raten ab.
Den vollständigen Kaufpreis hat A also nicht gezahlt. Folglich wurde die vertragsmäßige Leistung auch nicht durch A bewirkt.
Zu welchem Zweck A die Mittel überlassen wurden oder ob sie zur freien Verfügung standen, kann hier dahingestellt bleiben. Es fehlt bereits an der vollständigen Bewirkung der Leistung.

Der Kaufvertrag ist damit auch nicht nach § 110 BGB wirksam.

dd. Letztlich könnte jedoch noch eine Wirksamkeit des Vertrages nach § 108 I BGB vorliegen.
Dann müssten die Eltern des A als gesetzlicher Vertreter (§ 1629 I BGB) die Genehmigung i. S. d. § 184 BGB für den Kauf des Rennrades erteilt haben. Hierbei handelt es sich um eine nachträgliche Zustimmung für das Rechtsgeschäft.
Eine solche Genehmigung liegt ausweislich des Sachverhaltes nicht vor.

Es liegt damit auch keine Wirksamkeit des Vertrages nach § 108 I BGB vor.

c. Folglich führt keine der Vorschriften der §§ 107 ff. BGB zu einer Wirksamkeit des Kaufvertrages.

4. Der zwischen A und V geschlossene Kaufvertrag ist somit unwirksam.

II. V hat demnach keinen Anspruch auf Restzahlung erworben.

Ergebnis:
V hat gegen A keinen Anspruch auf Zahlung des Restbetrages i.H.v. 100 Euro gem. § 433 II BGB.


Es ist weiterhin zu prüfen, welche Handlungen V erfolgreich vornehmen kann, um an den Restbetrag von 100 Euro zu gelangen.

V könnte durch eine Zustimmungsaufforderung nach § 108 BGB die Wirksamkeit des Kaufvertrages herbeiführen.

V bieten sich hierfür zwei Möglichkeiten:
Zum Einen könnte V die Eltern des A zur Genehmigung des Kaufes nach § 108 II BGB auffordern, oder zum Anderen könnte V auch den A zur Genehmigung nach § 108 III BGB auffordern.

I. V könnte sich überlegen die Eltern des A zur Genehmigung des Kaufes i.S.d. § 108 II BGB aufzufordern.
Dann könnte jedoch die Entscheidung der Eltern über die Genehmigung nur gegenüber V erklärt werden. Weiterhin müsste diese Genehmigung durch die Eltern binnen zwei Wochen nach Aufforderung durch V erfolgen, andernfalls gilt die Genehmigung als nicht erteilt.

Eine Genehmigung durch die Eltern nach Aufforderung des V scheint hier jedoch nicht erfolgversprechend. Der Kauf des Rennrades durch A widerspricht dem ausdrücklichen Wunsch der Eltern.

II. V könnte die Genehmigung jedoch auch nach § 108 III, II BGB von A einholen.
A vollendet am 12.01.2009 das 18. Lebensjahr und könnte sich folglich die Genehmigung für den Kaufvertrag selbst erteilen.

Als problematisch könnte sich hier aber der Zeitpunkt der Aufforderung gegenüber A erweisen.


1. V könnte zunächst die Eltern des A zur Genehmigung auffordern und anschließend erst den A.

a) Möglicherweise könnten dann jedoch die Eltern die Genehmigung bis zum 12.01.2009 verweigern.
Das hätte zur Folge, dass diese Verweigerung endgültig ist und A den Vertrag am 12.01.2009 nicht mehr selbst genehmigen kann. Der Kaufvertrag wäre somit endgültig unwirksam.

b) Es wäre jedoch auch denkbar, dass die Eltern bis zum 12.01.2009 gar nicht auf die Aufforderung des V reagieren.
Sofern V die Eltern am 05.01.2009 zur Genehmigung auffordert, endet die Zwei-Wochen-Frist am 19.01.2009. Erst danach gilt die Genehmigung als verweigert. A könnte sich also am 12.01.2009 die Genehmigung selbst erteilen, sollten seine Eltern bis zu diesem Zeitpunkt nicht reagieren.


2. V könnte jedoch auch bis zum 12.01.2009 abwarten und sich die Genehmigung direkt bei A einholen.
Ein solches Abwarten wäre nach dem Gesetzeswortlaut nicht unzulässig.
Eine Genehmigung des Vertrages durch A wäre auch wahrscheinlich, da A das Rennrad behalten möchte.

Ergebnis nach Würdigung der Umstände:

V sollte abwarten, bis A am 12.01.2009 das 18. Lebensjahr vollendet und A zur Genehmigung des Vertrages auffordern. Sofern A die Genehmigung erteilt, ist der Kaufvertrag wirksam und V hat folglich seinen Anspruch auf Restzahlung des Kaufpreises.
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