Die geliehene Vespa - Lösungsvorschlag
Die PDF zu Fall 3 finden Sie hier!Anspruch des A gegen B auf Schadensersatz gem. §§ 280 I, II, 286 BGB
A könnte gegen B einen Anspruch auf Ersatz der für die Busfahrkarte gezahlten 1,50 € gem. §§ 280 I, II, 286 BGB haben.
Dazu müssten ein Schuldverhältnis, eine Pflichtverletzung, das Vertretenmüssen des Schuldners, ein kausaler Schaden sowie die zusätzlichen Voraussetzungen des § 286 BGB vorliegen.
1. Schuldverhältnis
Zunächst müsste zwischen A und B ein Schuldverhältnis bestehen.
A überließ B unentgeltlich den Gebrauch der Vespa. Einen Mietzins haben die Parteien nicht vereinbart. Somit handelt es sich hier um einen Leihvertrag, dessen rechtliche Behandlung sich nach den §§ 598 ff. BGB richtet.
Ein Schuldverhältnis zwischen A und B liegt vor.
2. Pflichtverletzung
B müsste zudem eine aus dem Schuldverhältnis resultierende Pflicht verletzt haben.
Der Begriff der Pflichtverletzung i.S.v. § 280 I BGB erfasst jedes objektiv nicht dem Schuldverhältnis entsprechende Verhalten.
Bei einem Leihvertrag verpflichtet § 604 I BGB den Entleiher zur rechtzeitigen Rückgabe der geliehenen Sache.
A hatte klar zum Ausdruck gebracht, dass er die Leihsache spätestens am Montagvormittag wiederhaben möchte. B brachte die Vespa allerdings erst am folgenden Mittwoch zurück.
Somit beging B mit der verspäteten Rückgabe des Rollers eine Pflichtverletzung gem. § 280 I BGB.
3. Vertretenmüssen, § 280 I 2 BGB
Das Vertretenmüssen des Schuldners wird gem. § 280 I 2 BGB vermutet. Entgegenstehende Gesichtspunkte sind aus dem Sachverhalt nicht ersichtlich. Die Vermutung kann also nicht widerlegt werden.
Somit liegt das Vertretenmüssen des Schuldners gem. § 280 I 2 BGB vor.
4. Zusätzliche Voraussetzungen für Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung gem. §§ 280 II, 286 BGB
Der Gläubiger kann jedoch gem. § 280 II BGB Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 286 BGB geltend machen.
B müsste sich daher gem. § 286 BGB im Schuldnerverzug befunden haben.
Unter Schuldnerverzug versteht man die schuldhafte Nichtleistung trotz Fälligkeit, Einredefreiheit und Mahnung.
a. Nichtleistung zum Fälligkeitszeitpunkt
B müsste außerdem zum Fälligkeitszeitpunkt nicht geleistet haben.
Die Fälligkeit bezeichnet den Zeitpunkt, von dem an der Gläubiger die Leistung verlangen kann, der Schuldner sie also erbringen
muss. Die Bestimmung dieses Zeitpunktes erfolgt gem. § 271 I BGB anhand der konkreten vertraglichen Vereinbarung oder aus
den besonderen Umständen des Schuldverhältnisses. Lassen sich daraus keine Schlüsse ziehen, wird § 271 I BGB direkt
angewendet mit der Folge, dass die Leistung im Zweifel sofort fällig ist.
B war nach § 604 I BGB zur Rückgabe der Vespa bis spätestens Montagvormittag verpflichtet. Somit war die Leistung am
Montagvormittag fällig. B hat den Roller erst am Mittwoch wiedergegeben.
B hat also zum Fälligkeitszeitpunkt nicht geleistet.
b. Einredefreiheit
Eine Einrede, deren Bestehen den Verzugseintritt hindern würde, ist nicht ersichtlich.
c. Mahnung
Fraglich ist jedoch, ob eine Mahnung i.S.d. § 286 I 1 BGB vorliegt.
Die Mahnung ist eine an den Schuldner gerichtete eindeutige und ernsthafte Aufforderung des Gläubigers, die Leistung zu
erbringen. Die Mahnung kann gem. § 286 I 2 BGB auch durch Klageerhebung oder durch einen Mahnbescheid ersetzt werden.
A hat B nicht gemahnt. Auch eine die Mahnung ersetzende Klageerhebung oder ein Mahnbescheid gem. § 286 I 2 BGB liegen
nicht vor.
Somit liegt keine Mahnung i.S.d. § 286 I 1 BGB vor.
d. Entbehrlichkeit der Mahnung
Die Mahnung könnte allerdings entbehrlich sein.
Dies ist der Fall, wenn eine der in § 286 II Nr. 1 – 4 BGB aufgeführten Voraussetzungen vorliegt.
aa. Entbehrlichkeit nach § 286 II Nr. 1 BGB
Die Mahnung könnte nach § 286 II Nr. 1 BGB entbehrlich sein.
Dies ist der Fall, wenn ein kalendermäßig bestimmter Leistungstermin vereinbart wurde.
Entscheidend für das Eingreifen von § 286 II Nr. 1 BGB ist, dass der Leistungszeitpunkt allein durch den
Kalender bestimmt wird. Eine bloße Berechenbarkeit genügt hier nicht. Ausreichend ist aber, wenn zumindest
der letztmögliche Leistungstermin kalendermäßig bestimmt ist.
Die Rückgabe der Vespa sollte spätestens am Montagvormittag erfolgen. Damit ist dem Erfordernis der
kalendermäßigen Bestimmung Genüge getan.
Die Entbehrlichkeit der Mahnung liegt gem. § 286 II Nr. 1 BGB vor.
bb. Zwischenergebnis
Die Mahnung ist entbehrlich.
e. Zwischenergebnis
Die zusätzlichen Voraussetzungen für Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung gem. §§ 280 II, 286 BGB sind somit
erfüllt.
5. Kausaler Verzögerungsschaden
Dem A könnte durch die Zu-Spät-Leistung des B ein Verzögerungsschaden entstanden sein.
Der Verzögerungsschaden nach §§ 280 I, II, 286 BGB ist der Schaden, der dem anderen Teil dadurch entstanden ist, dass der Schuldner nicht rechtzeitig, sondern erst verspätet geleistet hat. Der Gläubiger muss gem. §§ 249 ff. BGB dann so gestellt werden, wie er bei rechtzeitiger Leistung gestanden hätte.
B hat den Roller am Mittwoch wiedergegeben, obwohl A ihn bereits am Montagmorgen benötigt hätte. Deshalb war A verpflichtet, für die Fahrt zur Uni eine Busfahrkarte für 1,50 € zu kaufen. Wäre die Leistung des B rechtzeitig gewesen, hätte A keine Busfahrkarte gebraucht. Deshalb ist A so zu stellen, als hätte die Vespa rechtzeitig zurückgegeben.
Somit ist dem A ein Verzögerungsschaden in Höhe von 1,50 € entstanden.
6. Ergebnis
A hat gegen B einen Anspruch auf Ersatz der für die Busfahrkarte gezahlten 1,50 € gem. §§ 280 I, II, 286 BGB.
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