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Version [20606]

Dies ist eine alte Version von FallVerwRgoldenerUlrich erstellt von MGreshake am 2013-02-02 15:41:23.

 

Widerspruch



Ulrich beantragt und erhält eine Gaststättenerlaubnis für den Betrieb seines Restaurants „zum goldenen Ulrich“. Nachbar Anton, dem die Genehmigung mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung am 4.3.2012 per Boten zugestellt wird, legt am Montag, den 6.4.2012 bei der zuständigen Behörde schriftlich Widerspruch gegen die Genehmigung ein, weil seiner Meinung nach die baurechtlichen Vorschriften, insbesondere die Anzahl der Notausgänge im Sinne von § 4 I Nr.2 GastG, nicht beachtet worden sind. Zudem überschreite der von der Gaststätte ausgehende Lärm die zulässigen Grenzwerte, sodass die Genehmigung auch gegen § 4 I Nr. 3 GastG verstoße. Die Unterlagen der Behörde ergeben, dass die Lärmgrenzwerte eingehalten werden. Dagegen sind die genannten Bauvorschriften tatsächlich verletzt.

Frage: Hat der Widerspruch des Anton Aussicht auf Erfolg?



Auszug aus dem Gaststättengesetz: § 4 I GastG

Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn

2. die zum Betrieb des Gewerbes oder zum Aufenthalt der Beschäftigten bestimmten Räume wegen ihrer Lage, Beschaffenheit, Ausstattung oder Einteilung für den Betrieb nicht geeignet sind, insbesondere den notwendigen Anforderungen zum Schutze der Gäste und der Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder den sonst zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung notwendigen Anforderungen nicht genügen oder

3. der Gewerbebetrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage oder auf die Verwendung der Räume dem öffentlichen Interesse widerspricht, insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Allgemeinheit befürchten läßt,
Auszug aus dem Gaststättengesetz: § 2 GastG
(1) Wer ein Gaststättengewerbe betreiben will, bedarf der Erlaubnis. Die Erlaubnis kann auch nichtrechtsfähigen Vereinen erteilt werden.




Der Widerspruch des Anton hat Aussicht auf Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist.


I. Zulässigkeit


Der Widerspruch ist zulässig, wenn die erforderlichen Sachentscheidungsvoraussetzungen gegeben sind.


1. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs § 40 I 1 VwGO analog


Es ist zunächst erforderlich, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Analog § 40 I 1 VwGO müsste dazu eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art gegeben sein und es dürfte keine Zuweisung an eine andere Gerichtsbarkeit vorliegen.

Nach der modifizierten Subjektstheorie liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, wenn die streitentscheidenden Normen solche des öffentlichen Rechts sind und einen Hoheitsträger in seiner Funktion berechtigen oder verpflichten. Der vorliegende Streit ist nach dem Gaststättengesetz zu beurteilen. Das GastG ist ein Gesetz, dass dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Es ermächtigt die Behörde als Hoheitsträger eine Gaststättenerlaubnis zu erlassen oder zu versagen. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt vor.

Die Streitigkeit darf zudem nicht verfassungsrechtlicher Art sein. Sie ist verfassungsrechtlicher Art, wenn sich Verfassungsorgane unmittelbar um Verfassungsrecht streiten. Hier geht es um einen Streit zwischen der Verwaltung und einem Bürger. Bürger und Verwaltung sind keine Verfassungsorgane. Sie streiten sich zudem um Rechte aus dem GastG, nicht aber um Rechte aus der Verfassung selbst. Eine verfassungsrechtliche Streitigkeit liegt nicht vor.
Schließlich dürfte die Streitigkeit nicht einer anderen Gerichtsbarkeit zugewiesen werden. Eine Sonderzuweisung ist nicht ersichtlich.

Der Verwaltungsrechtsweg ist mithin eröffnet.


2. Statthaftigkeit des Widerspruchs § 68 VwGO


Der Widerspruch müsste auch statthaft sein. Nach § 68 VwGO setzt dies voraus, dass die angegriffene Maßnahme ein Verwaltungsakt ist und kein Fall der Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens vorliegt.

Die Merkmale des § 35 S.1 VwVfG werden von der Gaststättenerlaubnis erfüllt. Ein Verwaltungsakt liegt vor. Weiterhin ist keiner der Ausnahmefälle des § 68 I 2 VwGO einschlägig. Das Widerspruchsverfahren ist nicht entbehrlich.

Der Widerspruch des A ist statthaft.


3. Widerspruchsbefugnis § 42 II VwGO analog


Weitere Voraussetzung ist, dass A gemäß § 42 II VwGO widerspruchsbefugt ist. A ist widerspruchsbefugt, wenn er Geltend macht, durch die erteilte Erlaubnis in seinen Rechten verletzt zu sein und eine solche Verletzung auch möglich erscheint.

A macht unter anderem geltend, das der von der Gaststätte ausgehende Lärm die zulässigen Grenzwerte überstreite, sodass die Genehmigung gegen § 4 I Nr. 3 GastG verstoße. § 4 I Nr.3 GastG nennt ausdrücklich den Schutz der Allgemeinheit vor schädlichen Umwelteinwirkungen und stellt in diesem Zusammenhang Anforderungen an die örtliche Lage der Gaststätte auf. Daraus lässt sich ableiten, dass auch die Nachbarschaft vor Lärmbelästigungen geschützt werden soll. § 4 I Nr.3 GastG hat somit drittschützenden Charakter. Die Verletzung des A in seinen Rechten macht er geltend und eine Verletzung erscheint auch möglich. A ist widerspruchsbefugt gemäß § 42 II VwGO analog.


4. Beteiligungs- und Handlungsfähigkeit


A ist eine natürliche Person, mithin Beteiligungs- und Handlungsfähig gemäß §§ 79, 11 Nr.1 Alt.1, 12 I Nr.1 Alt.1 VwVfG.


5. Form und Frist


Schließlich müsste der Widerspruch des A form- und fristgerecht eingelegt worden sein.

a) A hat seinen Widerspruch schriftlich eingelegt. Die Form gemäß § 70 I VwGO ist gewahrt.

b) Fraglich ist, ob die Monatsfrist des § 70 I VwGO beachtet wurde. Die Frist beginnt mit Bekanntgabe des Bescheids, die am 4.3.2012 erfolgte. Gemäß § 31 VwVfG i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB war Fristbeginn daher der 5.3.2012, 0:00 Uhr und Fristende nach § 31 VwVfG i.V.m. § 188 II BGB der 4.4.2012, 24:00 Uhr. Da dieser ein Samstag war, verlängert sich die Frist nach § 193 BGB auf den 6.4.2012, 24:00 Uhr. Damit hat A fristgerecht Widerspruch eingelegt.



II. Begründetheit


Der Widerspruch des A, der auf die Beseitigung des Verwaltungsaktes gerichtet ist, müsste auch begründet sein. Er ist begründet, wenn die Erteilung der Erlaubnis an U rechtswidrig und zweckwidrig war und A dadurch in seinen Rechten verletzt wurde, § 113 I VwGO analog, § 68 VwGO.


1. Rechtswidrigkeit


Die an U erteilte Gaststättenerlaubnis müsste rechtswidrig sein. Sie ist rechtswidrig, wenn eine Ermächtigungsgrundlage fehlt oder die formellen oder materiellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen nicht vorliegen.


a) Ermächtigungsgrundlage


Ermächtigungsgrundlage für die Erteilung der Gaststättenerlaubnis ist § 2 I GastG.


b) Formelle Rechtmäßigkeit


Formelle Fehler bezüglich der Zuständigkeit, dem Verfahren oder der Form sind nicht ersichtlich.


c) Materielle Rechtmäßigkeit


Die Erteilung der Gaststättenerlaubnis müsste auch materiell rechtmäßig sein. Voraussetzung dafür ist, dass keine Versagungsgründe des § 4 GastG vorliegen.
Vorliegend könnten Verstöße gegen die §§ 4 I Nr.2 und Nr.3 GastG gegeben sein.

aa) Die Unterlagen der Behörde ergeben, dass die maßgeblichen Immissionsrichtwerte eingehalten werden. Ein Verstoß gegen § 4 I Nr.3 GastG liegt daher nicht vor.

bb) Laut Sachverhalt wurden aber die Vorschriften über die erforderliche Anzahl von Notausgängen nicht eingehalten. Mithin liegt ein Verstoß gegen § 4 I Nr.2 GastG vor. Die Gaststättenerlaubnis ist daher rechtswidrig.


2. Rechtsverletzung


Weiterhin müsste A durch die rechtswidrige Gaststättenerlaubnis in eigenen Rechten verletzt sein. Die Anforderungen an die Eignung der Räume gemäß § 4 I Nr.2 GastG betreffen den Schutz der Gäste und Bediensteten in der Gaststätte, nicht jedoch den Schutz der Nachbarn. Dem Nachbarschutz sollen die Anforderungen nur dienen, soweit es um den Lärmschutz geht. Insoweit sind bei der Gaststätte des U alle Vorschriften beachtet. A ist daher nicht in seinen Rechten verletzt.


3. Der Widerspruch des A ist mithin unbegründet.




III. Ergebnis


Der Widerspruch ist zulässig, aber unbegründet. Er hat keine Aussicht auf Erfolg.
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