Version [87987]
Dies ist eine alte Version von FallStreiteigesHiFiZubehoer erstellt von WojciechLisiewicz am 2018-05-10 14:31:19.
Fallbeispiel: Streitiges HiFi-Zubehör
Sachverhalt
A möchte die Raumakustik seines Hörraums verbessern. Beim HiFi-Händler H in der Nachbarstadt spricht er mit dessen Mitarbeiter M über Standfüße zur Entkopplung von Lautsprechern, die nach Darstellung des M eine absolute Weltneuheit und Lösung aller Probleme des A seien. Dabei übertreibt M allerdings, weil die Geräte allenfalls das Klangbild der Lautsprecher selbst, nicht aber die Raumakustik beeinflussen können. M hofft dennoch, dass die Geräte dem A gefallen und möchte das neue Produkt unbedingt an den Kunden bringen.
A soll sich die Sache noch überlegen. Er bittet seinen 21-jährigen Sohn S, die geeignete Variante der Standfüße für A zu kaufen. Er sieht dafür ein Budget von bis zu 1000,- EUR vor. Eventuell kann S auch bis zu 1200,- EUR ausgeben, dann aber sollte er mit A noch kurz sprechen.
S trifft am 15.1. auf H persönlich. S ist von der Wirkung der Geräte auf das Klangbild durchaus überzeugt. Über das Thema Raumakustik sprechen die beiden allerdings gar nicht. S würde am liebsten die High-End-Variante der Standfüße nehmen, die aber normalerweise 1399,- EUR kostet. H bietet dem S Rabatt an - er könnte die größte Variante für 1099,- EUR haben. Eine nur anders lackierte, aber baugleiche Variante würde 999,- EUR kosten. Die Preise würde H für S bis zum 25. 1. sichern. Er teilt S mit, dass ein Anruf oder eine E-Mail ausreichen, H könne die Geräte dann auch kostenfrei und versichert versenden.
Bis zum 23. 1. hat S keine Gelegenheit mehr, mit seinem Vater zu sprechen. Er schreibt dem H in einer E-Mail am 24. 1., die allerdings durch einen Serverfehler erst am 26. 1. früh in der Mailbox des H landet, dass er sich für die Variante für 1099,- EUR entscheidet und "das schöne Sonderangebot im Namen des A annimmt". Dabei bittet er um Übersendung an A. Die Rechnung werde dann umgehend per Überweisung bezahlt. H sieht zwar, dass die Nachricht ungewöhnlich lange unterwegs war, ist aber der Meinung, dass S nun Pech gehabt habe und den regulären Preis bezahlen muss. Er packt die Sachen ein, fügt eine Rechnung über 1399,- EUR bei und schickt das Paket an A.
A nimmt die Sendung in Empfang und freut sich zunächst, probiert die Geräte aber aus und stellt schnell fest, dass sie nichts bringen. Er erkundigt sich nun genauer und erkennt, dass die Standfüße für ihn nutzlos sind. Deshalb spricht er mit S und H darüber. S wundert sich, warum die Rechnung so hoch ist. Dabei kommt heraus, dass die E-Mail des S zu spät angekommen ist. Vor diesem Hintergrund meint A, dass es ja gar keinen Vertrag geben könne. H verlangt 1399,- EUR, mindestens aber 1099,- EUR und meint, er könne nichts dafür, dass A sich nicht richtig informiert. Für diese Aussagen des M könne er nichts.
Fallfrage
Kann H von A Zahlung der 1399,- EUR oder zumindest der 1099,- EUR verlangen?
Lösungshinweise
Die Fallfrage „Kann H von A Zahlung der 1399,- oder 1099,- EUR verlangen?“ kann nicht mit bloßem JA oder NEIN beantwortet werden. Deshalb ist eine derartige alternative Fragestellung einer Antwort im Gutachten nicht direkt zugänglich. Die Frage ist deshalb in der Weise umzugestalten, dass sie in einem Gutachten beantwortet werden kann. Aus dem Sachverhalt resultiert, dass H nach Möglichkeit einen Kaufpreis in Höhe von 1399,- € erhalten möchte. Diesem primären Interesse des H muss das Gutachten folgen - die Frage nach einem Anspruch auf Zahlung von 1399,- € ist als erste zu prüfen.
Sollte sich dieser Betrag im Laufe des Gutachtens als nicht realisierbar herausstellen, kann (und sollte) im zweiten Anlauf geprüft werden, ob H einen Anspruch auf Zahlung des niedrigeren Kaufpreises (als eine Art Plan B) in Höhe von 1099,- € hat.
Darüber hinaus ist in diesem Fall auf einige Aussagen im Sachverhalt zu achten, die Hinweise auf streitige (und deshalb wichtige!) Umstände des Falles enthalten:
- H behauptet, dass "er nichts dafür könne, dass A sich nicht richtig informiert. Für die Aussagen des M könne er nichts." - hieraus folgt, dass H die eventuellen Versuche des A, sich vom Vertrag zu lösen, nicht akzeptieren wird und auf Zahlung des Kaufpreises im vollen Umfang bestehen wird;
- A meint hingegen: "(...) vor diesem Hintergrund [...], dass es ja gar keinen Vertrag geben könne." - dies ist ein Hinweis darauf, dass A bereits im Abschluss des Vertrages Probleme sieht...
Gutachten - Musterlösung
A. Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB auf Zahlung von 1399,- €
H könnte von A Zahlung der 1399 € aus § 433 Abs. 2 BGB verlangen. Dazu muss er den Anspruch erworben und nicht verloren haben und der Anspruch muss auch durchsetzbar sein.
Dafür muss er mit A einen Vertrag abgeschlossen haben, welcher A inhaltlich zur Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 1399,- € verpflichtet und der Vertrag muss auch wirksam sein.
Das heißt, es muss ein Angebot und eine Annahme dieses Angebotes gegeben haben, das Angebot muss bei Annahme noch annahmefähig gewesen sein und es muss Konsens bestehen.
aa. Angebot des H
H könnte ein Angebot i. S. d. §145 BGB gemacht haben, als er S den Rabatt versprach.
Dafür muss er eine Willenserklärung abgegeben haben, die inhaltlich einen Antrag darstellt, dieser muss A zugehen und darf nicht widerrufen werden.
(1) Abgabe der Willenserklärung. Inhalt
Laut Sachverhalt spricht H mit S am 15. 1. in den Geschäftsräumen des H und bietet ihm einen Rabatt an. Die dabei genannten Preise würde er bis zum 25. 1. für S sichern.
Folglich hat H eine Willenserklärung mit dem Inhalt Angebot abgegeben.
Fraglich ist nur, ob es dem A zugegangen ist.
(2) Zugang
Das Angebot könnte dem A zugegangen sein.
Dazu muss es ihm entweder persönlich zugehen oder der Zugang bei einem Dritten muss dem A zuzurechnen sein. A hat das Angebot nicht von H direkt erhalten, so dass der Zugang bei A persönlich nicht in Betracht kommt. Der Zugang bei S könnte dem A zugerechnet werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn S Vertreter des A ist.
(a) Vertreter
S könnte Vertreter des A sein.
Dafür muss die Vertretung zulässig sein, die Regeln der Vertretung müssen anwendbar sein, S muss im fremden Namen gehandelt und dies auch offengelegt haben.
Die Vertretung ist beim Kauf von HiFi-Zubehör durch den volljährigen S zulässig. Fraglich ist, ob im Falle des eventuellen Zugangs von Willenserklärungen bei S auch Vertretungsregeln der §§ 164 ff. BGB anzuwenden sind. Ein Vertreter ist - insb. in Abgrenzung zu einem Boten o. ä. - eine Person, die eigene Willenserklärungen abgibt und nicht etwa fremde lediglich übermittelt. Dafür spricht in der Regel ein gewisser Handlungsspielraum der Person. In diesem Fall würde S den A lediglich beim Empfangen einer Willenserklärung vertreten, was aber im Rahmen der sog. passiven Vertretung gem. § 164 Abs. 3 BGB ebenfalls denkbar ist.
Im Falle des § 164 Abs. 3 BGB kann von einer eigenen Willenserklärung des S zwar keine Rede sein, dennoch ist seine Rechtsposition in diesem Fall insgesamt maßgeblich. Sofern S dazu ermächtigt ist, eigene Willenserklärungen abzugeben und dementsprechend Verträge abzuschließen, dann kann er diesbezüglich auch als Vertreter Willenserklärungen in Empfang nehmen und ist dabei nicht lediglich Bote.
Laut Sachverhalt soll S eine geeignete Variante der Standfüße kaufen. A hat S in diesem Fall insofern einen weiten Entscheidungsspielraum eingeräumt, so dass ein lediglich Überbringen einer Willenserklärung nicht gewollt war. Damit kann S in diesem Fall nur Vertreter sein, die Regeln der §§ 164 ff. BGB sind anzuwenden.
S müsste im fremden Namen gehandelt haben. Er müsste also das Rechtsgeschäft für jemand anderen abschließen. S braucht kein HiFi-Zubehör und will es für A kaufen. Folglich handelt er in fremdem Namen.
Zuletzt müsste S auch offenlegen, das er in fremdem Namen handelt. Dafür muss er gegenüber H ausdrücklich oder konkludent erkennbar gemacht haben, dass er für A handelt. Im Sachverhalt fehlt die Aussage darüber, inwiefern S gegenüber H im Gespräch im Laden mitgeteilt hat, dass er für A handelt. Aber spätestens in seiner Antwort-Mail nennt er A als Vertragspartner. Damit ist die Vertretung auch offengelegt.
(b) Zugang beim Vertreter
Die Erklärung müsste dem S als Vertreter auch zugegangen sein. Das heißt, sie müsste in der Weise in seinen Herrschaftsbereich gelangen, dass Kenntnisnahme möglich ist. S hat die Erklärung des H (mit dem Rabatt) im Laden des H gehört, damit hat er sie wahrgenommen, so dass die Willenserklärung des H dem Vertreter gegenüber zustande gekommen ist.
Das Angebot des H ist demnach zugegangen und da er auch nicht widerrufen wurde, ist es auch bindend. Ein Angebot seitens H liegt vor.
bb. Annahme des Angebotes
Das Angebot des H könnte angenommen worden sein. Die Voraussetzungen hierfür sind, dass er eine Willenserklärung abgegeben wurde, die inhaltlich eine Annahme ist und sie dem H zugegangen ist.
Laut Sachverhalt schreibt S dem H am 24. 1. per E-Mail, dass er das Angebot für 1099,- EUR annimmt. Dies ist eine Willenserklärung mit dem Inhalt Annahme, die auch abgegeben wurde. Wie oben bereits geprüft, ist das Handeln des S dem A zuzurechnen, so dass die Abgabe der Erklärung durch S dem A zugerechnet werden kann.
Die Annahme müsste H zugegangen sein. Dies ist dann der Fall, wenn sie derart in den Machtbereich des H gelangt ist, dass ihm die Kenntnisnahme möglich war. Im Falle einer E-Mail ist dies dann gegeben, wenn sich die Nachricht zumindest im Postfach auf dem Server des Adressaten befindet. Dies war durch Serverfehler zunächst nicht erfolgt. Spätestens am 26. 1. landet die Nachricht aber im E-Mail-Postfach des H, so dass auch ein Zugang letztlich gegeben ist.
Das Angebot des H wurde durch S im Namen des A auch angenommen.
cc. Annahmefähigkeit des Angebotes
Das Angebot müsste bei Annahme noch annahmefähig gewesen sein. Dafür muss die Annahme insbesondere rechtzeitig erfolgt sein.
(1) Rechtzeitig
Die Annahme könnte rechtzeitig erfolgt sein. Dafür muss sie unter Anwesenden sofort i. S. d. § 147 Abs. 1 BGB oder innerhalb bestimmter Frist nach § 148 BGB zugegangen sein. Im Sachverhalt hat H eine Frist i. S. d. § 148 BGB bis zum 25. 1. gesetzt. Demzufolge müsste die Annahme bis zum 25. 1. zugegangen sein. Die Nachricht mit der Annahme ist allerdings erst am 26. 1. im Postfach des H. Dies ist nicht rechtzeitig i. S. d. § 148 BGB.
Fraglich ist, ob diese Verspätung beachtlich ist.
(2) Verspätung unbeachtlich
Die Verspätung könnte gem. §149 BGB unbeachtlich sein. Dafür muss eine Annahmeerklärung, die verspätet zugegangen ist, so abgesendet worden sein, dass sie bei regelmäßiger Beförderung rechtzeitig zugegangen sein würde. Außerdem hat der Antragende dies erkennen können und es dem Erklärenden dennoch nicht angezeigt.
S schickt dem H am 24. 1. eine E-Mail. Bei regelmäßiger Beförderung würde diese auch noch am selben Tag, also fristgerecht, zugehen. H sieht auch, dass die Nachricht ungewöhnlich lange unterwegs war. Demnach konnte er die überlange Zeit der Zustellung erkennen.
Schließlich muss H er die Benachrichtigung des S über den verspäteten Zugang der Nachricht unterlassen haben. H ist lediglich der Meinung, dass S nun Pech gehabt habe. Eine Anzeige der Verspätung erfolgte nicht.
Folglich ist die Verspätung unbeachtlich.
(3) Zwischenergebnis
Wegen § 149 BGB ist ist die Annahme als rechtzeitig anzusehen und das Angebot annahmefähig gewesen.
dd. Konsens
Angebot und Annahme müssten übereinstimmen. Dies ist dann der Fall, wenn die Erklärungen von H und S inhaltlich gleiche, aufeinander bezogene Aussagen enthalten, dabei eindeutig sind und die inhaltliche Übereinstimmung auch im hinreichenden Umfang besteht.
H hat gegenüber A (vertreten durch S) ein Angebot für die Standfüße zum Preis von 1099,- EUR gemacht. Genau dieses Angebot hat S im Namen des A angenommen.
Demnach stimmen Angebot und Annahme überein.
ee. Ergebnis zu Vertragsschluss
H und A haben einen Vertrag geschlossen.
A (Vertreten durch S) hat allerdings bereits das erste Angebot mit Kaufpreis 1099,- EUR angenommen, so dass der vereinbarte Kaufpreis nicht 1399,- EUR beträgt.
Damit verpflichtet der Vertrag den A nicht dazu, 1399,- EUR zu zahlen.
B. Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB auf Zahlung von 1099,- €
H könnte von A Zahlung der 1099,- EUR gem. § 433 II verlangen. Dafür muss H den Anspruch erworben und dürfte ihn nicht verloren haben und er muss durchsetzbar sein.
Dafür ist erforderlich, dass H mit A einen Vertrag geschlossen hat, der inhaltlich zur Zahlung der 1099,- EUR verpflichtet und wirksam ist.
b. Vertragsinhalt
Der Vertrag müsste inhaltlich zum Kauf der hochwertigen Standfuß-Variante für 1099,- EUR verpflichten. Wie bereits oben geschildert, haben sich A (vertreten durch S) und H genau darüber verständigt: das Angebot für 1099,- EUR wurde durch S angenommen. Demzufolge entspricht der Inhalt des Vertrages dem Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 1099,- EUR.
Der Vertrag müsste inhaltlich zum Kauf der hochwertigen Standfuß-Variante für 1099,- EUR verpflichten. Wie bereits oben geschildert, haben sich A (vertreten durch S) und H genau darüber verständigt: das Angebot für 1099,- EUR wurde durch S angenommen. Demzufolge entspricht der Inhalt des Vertrages dem Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 1099,- EUR.
aa. Mangel der Vertretungsmacht
Der Vertrag könnte gem. § 177 Abs. 1 BGB dadurch unwirksam sein, dass S den Vertrag ohne Vertretungsmacht abgeschlossen hat. Es ist zu prüfen, ob Vertretungsmacht gegeben war. Dies ist dann der Fall, wenn A dem S eine Vertretungsmacht erteilt hat, sie nicht erloschen ist und wenn S innerhalb der Vertretungsmacht gehandelt hat. Eine Vertretungsmacht rechtfertigt ein Rechtsgeschäft ferner dann nicht, wenn sie missbraucht wurde.
(1) Vertretungsmacht erteilt und nicht erloschen
Eine Vertretungsmacht könnte vorliegen. Zur Erteilung der Vertretungsmacht ist erforderlich, dass A eine Willenserklärung gegenüber H oder S abgegeben hat, die inhaltlich Erteilung der Vertretungsmacht darstellt, sie H oder S zugegangen ist.
A bittet seinen Sohn S, die geeignete Variante der Standfüße zu kaufen und nennt dabei, wie viel S dafür ausgeben darf. Dies ist eine Willenserklärung, die inhaltlich Erteilung der Vertretungsmacht darstellt. Sie ist S auch zugegangen.
Im Sachverhalt fehlen Hinweise darauf, dass die Vertretungsmacht widerrufen oder sonst erloschen ist.
Damit wurde die Vertretungsmacht erteilt und sie ist auch nicht erloschen.
(2) Geschäft vom Umfang der Vertretungsmacht gedeckt
Das Rechtsgeschäft könnte vom Umfang der Vertretungsmacht gedeckt sein. Dafür darf S den Umfang der Vertretungsmacht nicht überschritten haben.
Laut Sachverhalt darf S nach Rücksprache bis zu einem Wert von 1200€ kaufen. Ohne Rücksprache mit A erlaubte ihm dieser den Kauf bis zu einem Kaufpreis von 1000,- EUR. S hatte bis zum 23. 1. keine Gelegenheit mehr, mit A zu sprechen. Auch danach wird im Sachverhalt die Rücksprache mit A nicht erwähnt. Und dennoch hat S 1099,- EUR ausgegeben, was gemäß Abstimmung mit A nur dann zulässig war, wenn er mit A Rücksprache gehalten hätte.
Die Missachtung der Abmachung zwischen A und S kann zu Schadenersatzpflicht des S (z. B. aus § 280 Abs. 1 BGB) führen. Diese Regelung zur Notwendigkeit von Rücksprache betrifft allerdings nur das Innenverhältnis zwischen dem Vertreter und dem Vertretenen - Auswirkung auf den Umfang der Vertretungsmacht im Außenverhältnis und auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes gem. § 177 Abs. 1 BGB hat sie grundsätzlich nicht.
Deshalb gilt im Außenverhältnis ausschließlich die absolute Grenze der Ermächtigung - S darf bis zu einem Wert von 1200,- € kaufen.
Demnach ist das von S vorgenommene Rechtsgeschäft vom Umfang der Vertretungsmacht gedeckt.
(3) Kein Missbrauch
Anhaltspunkte für den Missbrauch der Vertretungsmacht (i. S. d. § 181 BGB oder im Rahmen einer sog. Kollusion) sind nicht ersichtlich. Die Vertretungsmacht wurde nicht missbraucht.
(4) Zwischenergebnis zu § 177 BGB
S handelte im Rahmen der Vertretungsmacht. Ein Mangel der Vertretungsmacht ist nicht gegeben, der Vertrag ist nicht gem. § 177 Abs. 1 BGB unwirksam.
bb. Anfechtung
Der Vertrag könnte infolge einer Anfechtung gem. § 142 Abs. 1 BGB unwirksam sein. Dies ist dann der Fall, wenn eine Anfechtung zulässig war, ein Anfechtungsgrund gegeben war, eine fristgemäße Anfechtungserklärung erfolgte, und die Anfechtung nicht ausgeschlossen war.
(1) Anfechtung zulässig
Die Anfechtung ist im Falle eines Kaufvertrages zulässig.
(2) Anfechtungsgrund
Es könnte ein Anfechtungsgrund vorliegen. In Betracht kommen hier insbesondere ein Eigenschaftsirrtum gem. § 119 Abs. 2 BGB und eine arglistige Täuschung gem. § 123 Abs. 1 BGB. In jedem Fall ist aber auch zu prüfen, ob der Willensmangel die massgebliche Person trifft, so dass eine Anfechtung möglich ist (§ 166 BGB).
(a) § 119 Abs. 2 BGB
Das Rechtsgeschäft könnte gem. § 119 Abs. 2 BGB anfechtbar sein. Dies ist dann der Fall, wenn der Anfechtungsberechtigte einem Irrtum unterlag, welcher die Eigenschaften einer Person oder Sache betrifft. Der Irrtum muss ferner verkehrswesentlich und kausal für die Abgabe der Willenserklärung gewesen sein.
A möchte die Raumakustik seines Hörraums verbessern. Nach dem Gespräch mit dem Mitarbeiter des H - dem M - geht er davon aus, dass die Standfüße dabei helfen können. Tatsächlich können die Standfüße nichts gegen schlechte Raumakustik bewirken. Deshalb befindet sich A in einem Irrtum.
Der Irrtum müsste Eigenschaften einer Person oder Sache betreffen. Im Hinblick auf eine Sache sind Eigenschaften i. S. d. § 119 Abs. 2 BGB alle Merkmale, die der Sache anhaften und aufgrund Ihrer Beschaffenheit und Dauer auf die Brauchbarkeit und Wert der Sache von Einfluss sind. Die technischen Eigenschaften der Standfüße, ihr Einfluss auf das Klangbild einer HiFi-Anlage sind Merkmale, die der Sache anhaften. Deshalb können sie als Eigenschaften der Sache bezeichnet werden.
Die Eigenschaften müssten auch verkehrswesentlich, d. h. insbesondere wertbildend sein. Erfüllt die Sache die erwartete Funktion gar nicht, dann fehlen ihr gerade verkehrswesentliche Merkmale. Die aus Sicht des A erwartete aber fehlende Eigenschaft ist verkehrswesentlich.
Schließlich müsste der Irrtum kausal für die Abgabe der Willenserklärung gewesen sein. Ohne die Eigenschaft ("beeinflusst den Hörraum nicht") dürfte A den Vertrag nicht gewollt haben. Dem A kommt es gerade auf die Eigenschaft an, dass die Standfüße das Klangbild im Hinblick auf die Hörraumcharakteristik beeinflussen. Hätte er gewusst, dass die Standfüße gegen Probleme mit Raumakustik nicht helfen, hätte er sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gekauft.
Ein Anfechtungsgrund i. S. d. § 119 Abs. 2 BGB ist gegeben.
(b) § 123 Abs. 1 BGB
Es könnte ein Anfechtungsgrund der arglistigen Täuschung gem. § 123 Abs. 1 BGB vorliegen. Voraussetzung dafür sind eine Täuschungshandlung des Anfechtungsgegners, ein Irrtum, zu dem die Täuschung geführt hat (Kausalität), sie muss widerrechtlich und arglistig (vorsätzlich) sein.
Eine Täuschungshandlung ist in Form eines aktiven Tuns oder eines pflichtwidrigen Unterlassens denkbar. Sie ist mit Behauptung falscher oder Unterdrückung wahrer Tatsachen verbunden. Im Sachverhalt stellt M die Standfüße als Lösung aller Probleme des A dar. Dies trifft aber nicht zu, weshalb er falsche Tatsachen behauptet. Darin liegt eine Täuschungshandlung des M vor.
Die Täuschungshandlung ist aber nicht durch den Anfechtungsgegner - also den Vertragspartner des A, den H - verübt worden. Es stellt sich die Frage, ob hier eine Täuschung durch Dritten i. S. d. § 123 Abs. 2 BGB vorliegt. Dritter i. S. d. § 123 BGB ist allerdings nicht jede Person, die nicht mit dem Vertragspartner identisch ist. Insbesondere Erfüllungsgehilfen, Mitarbeiter oder Vertreter des Vertragspartners sind nicht als Dritte i. S. d. Vorschrift zu behandeln.
M ist Mitarbeiter des H, weshalb seine Handlungen im Rahmen des § 123 Abs. 1 BGB uneingeschränkt als Handlungen des H zu behandeln sind. Damit handelte hier gar kein Dritter im Sinne der Vorschrift, die Täuschungshandlung des M ist eine Täuschungshandlung des Anfechtungsgegners.
Die durch den M vorgenommene Täuschung war nicht gerechtfertigt. Damit ist sie rechtswidrig.
Fraglich ist, ob M vorsätzlich handelte. M hat laut Sachverhalt "etwas übertrieben". Dies bedeutet implizit, dass dem M diese Übertreibung auch bewusst war. Auch, wenn M den A vielleicht nicht absichtlich belügen wollte, hat er zumindest billigend in Kauf genommen, dass A in den Standfüßen eine Lösung aller Probleme sieht - ohne dass dies zutrifft. M handelte vorsätzlich.
Die Täuschung müsste kausal für den Irrtum sein, der Irrtum kausal für den Vertragsabschluss. A hat erst durch die Aussagen des M die Standfüße als Lösung seiner Hörraumprobleme betrachtet, damit ist die Täuschungshandlung kausal für seinen Irrtum. Uf der Grundlage dieses Irrtums hat A dann S gebeten, die Standfüße zu kaufen, so dass auch diesbezüglich eine Kausalität gegeben ist.
Es ist festzuhalten, dass eine arglistige Täuschung i. S. d. § 123 Abs. 1 BGB vorliegt.
(c) Maßgebliche Person, § 166 BGB
Fraglich ist, inwiefern der Irrtum gem. § 119 Abs. 2 BGB bzw. die Täuschung gem. § 123 Abs. 1 BGB die maßgebliche Person betreffen. Hier hat sich der A als Vertragspartner geirrt, er wurde auch von M getäuscht. Gem. § 166 BGB ist aber im Falle des Vertragsschlusses durch einen Vertreter nicht die Person des Vertretenen sondern die des Vertreters maßgeblich. Dies wäre in diesem Fall aber S und nicht A.
S wurde allerdings nicht getäuscht und er hat sich bei Abschluss des Vertrages mit H gar keine Gedanken darüber gemacht, ob die Standfüße die Raumakustik beeinflussen - er behandelte die Standfüße als HiFi-Zubehör mit einer gänzlich woanders ansetzenden Wirkung. Demnach betreffen die oben festgestellten Willensmängel nicht die gem. § 166 Abs. 1 BGB maßgebliche Person.
Dieses Ergebnis würde aber dem Gedanken des § 166 Abs. 2 BGB widersprechen. Danach ist zumindest im Hinblick auf die Wissenszurechnung nicht immer die Person des Vertreters maßgeblich. Dabei kommt es auf die Person des Vertretenen zumindest dann an, wenn der Vertretene dem Vertreter bestimmte Weisungen erteilt. Dies könnte im vorliegenden Fall analog auf die Frage der Willensmängel parallel zur Wissenszurechnung gem. § 166 Abs. 2 BGB angewendet werden.
Voraussetzung von Analogie ist das Vorliegen von vergleichbaren Sachverhalten sowie einer vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Regelungslücke. Die Frage der Wissenszurechnung sowie die Zurechnung von Willensmängeln sind eng miteinander verwandt, weshalb sie als vergleichbare Probleme bzw. Situationen bezeichnet werden können. Die Frage einer Weisung eines getäuschten Vertretenen ist im BGB nicht geregelt. Damit liegt eine Regelungslücke vor. Dass diese Regelungslücke vom Gesetzgeber mit Absicht geschaffen wurde, ist nicht ersichtlich. Deshalb steht der analogen Anwendung des § 166 Abs. 2 BGB auf die Fälle eines Irrtums oder einer Täuschung nichts im Wege.
Im vorliegenden Fall hat S die Standfüße bei H nur deshalb gekauft, weil A die Entscheidung über den Kauf grundsätzlich getroffen hat und den Kauf dem S aufgetragen. Dies kann als eine entsprechende Weisung i. S. d. § 166 Abs. 2 BGB gesehen werden. Deshalb kommt es im vorliegenden Fall doch auf die Person des Vertretenen an, also auf die Willensmängel, die den A persönlich betreffen. Dass der handelnde S nicht getäuscht wurde und auch nicht irrtümlich handelte, ändert an der Anfechtungsmöglichkeit durch A nichts.
Ein Anfechtungsgrund liegt vor.
(3) Anfechtungserklärung innerhalb der Frist
Es müsste eine Anfechtungserklärung vorliegen. Das heißt, eine Willenserklärung, die inhaltlich eine Anfechtung darstellt, muss abgegeben worden und H zugegangen sein. Eine solche Erklärung ist im Sachverhalt nicht ausdrücklich genannt. Die Beanstandung des Rechtsgeschäftes durch A kann aber als eine solche gewertet werden. Sollte darin noch keine hinreichend klar formulierte Anfechtungserklärung zu sehen sein, müsste A diese noch innerhalb der Frist erklären.
Die Anfechtung gem. § 119 Abs. 2 BGB müsste unverzüglich erfolgen, die gem. § 123 Abs. 1 BGB innerhalb eines Jahres jeweils ab Kenntnisnahme. Dies ist noch ohne Weiteres möglich.
(4) Kein Ausschluss
Die Anfechtung dürfte auch nicht ausgeschlossen sein. Insbesondere eine Bestätigung des Vertrages durch A ist nicht zu konstatieren. Die Anfechtung ist nicht ausgeschlossen.
(5) Ergebnis zu Anfechtung
Damit ist die Anfechtung mit der Folge möglich, dass der Vertrag gem. § 142 Abs. 1 BGB nichtig ist.
Sofern eine Anfechtungserklärung unzweifelhaft vorliegt, ist der Vertrag gem. § 142 Abs. 1 BGB nichtig.
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