Version [3794]
Dies ist eine alte Version von FallOhneTransportkostenBitte erstellt von WojciechLisiewicz am 2009-11-12 15:39:28.
Fall: Bestellung ohne Transportkosten
A. Sachverhalt
Geiz (G) will bei Schlau (S) Büromöbel bestellen. Nach einer telefonischen Verhandlung, in der verabredet wird, dass G dem S eine Bestellung per E-Mail sendet, schreibt G:
Bitte um Lieferung der Ausstattung für 5 Büroräume inkl. Bürostühle wie besprochen und in der Anlage aufgelistet. Preis 10.000 EUR inklusive Transport. Lieferung in meinen Geschäftsräumen bis 31.10.
S veranlasst eine Lieferung, bei der dem G auch eine Rechnung übergeben wird, in der neben dem Kaufpreis zusätzlich Transportkosten in Höhe von 500 EUR berechnet werden. G beachtet es erst nicht, nimmt Möbel in Empfang. Anschließend bezahlt er nur die Möbel unter Berufung darauf, dass seine Bestellung inklusive Transport war. S verlangt Zahlung der 500 EUR.
B. Frage
Wie ist die Rechtslage?
C. Musterlösung
S könnte gegen G einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises i.H.d. verbleibenden 500 EUR gem. § 433 Abs. 2 BGB haben. Der Anspruch ist gegeben, wenn ihn S erworben und nicht verloren hat und dieser auch durchsetzbar ist. Anspruch ist erworben, wenn ein Vertrag geschlossen ist, der inhaltlich einen Kaufvertrag darstellt und dieser wirksam ist.
1. Vertragsschluss
In Betracht kommt hier ein Vertragsschluss durch Angebot und Annahme, §§ 145 ff. BGB. Der Vertragsschluss ist in diesem Fall gegeben, wenn zwei übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen, d. h. Angebot und Annahme.
a. Angebot des G
Dadurch, dass G eine E-Mail mit allen Bestandteilen des beabsichtigten Vertrages an S geschrieben hat, hat er eine Willenserklärung abgegeben, die inhaltlich einen Antrag darstellt und die dem S laut Sachverhalt zugegangen ist.
b. Annahme durch S
S könnte das Angebot des G angenommen haben, indem er die Büroausstattung geliefert hat. Voraussetzung dafür wäre, dass eine Willenserklärung des S vorliegt, diese inhaltlich eine Annahme darstellt, durch S abgegeben wurde und dem G als Adressaten zugegangen ist.
Durch die Lieferung der Möbel hat S konkludent eine Erklärung abgegeben, dass er einen Vertrag über die Möbel will. Die aus der Lieferung folgende Erklärung des S stellte allerdings keine uneingeschränkte und unbedingte Annahme des Angebots von G dar. Damit liegt ein neues Angebot i.S.d. § 150 Abs. 2 BGB vor. Damit dieses neue Angebot zum Vertragsschluss führt, müsste es von dem anderen (ursprünglich Antragenden) angenommen werden, und zwar innerhalb der Bindungsfrist und eine Übereinstimmung müsste gegeben sein.
c. Annahme durch G
Durch den Empfang der Lieferung könnte G konkludent das neue Angebot des S angenommen haben. Voraussetzung dafür wäre, dass eine Willenserklärung des G vorliegt, diese inhaltlich eine Annahme darstellt, durch G abgegeben wurde und dem S als Adressaten zugegangen ist.
Eine ausdrückliche Erklärung seitens G liegt nicht vor. Er hat aber die Lieferung in Empfang genommen, ohne dass er der Rechnung widersprochen hat. Er hatte aber die Möglichkeit, Klärung des Sachverhaltes mit S herbeizuführen. Nach dem objektiven Empfängerhorizont bedeutet dies eine konkludente Willenserklärung mit dem Inhalt der Annahme.
Problematisch ist jedoch, ob G die (konkludente) Willenserklärung gegenüber dem S so abgegeben hat, dass sie ihm zugegangen ist. S hat nicht mitbekommen, wann die Lieferung bei G eingetroffen ist und erst später, dass G sie in Empfang genommen hat.
Nach § 151 BGB kommt der Vertrag durch Annahme jedoch auch dann zustande, wenn die Verkehrssitte keine Annahmeerklärung voraussetzt oder wenn der Antragende auf Annahme verzichtet hat. Da S hier die Möbel geliefert hat, erwartet er, dass diese nunmehr bezahlt werden. Es kommt für ihn nicht mehr darauf an, dass G ihm gegenüber die Annahme ausdrücklich erklärt. Damit hat S auf Annahmeerklärung verzichtet i.S.d. § 151 S.1 BGB.
Damit hat G das Angebot des S angenommen.
d. Übereinstimmung
Die Erklärungen stimmen überein, wenn sie sich inhaltlich decken, eindeutig sind und den Vertragsinhalt im notwendigen Umfang regeln.
Nach dem inneren Willen des G war keineswegs ein Vertrag "zuzüglich Transportkosten" beabsichtigt. Nach dem objektiven Erklärungsgehalt - G hat die Lieferung mit der Rechnung widerspruchslos akzeptiert - bedeutet das verhalten des G eine übereinstimmende Erklärung mit dem Angebot des S.
Die Erklärungen des G wie des S waren eindeutig. Darüber hinaus enthielten sie den notwendigen Umfang des Kaufvertrages.
Damit ist Übereinstimmung gegeben.
e. Zwischenergebnis
Zwischen G und S ist somit ein Vertrag zustande gekommen.
2. Vertragsinhalt
Nach dem vorliegenden Vertragsverhältnis ist von einem Kaufvertrag auszugehen. Da G die Transportkosten widerspruchslos zur Kenntnis genommen hat, umfasst dieser Vertrag auch die Pflicht, die Transportkosten neben dem eigentlichen Kaufpreis zu begleichen.
3. Wirksamkeit
Fraglich ist, ob der Vertrag wirksam ist. Hier könnte G gem. § 142 BGB den Vertrag anfechten...
(Fortsetzung folgt)
D. Lösungshinweise
Es kommt auf die Frage an, zu welchem Zeitpunkt Angebot und zu welchem Annahme erfolgt ist. Welche der Erklärungen als Angebot und welche als Annahme zu werten ist, ist im Wege der Auslegung nach § 133 BGB und § 157 BGB zu ermitteln.
CategoryFallsammlungWIPR
Diese Seite wurde noch nicht kommentiert.