Version [72622]
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Fall: Nicht gegründete Gesellschaft
A. Sachverhalt
Geschäftig (G), der als Einzelkaufmann tätig ist, handelt mit Industriedruckern. Er baut sein Geschäft aus und möchte zur Risikominimierung sein privates Vermögen von der gewerblichen trennen. Deshalb möchte er eine GmbH gründen. Er hat bereits einen Gesellschaftsvertrag mit seinem Bekannten, dem Wirtschaftsjuristen W, herausgearbeitet und einen Namen ausgedacht ("PrinteX GmbH"). Bevor er den Gesellschaftsvertrag notariell beurkunden lässt (Termin ist mit dem Notar für den 31. 10. ausgemacht), verkauft er dem Druckereibetreiber Naiv (N) am 4. 10. die Ausstattung für die neue Druckerei des N zum sehr günstigen Preis von 78.500 EUR. G und N einigen sich, dass N eine Anzahlung in Höhe von 20.000 EUR tätigt, damit G schnell und verbindlich die Geräte schon beim Hersteller reservieren und damit zeitnah liefern kann.
Da G bereits Stempel und Briefpapier für seine neue GmbH hat anfertigen lassen, unterzeichnet er bereits alle Unterlagen, insbesondere den Vertrag mit N, als "G, Geschäftsführer der PrinteX GmbH" auf dem neuen Briefpapier. N überweist die Anzahlung auf das Geschäftskonto des G bereits am 5. 10.
Am 15. 10. stellt es sich heraus, dass G in massiven finanziellen Schwierigkeiten steckt, weshalb er die GmbH gar nicht gründen kann. Sein gesamtes Vermögen - sowohl das private wie das geschäftliche - wird gepfändet, das Stammkapital für seine "PrinteX GmbH" kann G nicht aufbringen. Um zumindest einige Geschäftswerte zu retten und Insolvenz abzuwenden, bittet G seinen Wettbewerber Kulant (K) um Hilfe. K übernimmt das (nach Versteigerung einiger Vermögensgegenstände verbliebene) Geschäft einschließlich der meisten Kunden (nicht aber den N) und gründet auch die von G geplante "PrinteX GmbH" ordnungsgemäß. G selbst wird nur ein Angestellter des K und arbeitet nun in der GmbH.
N verlangt nun von der PrinteX GmbH Lieferung oder Rückzahlung des Kaufpreises.
B. Frage
Hat N Ansprüche? Gegen wen?
C. Fallabwandlung 1
Wie ist der Fall zu bewerten, wenn sich der Sachverhalt wie folgt darstellt:
- G hat vor Abschluss des Vertrages mit N einen Gesellschaftsvertrag notariell ausfertigen lassen,
- die finanzielle Notlage des G ist kurz vor der Eintragung der Gesellschaft aufgetreten,
- der Gesellschaftsvertrag der Printer GmbH wird nach der Eintragung ins Handelsregister dahingehend geändert, dass K alleiniger Gesellschafter ist.
D. Fallabwandlung 2
Wie ist der Fall zu bewerten, wenn sich der Sachverhalt wie folgt darstellt:
- G hat vor Abschluss des Vertrages mit N die niederländische PrinteX BV mit Sitz in Amsterdam übernommen,
- anschließend hat G den Sitz der PrinteX BV nach Münster verlegt und bemüht sich dies im Handelsregister in Deutschland einzutragen,
- sein Geschäft überträgt er systematisch auf die PrinteX BV
- den Vertrag mit N unterzeichnet er im Namen und für die PrinteX BV,
- danach wird die PrinteX BV insolvent.
E. Lösungsskizze
1. Ansprüche gegen die G-und-K-GmbH
N kann gegen die G-und-K-GmbH Anspruch auf Lieferung oder auch auf Rückzahlung nur dann haben, wenn er mit ihr einen Vertrag geschlossen hat bzw. an sie eine Zahlung geleistet hat. Dem N gegenüber ist allerdings die G-und-K-GmbH in keiner Weise aufgetreten, weshalb Ansprüche ausgeschlossen sind. Auch wenn G Gesellschafter der G-und-K-GmbH sein sollte, haben eventuelle Ansprüche gegen ihn nichts mit Verpflichtungen der GmbH zu tun, die ein eigenständiges Rechtssubjekt ist.
N kann gegen die G-und-K-GmbH Anspruch auf Lieferung oder auch auf Rückzahlung nur dann haben, wenn er mit ihr einen Vertrag geschlossen hat bzw. an sie eine Zahlung geleistet hat. Dem N gegenüber ist allerdings die G-und-K-GmbH in keiner Weise aufgetreten, weshalb Ansprüche ausgeschlossen sind. Auch wenn G Gesellschafter der G-und-K-GmbH sein sollte, haben eventuelle Ansprüche gegen ihn nichts mit Verpflichtungen der GmbH zu tun, die ein eigenständiges Rechtssubjekt ist.
2. Anspruch gegen G-GmbH auf Lieferung gem. § 433 I BGB
Die Frage, ob N gegen eine G-GmbH einen Anspruch hat, macht nur dann überhaupt Sinn, wenn N seinen Anspruch gegen diese G-GmbH geltend machen kann, d. h. wenn sie der richtige Anspruchsgegner oder - anders ausgedrückt - passivlegitimiert ist.
Die Frage, ob N gegen eine G-GmbH einen Anspruch hat, macht nur dann überhaupt Sinn, wenn N seinen Anspruch gegen diese G-GmbH geltend machen kann, d. h. wenn sie der richtige Anspruchsgegner oder - anders ausgedrückt - passivlegitimiert ist.
Sie ist passivlegitimiert, wenn sie rechtsfähig ist und sich ein eventueller Anspruch des N gerade gegen sie richtet (und nicht gegen jemand anderen). Bereits bei der ersten Frage (Rechtsfähigkeit) bestehen in diesem Fall Zweifel. Eine GmbH wird mit der Eintragung ins Handelsregister rechtsfähig, § 11 GmbHG. Allerdings kann sie auch in der Gründungsphase teilweise Träger von Rechten und Pflichten sein. So auch im Falle einer Vorgesellschaft der GmbH, die bereits mit Abschluss eines (in der Regel notariellen) Vertrages gem. § 2 Abs. 1 GmbHG entsteht. Da hier aber nicht einmal der Gesellschaftsvertrag beurkundet wurde, handelt es sich nicht um eine Vorgesellschaft und damit um gar kein Rechtssubjekt.
G ist im vorliegenden Fall somit gegenüber dem N als Geschäftsführer einer nicht existenten Gesellschaft aufgetreten. Da die Gesellschaft nicht existent war, kann sie kein Träger von Rechten und Pflichten gewesen sein, gegen sie sind auch keine Ansprüche möglich.
Denkbar sind allerdings - auch wenn bei Mittellosigkeit nicht werthaltige:
F. Lösung der FallabwandlungHier wurde der Anspruch zwar auch nicht gegen eine existente, rechtsfähige Gesellschaft begründet. Eine juristische Person wird die GmbH erst dann, wenn sie ins Handelsregister eingetragen wird, § 11 Abs. 1 GmbHG. Ungeachtet dessen ist für die Gründungsphase ab Beurkundung des Gesellschaftsvertrages eine besondere Konstruktion der Vorgesellschaft anerkannt, die teilweise Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Da anerkannt ist, dass die Vorgesellschaft grundsätzlich am Rechtsverkehr teilnehmen kann, ist sie auch in diesem Stadium (Teil-)rechtsfähig. Damit können gegen sie auch Ansprüche geltend gemacht werden. Wird die Vorgesellschaft - ungeachtet eventueller Änderungen am Gesellschaftsvertrag - eingetragen, gehen auf die damit entstehende juristische Person alle Rechte und Pflichten der Vorgesellschaft über.
Sofern G im vorliegenden Fall laut Gesellschaftsvertrag und nach dem Willen der jeweiligen Gründer handelte, kann N von der G-und-K-GmbH Lieferung der Ausstattung oder - je nach Konstellation - Rückzahlung des Kaufpreises verlangen.
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