Fallbeispiel: Neue Regeln ohne Satzungsänderung
Sachverhalt
A, B und C sind Gesellschafter der Import-Export-International GmbH (I) – A und B mit jeweils 30 %, C mit 40 %. Im Gesellschaftsvertrag der I ist vorgesehen, dass die Gesellschaft zwei Geschäftsführer hat. Dabei wird einer der Geschäftsführer allein durch C bestimmt, der zweite gemäß den allgemeinen Regeln.C ist ca. 6 Monate lang krank gewesen, weshalb er die Geschäfte der Gesellschaft nicht so genau verfolgte. Das gute Verhältnis unter allen Gesellschaftern führte dazu, dass in Abwesenheit des C die übrigen Gesellschafter – A und B – nach bestem Wissen und Gewissen die Gesellschaft leiteten und C ihnen dafür auch dankbar war.
Als während der Krankheit des C ein neuer Geschäftsführer von C bestimmt werden sollte, war C etwas ratlos und bat A und B auch diesbezüglich um Hilfe. Er fasst mit A und B einvernehmlich einen Beschluss, dass von jetzt an beide Geschäftsführer nach allgemeinen Regeln bestimmt werden. Der Beschluss wurde in der Sitzung der Gesellschafterversammlung gefasst und – wie alle anderen Beschlüsse in der I üblich – dokumentiert. Anschließend haben A und B in Abwesenheit des C einen neuen Geschäftsführer – den X – berufen.
Nachdem der Vertrag mit X ausläuft möchte C den Nachfolger des X als Geschäftsführer allein bestimmen. A und B verweisen auf den Beschluss und akzeptieren den Wunsch des C nicht.
Rechtslage?
Fallabwandlung
In dem Beschluss der Gesellschafter A, B und C im Grundfall wurde ausdrücklich festgelegt, dass der gemäß Gesellschaftsvertrag von C zu bestimmende Gesellschafter einmalig durch Mehrheitsbeschluss, also nach allgemeinen Regeln berufen werden soll. Das im Gesellschaftsvertrag diesbezüglich vorgesehene Verfahren soll einmalig nicht gelten.Nachdem C wieder gesund ist, stellt er fest, dass der X aus seiner Sicht als Geschäftsführer nichts taugt. Er behauptet nun, dass X abberufen und ein neuer Geschäftsführer durch ihn bestimmt werden soll. A und B weigern sich und verweisen auf den noch laufenden Vertrag mit X sowie auf den o. g. Beschluss über die Berufung des Geschäftsführers nach allgemeinen Regeln.
Wie ist in diesem Fall die Rechtslage?
Lösungshinweise - Grundfall
In dem Grundfall stellt sich in erster Linie die Frage, inwiefern der durch die Gesellschafter einvernehmlich gefasste Beschluss wirksam ist. Der Beschluss kann als eine Änderung des Gesellschaftsvertrages gefasst werden, weshalb er als solcher nichtig sein könnte.Bei analoger Anwendung des § 241 Nr. 2 AktG sind Mängel der notariellen Beurkundung der Beschlüsse einer Gesellschaft als Nichtigkeitsgründe zu qualifizieren. Ein Beschluss der Gesellschafterversammlung einer GmbH, mit dem der Gesellschaftsvertrag geändert wird, ist gem. § 53 Abs. 2 GmbHG notariell zu beurkunden.
Sofern also der Beschluss in diesem Falle
- eine Änderung des Gesellschaftsvertrages darstellt und
- nicht notariell beurkundet
- und nicht geheilt wurde (§ 242 Abs. 2 AktG),
Allerdings sind in diesem Fall nicht nur der Beschluss selbst, sondern auch die eventuell auf dessen Grundlage vorgenommenen Handlungen zu überprüfen. Und eine solche Handlung stellt insbesondere die streitige Berufung des Geschäftsführers, nachdem C seinen diesbezüglichen Wunsch geäußert hatte. In der Gesellschaft haben A und B insgesamt 60 % der Stimmen und könnten sich mehrheitlich gegen die Forderung des C durchsetzen, dass C allein einen der Geschäftsführer bestimmt. Dabei würden sich A und B auf den mit C gemeinsam gefassten Beschluss berufen, dessen Wirksamkeit oben geprüft wurde.
Sofern der o. g. Beschluss über die Berufungsregeln an sich nichtig ist, fehlt für die veränderten Berufungsregeln eine Rechtsgrundlage und es gilt allein der Gesellschaftsvertrag. Demnach kann C den Geschäftsführer nach wie vor allein bestimmen.
Die durch die Gesellschafter getroffene Regelung muss allerdings hinreichend gewürdigt werden. Wenn dies oben, bei der Prüfung der Wirksamkeit des Beschlusses an sich nicht berücksichtigt wird, muss dies spätestens bei der Frage geschehen, inwiefern die auf dem Beschluss über die veränderten Berufungsregeln für Geschäftsführer basierenden Beschlüsse wirksam sind. Denn für den - eventuell unwirksamen - Beschluss über Änderung des Gesellschaftsvertrages kommt in diesem Fall eine Umdeutung in eine schuldrechtliche Verpflichtung der Parteien, die Berufung doch nach allgemeinen Regeln (Mehrheitsbeschlüsse) vorzunehmen. Dies wäre hier genauer zu prüfen. Sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- ein nichtiges Rechtsgeschäft liegt vor,
- es genügt den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäftes,
- die Wirkung des anderen Geschäftes (Ersatzgeschäft) reicht nicht weiter, als das ursprünglich vorgenommene Rechtsgeschäft sie entfaltet hätte,
- der von den Parteien erstrebte Erfolg wird durch die Rechtsordnung nicht per se missbilligt,
- Umdeutung entspricht dem mutmaßlichen Willen der Parteien,
Lösungshinweise - Fallabwandlung
Im Grundfall ist problematisch (was oben nicht ausführlich behandelt wurde), dass die Parteien nicht nur eine punktuelle Satzungsdurchbrechung vorgenommen haben, sondern auch eine zustandsbegründende. Dies macht den Beschluss von vornherein nichtig.In der Fallabwandlung scheint dies anders zu sein, da lediglich einmalig die Berufung des Geschäftsführers der GmbH anders erfolgen soll, als im Gesellschaftsvertrag vorgesehen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Beschluss automatisch gerettet werden kann. Folgende Probleme sind nach wie vor zu berücksichtigen:
- die Berufung eines Geschäftsführers erledigt sich nicht mit dem Beschluss, sondern führt durchaus einen Zustand herbei, der für die Zeit der Berufung des Geschäftsführers andauert,
- auch für eine punktuelle Satzungsdurchbrechung wird von der h. M. zumindest eine notarielle Beurkundung verlangt (nicht erforderlich ist lediglich die Registereintragung).
Sofern der Beschluss über die Änderung der Berufungsregeln auch in diesem für unwirksam erachtet werden muss, sind die Umdeutungsregeln gem. § 140 BGB ebenfalls zu berücksichtigen.
Siehe auch Grunewald, S. 375, Rn. 94, 95
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