Wissensdatenbank Wirtschaftsrecht

aktuelles Dokument: FallKlausur1
image4
image3
image2
image1
 Alle Kategorien:
  Forschungsdatenbank
  Lehrveranstaltungen
  Lexikon
  Literatur
  Rechtsgebiete
  Rechtsprechung
  Service
  Studium F H S
  Wissensmanagement
ich war hier: FallKlausur1

Fallbeispiel 8


A. Sachverhalt

Student Flink (F) möchte in der Nachbarschaft seiner Hochschule einen Copy-Shop eröffnen, weil er gehört hat, dass für Kopierdienstleistungen noch ein erheblicher Bedarf besteht. Zu diesem Zweck möchte er von seinen Ersparnissen und mit geringfügiger Unterstützung seiner Eltern eine angemessene Ausstattung anschaffen. Er möchte eine besonders effiziente, leistungsfähige vollständig computergesteuerte Kopiertechnik anschaffen. Er überblickt dabei allerdings den genauen Bedarf nicht und sucht einen Experten, der ihn dabei unterstützt. Der Inhaber des kleinen Computerladens Tüftel (T) verspricht ihm Hilfe, weil er – nach seiner Aussage – diese Technik einwandfrei beherrsche. Um notwendige Gerätschaften im Namen und für Rechnung des F problemlos zu besorgen, erteilt F dem T eine Vollmacht, mit welcher T im Namen des F Geräte und Software im Wert von bis zu 15.000,- EUR erwerben soll.

T informiert den F regelmäßig über den Fortschritt der Beschaffungen. Die vielen Fachbegriffe, die F dabei hört, versteht F zwar überhaupt nicht, er verlässt sich jedoch auf die Fachkompetenz des T, in die er vom Anfang an absolut vertraut. Insbesondere geht F davon aus, dass der von T bei der Firma Xanon (X) für 7.000 EUR gekaufte Multifunktionsdrucker und die ebendort für 6.000 EUR bestellte Software genau das sind, was F für den Kopierladen benötigt.

Nachdem alle Beschaffungen erledigt sind, soll der Copy-Shop den Betrieb aufnehmen. Die Gerätschaften wollen jedoch nicht funktionieren, insbesondere kann T die so tolle Software nicht zum Laufen bringen. Daraufhin fragt F einen anderen Fachmann, der ihm nun viel einfacher und wahrheitsgemäß erklärt, dass die gekauften Gerätschaften absolute Fehlinvestitionen sind, weil der Drucker mit der gekauften Software nie zusammenarbeiten wird und nur mit einer Lösung für 20.000 EUR im Verbund mit weiteren Geräten Sinn macht. Eigentlich müsste F viel kleinere Komplettlösung erwerben – dies dürfte jedem Techniker einleuchten. Es stellt sich heraus, dass T keine Ahnung von Kopiertechnik hat.

F ist sprachlos und will die Anschaffungen (Multifunktionsdrucker für 7.000 EUR und Software für 6.000 EUR) rückgängig machen. Er weigert sich, die Rechnungen der X zu begleichen und erklärt gegenüber X, dass dies alles ein großes Missverständnis sei, weshalb er nicht an die durch T geschlossenen Verträge gebunden sein könne.

B. Fallfrage

Welche Ansprüche hat X? Gegen wen?

C. Lösungsskizze

Anspruchsgrundlagen

I) X -> F gem. § 433 Abs. 2 BGB
II) X -> F gem. § 812 Abs. 1 S. 1 1.Alt. BGB

X -> F gem. § 433 Abs. 2 BGB

X könnte gegen F einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises gem. § 433 Abs. 2 BGB haben. Dies ist der Fall, wenn der Anspruch entstanden, nicht verloren und durchsetzbar ist.

I) Anspruch entstanden
Der Anspruch könnte entstanden sein. Voraussetzung dafür ist, dass ein Vertrag geschlossen wurde, dieser inhaltlich einen Kaufvertrag darstellt und keine Wirksamkeitshindernisse vorliegen.

1) Vertragsschluss (hier durch Angebot und Annahme)
Der Vertrag könnte geschlossen worden sein. Ein Vertrag wurde geschlossen wenn ein Angebot und eine Annahme vorliegen, das Angebot annahmefähig war und beide übereinstimmen.

a) Angebot (könnte seitens des F vorliegen)
Es könnte ein Angebot seitens des F vorliegen. Ein Angebot liegt vor, wenn es sich um eine Willenserklärung handelt, diese inhaltlich ein Angebot darstellt, abgegeben wurde und zugegangen ist und nicht widerrufen wurde.

aa) Willenserklärung (+)
Es handelt sich um eine Willenserklärung.

bb) Inhalte: Angebot (+)
Es handelt sich inhaltlich um ein Angebot.

cc) Abgabe (hier durch einen Dritten, den T)
Die Willenserklärung müsste nun noch abgegeben worden sein. T könnte die Willenserklärung für den F abgegeben haben. Die Willenserklärung des T müsste jedoch dem F zugerechnet werden können gem. § 164 ff. BGB. Dies setzt voraus, dass die Willenserklärung dem F nach §§ 164 ff. BGB zurechenbar ist, die Erklärung auf den Weg gebracht wurde und mit Zugang zu rechnen ist.

Zurechnung nach §§ 164 ff. BGB
  • Vertretung zulässig (+), da der Vertreter nicht geschäftsunfähig ist und kein vertretungsfeindliches Geschäft vorliegt
  • Regeln der Vertretung anwendbar (+), da T eine eigene WE abgibt und somit einen Entscheidungsspielraum hat
(Abgrenzung zwischen Bote und Vertreter)
  • Handeln im fremden Namen (+), im Namen des F
  • Offenlegung hier nicht erfolgt, aber hier ist die Offenlegung unerheblich für den Vertragspartner X (+)
  • Vertretungsmacht vorhanden (+)

Erklärung auf den Weg gebracht (+)
Die Erklärung könnte von T auf den Weg gebracht worden sein. Dies ist laut Sachverhalt geschehen.

mit Zugang zu rechnen (+)
Mit Zugang müsste außerdem zu rechnen sein. Laut Sachverhalt ist dies der Fall.

Zwischenergebnis:
Die Willenserklärung ist dem F zuzurechnen. Somit ist die Abgabe der Willenserklärung (Angebot) erfolgt.

dd) Zugang (+)
ee) kein Widerruf (+)

Zwischenergebnis:
Es liegt ein Angebot seitens des F vor.

b) Annahme (+) hier durch X
c) Annahmefähigkeit des Angebots (+)
d) Übereinstimmung (+)

Zwischenergebnis:
Der Vertrag wurde zwischen F und X geschlossen.

2) Vertragsinhalt (+)
Der Vertrag wurde geschlossen und stellt inhaltlich einen Kaufvertrag dar. Der Vertrag müsste nun noch wirksam sein. Dies ist der Fall, wenn keine Wirksamkeitshindernisse gegeben sind.

3) Wirksamkeit
a) Mangel der Vertretungsmacht
Es könnte ein Wirksamkeitshindernis aufgrund der mangelnden Vertretungsmacht des T vorliegen. Dabei müsste es sich um ein Rechtsgeschäft des Vertreters handeln, welches nicht von der Vertretungsmacht gedeckt ist.

aa) Rechtsgeschäft des Vertreters
Es könnte sich um ein Rechtsgeschäft eines Vertreters prüfen. T tritt als Vertreter des F auf und schließt das Rechtsgeschäft mit dem X ab. Somit handelt es sich um ein Rechtsgeschäft des Vertreters.

bb) nicht von Vertretungsmacht gedeckt
Das Rechtsgeschäft könnte von der Vertretungsmacht nicht gedeckt sein. Das Rechtsgeschäft ist von der Vertretungsmacht gedeckt, wenn die Vertretungsmacht erteilt wurde, nicht erloschen ist, das Geschäft vom Umfang gedeckt ist und kein Missbrauch erfolgte.

Vollmacht erteilt (hier rechtsgeschäftliche Vollmacht gem. § 167 BGB)
F könnte dem T eine Vollmacht erteilt haben gem. § 167 BGB. Dies erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Bevollmächtigten. Laut Sachverhalt hat der F dem T gegenüber die Vollmacht erklärt. Die Erteilung der Vollmacht ist demnach erfolgt.

Vertretungsmacht nicht erloschen (+)
Geschäft vom Umfang gedeckt (+)
kein Missbrauch (+)

Zwischenergebnis:
Die Vertretungsmacht des T ist vorhanden. Somit ist kein Wirksamkeitshindernis aufgrund der mangelnden Vertretungsmacht von T gegeben. Es könnte jedoch ein Wirksamkeitshindernis durch die Anfechtung des F vorliegen.

b) Anfechtung
Ein Wirksamkeitshindernis könnte hier die Anfechtung durch den F sein.

aa) Zulässigkeit der Anfechtung (+)
bb) Anfechtungsgrund
  • Willensmangel (+) hier liegt ein Eigenschaftsirrtum gem. § 119 Abs. 2 BGB vor
  • der maßgeblichen Person (+) hier der Vertreter gem. § 166 Abs. 1 BGB
cc) Anfechtungserklärung (+)
dd) kein Ausschluss der Anfechtung (+)
ee) Anfechtungsfrist (+)

Die Anfechtung wurde wirksam durch den F durchgeführt und somit ist das Rechtsgeschäft (der Kaufvertrag) von Anfang an als nichtig anzusehen gem. § 142 Abs. 1 BGB.

Ergebnis:
Es besteht kein Anspruch gem. § 433 Abs. 2 BGB.

X-> F gem. § 812 Abs. 1 S. 1 1.Alt. BGB
X könnte demnach die Herausgabe der Ware (Software) gem. § 812 Abs. 1 S. 1 1.Alt. BGB verlangen.



CategoryWIPR1Faelle
Diese Seite wurde noch nicht kommentiert.
Valid XHTML   |   Valid CSS:   |   Powered by WikkaWiki