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Version [95819]

Dies ist eine alte Version von FallJungerSchuhHandel erstellt von WojciechLisiewicz am 2020-11-30 15:46:08.

 

Fallbeispiel: Schuhhandel eines Minderjährigen

Probeklausur im Wintersemester 2020 / 2021

Sachverhalt

Der 16-jährige M möchte ein Handelsgeschäft für teure Sportschuhe eröffnen. Da ihm dies seine Eltern nicht erlauben, bleibt es vorerst ein Traum. Die gute Tante T, welche die Bedenken seiner Eltern nicht versteht, schenkt ihm heimlich 5 paar Schuhe, die absolut rare Einzelstücke sind. Damit soll M anfangen, seinen Traum zu verwirklichen.

Unter den geschenkten Schuhen befindet sich auch ein Paar Nike GoldenArrow in der Größe 43. Diese Schuhe erzielen in einschlägigen Auktionen von Insidern regelmäßig einen Preis von ca. 800,- EUR je Paar.
M bereitet Auktionen der ihm geschenkten Schuhe vor, wird aber von seinem Klassen- freund V auf die GoldenArrow angesprochen. Der etwas gründlicher lernende V, der in einigen Jahrgangsstufen etwas länger verweilte und deshalb bereits über 18 Jahre alt ist, überredet M, ihm die Schuhe für 200,- EUR zu verkaufen. Nachdem M für die Schuhe 200,- EUR kassiert und sie V übergeben hat, erfahren die Eltern des M von allem. Sie finden weder das Geschenk der T noch die anschließenden Geschäfte des M – da offenbar sehr nachteilig – nicht in Ordnung und verlangen Rückabwicklung.

Fragen

Frage 1: Ist die Schenkung der Schuhe durch T wirksam?
Frage 2: Kann M von V Rückgabe der Schuhe verlangen?


Bemerkungen für die Bearbeitung


Zu Frage 1
Die erste Frage bezieht sich konkret auf die Wirksamkeit der Schenkung seitens T. Explizit ausgenommen von der Betrachtung ist dabei das Erfüllungsgeschäft - auch wenn die Eigentumsübertragung hier leicht zu prüfen wäre.
Es kann hier kurz geprüft werden, ob T und M sich vertraglich über eine Schenkung geeinigt haben, dies aber wirklich nur sehr kurz. Schwerpunkt der Prüfung liegt auf der Wirksamkeit der Schenkung - wobei wiederum die Minderjährigkeit und demzufolge beschränkte Geschäftsfähigkeit entscheidend sind.

Zu Frage 2
Die zweite Frage bezieht sich auf eine Anspruchsprüfung.

Musterlösung


Frage 1
Die Schenkung der Schuhe durch T an M könnte wirksam sein. Damit die Schenkung wirksam ist, dürfen keine Wirksamkeitshindernisse vorliegen. Hier kommen insbesondere die Wirksamkeitshindernisse gem. § 125 S. 1 BGB (Formmangel) sowie ein Mangel der Geschäftsfähigkeit gem. § 108 Abs. 1 BGB.

A. Formmangel
Die Schenkung zwischen M und T könnte gem. § 125 S. 1 BGB infolge eines Formmangels unwirksam sein. Dies ist der Fall, wenn ein gesetzliches Formerfordernis vorliegt, das Rechtsgeschäft diesem Formerfordernis nicht genügt und der Formmangel nicht geheilt wurde. In diesem Fall schließen M und T einen Schenkungsvertrag ab, der gem. § 518 Abs. 1 BGB einer notariellen Beurkundung bedarf. Eine solche Beurkundung fand nicht statt, so dass hier ein Formmangel vorliegt.
Ein Formmangel des § 518 Abs. 1 BGB wird allerdings geheilt, wenn die Schenkung gem. § 518 Abs. 2 BGB bewirkt wurde. Dies war hier der Fall.
Demzufolge ist der Formmangel geheilt. Die Schenkung ist nicht gem. § 125 S. 1 BGB unwirksam.

B. Mangel der Geschäftsfähigkeit
Der Vertrag könnte gem. § 108 Abs. 1 BGB wegen beschränkter Geschäftsfähigkeit des M unwirksam sein. Dafür muss M zum Kreis der Personen i. S. d. § 106 BGB gehören und das Rechtsgeschäft darf nicht ausnahmsweise gem. §§ 107 ff. BGB wirksam sein.

1. Beschränkte Geschäftsfähigkeit
M könnte beschränkt geschäftsfähig gem. § 106 BGB sein. Dies ist dann der Fall, wenn er minderjährig gem. § 2 BGB ist und das 7. Lebensjahr vollendet hat. M ist 16 Jahre alt und hat damit noch nicht die Volljährigkeit gem. § 2 BGB (die man mit 18 erwirbt) erreicht. Mit 16 hat er auch das 7. Lebensjahr vollendet. Demnach ist M beschränkt geschäftsfähig i. S. d. § 106 BGB.

2. Ausnahmsweise Wirksamkeit
Es könnte dennoch ein wirksamer Vertrag zwischen M und T vorliegen, sofern eine Ausnahme gem. §§ 107 ff. BGB greift.

a. Erwerbsgeschäft des Minderjährigen
M könnte gem. § 112 Abs. 1 BGB als unbeschränkt geschäftsfähiger betrachtet werden. Dafür muss er ein selbständiges Erwerbsgeschäft mit Ermächtigung des gesetzlichen Vertreters und Genehmigung des Familiengerichts betreiben.
M träumt zwar von einem selbständigen Erwerbsgeschäft - d. h. einem Schuhhandel - seine Eltern haben ihm das jedoch nicht erlaubt. Demzufolge kann M nicht gem. § 112 Abs. 1 BGB als unbeschränkt Geschäftsfähiger betrachtet werden.

b. Lediglich rechtlicher Vorteil
Der Vertrag zwischen M und T könnte gem. § 107 BGB wirksam sein, sofern er für M lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne der Vorschrift ist. Dies ist der Fall - im Falle eines hier vorliegenden Verpflichtungsgeschäftes - wenn aus dem Vertrag für M keinerlei rechtliche Pflichten folgen. Die Schenkung von 5 Paar Schuhen führt zu keinerlei (negativen) Folgen aus Sicht des M. Er erwirbt auf diese Weise nur ein Recht darauf, die Schuhe zu erhalten.
Die Schenkung ist für M lediglich rechtlich vorteilhaft.

3. Zwischenergebnis
Der Vertrag zwischen M und T ist demzufolge ausnahmsweise - da lediglich rechtlich vorteilhaft - wirksam. Die beschränkte Geschäftsfähigkeit des M hat keine Auswirkung auf die Wirksamkeit des Vertrages.

Der Vertrag zwischen M und T ist wirksam.

Frage 2

C. Anspruch M gegen V gem. § 985 BGB
M könnte einen Anspruch gegen V gem. § 985 BGB auf Herausgabe der Schuhe haben. Dafür muss es sich bei den Schuhen um eine Sache handeln, M muss Eigentümer dieser Sache sein und V muss Besitz an der Sache haben, ohne dass ihm diesbezüglich ein Recht zusteht.

1. Sache
Schuhe sind gem. § 90 BGB ein körperlicher Gegenstand und damit eine Sache.

2. Eigentum von M
M könnte Eigentümer der Schuhe sein. Dies ist dann der Fall, wenn er an ihnen ordnungsgemäß Eigentum erworben und auch nicht verloren hat.

a. Ursprünglicher Eigentümer
Ursprünglich war T Eigentümerin der Schuhe.

b. Eigentumserwerb von T
M könnte das Eigentum von T gem. § 929 S. 1 BGB erworben haben. Dazu bedarf es einer dinglichen Einigung zwischen M und T, einer Übergabe und einer Berechtigung des Veräußerers.

(1) dingliche Einigung
Ein dinglicher Vertrag zwischen M und T könnte vorliegen. Dies setzt voraus, dass zwischen M und T eine Einigung vorliegt, mit dem Inhalt der Eigentumsübertragung und diese auch wirksam ist.

(a) Einigung über Eigentumsübertragung
M könnte mit T sich darüber geeinigt haben, dass das Eigentum an den Schuhen (der 5 Paar, darunter auch die GoldenArrow) auf M übergeht. M hat mit T vereinbart, dass er die Schuhe für die Verwirklichung seines Traums, einen Schuhhandel zu eröffnen, nutzen wird. Damit sollte M über die Schuhe dauerhaft verfügen können. Er sollte gem. Vereinbarung zwischen M und T Eigentümer der Schuhe werden.
Eine Einigung i. S. d. § 929 S. 1 BGB liegt vor.

(b) Wirksamkeit der dinglichen Einigung
Die Einigung zwischen M und T könnte allerdings gem. § 108 Abs. 1 BGB unwirksam sein. Dies ist dann der Fall, wenn M beschränkt geschäftsfähig gem. § 106 BGB ist und das von ihm vorgenommene Rechtsgeschäft nicht ausnahmsweise gem. §§ 107 ff. wirksam ist.

(i) beschränkte Geschäftsfähigkeit
Wie bereits oben festgestellt, ist M beschränkt geschäftsfähig i. S. d. § 106 BGB.

(ii) ausnahmsweise Wirksamkeit
Die dingliche Einigung könnte gem. § 107 deshalb ausnahmsweise wirksam sein, weil diese dem M einen lediglich rechtlichen Vorteil bringt. Dies ist bei einer Verfügung dann der Fall, wenn M einen Rechtserwerb zu verzeichnen hat und aus diesem Erwerb keine direkten und persönlichen Belastungen erwachsen. M soll das Eigentum an den Schuhen erwerben. Dies stellt einen Rechtserwerb dar. Aus dem Eigentum von Schuhen resultieren keine direkten und / oder persönlichen Belastungen bzw. Verpflichtungen. Demzufolge ist der Eigentumserwerb an den Schuhen mit keinerlei Nachteilen verbunden.
Der Eigentumserwerb an den Schuhen ist für M insofern lediglich rechtlich vorteilhaft.

(iii) Zwischenergebnis
Demzufolge ist die dingliche Einigung zwischen M und T wirksam.

(c) Zwischenergebnis
Dingliche Einigung zwischen M und T liegt vor.

(2) Übergabe
T hat dem M die Schuhe übergeben.

(3) Berechtigung
T müsste berechtigte, also insbesondere Eigentümerin der Schuhe sein. Im Sachverhalt ist vom Eigentum an den Schuhen nicht die Rede, T besitzt sie aber. Gem. § 1006 BGB wird vermutet, dass der Besitzer einer Sache im Zweifel auch ihr Eigentümer ist. Es ist hier zu vermuten, dass T Eigentümerin der Schuhe und damit berechtigt war.



D. Anspruch M gegen V gem. § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB







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