Version [95817]
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Fallbeispiel: Schuhhandel eines Minderjährigen
Probeklausur im Wintersemester 2020 / 2021
Sachverhalt
Der 16-jährige M möchte ein Handelsgeschäft für teure Sportschuhe eröffnen. Da ihm dies seine Eltern nicht erlauben, bleibt es vorerst ein Traum. Die gute Tante T, welche die Bedenken seiner Eltern nicht versteht, schenkt ihm heimlich 5 paar Schuhe, die absolut rare Einzelstücke sind. Damit soll M anfangen, seinen Traum zu verwirklichen.Unter den geschenkten Schuhen befindet sich auch ein Paar Nike GoldenArrow in der Größe 43. Diese Schuhe erzielen in einschlägigen Auktionen von Insidern regelmäßig einen Preis von ca. 800,- EUR je Paar.
M bereitet Auktionen der ihm geschenkten Schuhe vor, wird aber von seinem Klassen- freund V auf die GoldenArrow angesprochen. Der etwas gründlicher lernende V, der in einigen Jahrgangsstufen etwas länger verweilte und deshalb bereits über 18 Jahre alt ist, überredet M, ihm die Schuhe für 200,- EUR zu verkaufen. Nachdem M für die Schuhe 200,- EUR kassiert und sie V übergeben hat, erfahren die Eltern des M von allem. Sie finden weder das Geschenk der T noch die anschließenden Geschäfte des M – da offenbar sehr nachteilig – nicht in Ordnung und verlangen Rückabwicklung.
Fragen
Frage 1: Ist die Schenkung der Schuhe durch T wirksam?Frage 2: Kann M von V Rückgabe der Schuhe verlangen?
Bemerkungen für die Bearbeitung
Zu Frage 1
Die erste Frage bezieht sich konkret auf die Wirksamkeit der Schenkung seitens T. Explizit ausgenommen von der Betrachtung ist dabei das Erfüllungsgeschäft - auch wenn die Eigentumsübertragung hier leicht zu prüfen wäre.Es kann hier kurz geprüft werden, ob T und M sich vertraglich über eine Schenkung geeinigt haben, dies aber wirklich nur sehr kurz. Schwerpunkt der Prüfung liegt auf der Wirksamkeit der Schenkung - wobei wiederum die Minderjährigkeit und demzufolge beschränkte Geschäftsfähigkeit entscheidend sind.
Zu Frage 2
Die zweite Frage bezieht sich auf eine Anspruchsprüfung.Musterlösung
Frage 1
Die Schenkung der Schuhe durch T an M könnte wirksam sein. Damit die Schenkung wirksam ist, dürfen keine Wirksamkeitshindernisse vorliegen. Hier kommen insbesondere die Wirksamkeitshindernisse gem. § 125 S. 1 BGB (Formmangel) sowie ein Mangel der Geschäftsfähigkeit gem. § 108 Abs. 1 BGB.
A. Formmangel
Die Schenkung zwischen M und T könnte gem. § 125 S. 1 BGB infolge eines Formmangels unwirksam sein. Dies ist der Fall, wenn ein gesetzliches Formerfordernis vorliegt, das Rechtsgeschäft diesem Formerfordernis nicht genügt und der Formmangel nicht geheilt wurde. In diesem Fall schließen M und T einen Schenkungsvertrag ab, der gem. § 518 Abs. 1 BGB einer notariellen Beurkundung bedarf. Eine solche Beurkundung fand nicht statt, so dass hier ein Formmangel vorliegt.
Ein Formmangel des § 518 Abs. 1 BGB wird allerdings geheilt, wenn die Schenkung gem. § 518 Abs. 2 BGB bewirkt wurde. Dies war hier der Fall.
Demzufolge ist der Formmangel geheilt. Die Schenkung ist nicht gem. § 125 S. 1 BGB unwirksam.
B. Mangel der Geschäftsfähigkeit
Der Vertrag könnte gem. § 108 Abs. 1 BGB wegen beschränkter Geschäftsfähigkeit des M unwirksam sein. Dafür muss M zum Kreis der Personen i. S. d. § 106 BGB gehören und das Rechtsgeschäft darf nicht ausnahmsweise gem. §§ 107 ff. BGB wirksam sein.
1. Beschränkte Geschäftsfähigkeit
M könnte beschränkt geschäftsfähig gem. § 106 BGB sein. Dies ist dann der Fall, wenn er minderjährig gem. § 2 BGB ist und das 7. Lebensjahr vollendet hat. M ist 16 Jahre alt und hat damit noch nicht die Volljährigkeit gem. § 2 BGB (die man mit 18 erwirbt) erreicht. Mit 16 hat er auch das 7. Lebensjahr vollendet. Demnach ist M beschränkt geschäftsfähig i. S. d. § 106 BGB.
M könnte beschränkt geschäftsfähig gem. § 106 BGB sein. Dies ist dann der Fall, wenn er minderjährig gem. § 2 BGB ist und das 7. Lebensjahr vollendet hat. M ist 16 Jahre alt und hat damit noch nicht die Volljährigkeit gem. § 2 BGB (die man mit 18 erwirbt) erreicht. Mit 16 hat er auch das 7. Lebensjahr vollendet. Demnach ist M beschränkt geschäftsfähig i. S. d. § 106 BGB.
2. Ausnahmsweise Wirksamkeit
Es könnte dennoch ein wirksamer Vertrag zwischen M und T vorliegen, sofern eine Ausnahme gem. §§ 107 ff. BGB greift.
Es könnte dennoch ein wirksamer Vertrag zwischen M und T vorliegen, sofern eine Ausnahme gem. §§ 107 ff. BGB greift.
M träumt zwar von einem selbständigen Erwerbsgeschäft - d. h. einem Schuhhandel - seine Eltern haben ihm das jedoch nicht erlaubt. Demzufolge kann M nicht gem. § 112 Abs. 1 BGB als unbeschränkt Geschäftsfähiger betrachtet werden.
b. Lediglich rechtlicher Vorteil
Der Vertrag zwischen M und T könnte gem. § 107 BGB wirksam sein, sofern er für M lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne der Vorschrift ist. Dies ist der Fall - im Falle eines hier vorliegenden Verpflichtungsgeschäftes - wenn aus dem Vertrag für M keinerlei rechtliche Pflichten folgen. Die Schenkung von 5 Paar Schuhen führt zu keinerlei (negativen) Folgen aus Sicht des M. Er erwirbt auf diese Weise nur ein Recht darauf, die Schuhe zu erhalten.
Der Vertrag zwischen M und T könnte gem. § 107 BGB wirksam sein, sofern er für M lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne der Vorschrift ist. Dies ist der Fall - im Falle eines hier vorliegenden Verpflichtungsgeschäftes - wenn aus dem Vertrag für M keinerlei rechtliche Pflichten folgen. Die Schenkung von 5 Paar Schuhen führt zu keinerlei (negativen) Folgen aus Sicht des M. Er erwirbt auf diese Weise nur ein Recht darauf, die Schuhe zu erhalten.
Die Schenkung ist für M lediglich rechtlich vorteilhaft.
3. Zwischenergebnis
Der Vertrag zwischen M und T ist demzufolge ausnahmsweise - da lediglich rechtlich vorteilhaft - wirksam. Die beschränkte Geschäftsfähigkeit des M hat keine Auswirkung auf die Wirksamkeit des Vertrages.
Der Vertrag zwischen M und T ist demzufolge ausnahmsweise - da lediglich rechtlich vorteilhaft - wirksam. Die beschränkte Geschäftsfähigkeit des M hat keine Auswirkung auf die Wirksamkeit des Vertrages.
Der Vertrag zwischen M und T ist wirksam.
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