Fallbeispiel 2 – Hypnosekünstler
Willenserklärung
A. Sachverhalt
Der Hobby-Hypnotiseur (H) ist fest von seiner Begabung überzeugt. Nach einigen kleinen Auftritten mit mäßiger Begeisterung des Publikums, wartet er nun auf den großen Durchbruch bei einer Samstagabend-Talentshow. Der bis dahin sehr aufwendige Lebensstil des H wurde von seiner Mutter (M) finanziert. Nach dem mäßigen Erfolg ihres Sohnes H möchte sie nun, dass er einen gescheiten Beruf erlernt und dreht ihm den Geldhahn zu.
H der weiterhin auf finanzielle Mittel angewiesen ist, sieht keinen anderen Ausweg und hypnotisiert seine Mutter. In diesem Zustand unterschreibt sie ein von H vorgefertigtes Schriftstück, indem er ihr ein unvollständiges Kartenspiel für 5.000 € verkauft. Als M wieder bei vollen Bewusstsein ist, weigert sie sich für das nutzlose Kartenspiel 5.000 € zu bezahlen.
B. Frage
Hat H einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung?
C. Lösung
1. Lösungsskizze
Hat H einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung?
I. Anspruch erworben?
Voraussetzung: wirksamer KV (§ 433 BGB) zwischen H und M
1. Vertragsschluss
Voraussetzung: zwei übereinstimmende Willenserklärungen; Angebot (§ 145 BGB) und Annahme (§ 147 BGB)
a) Angebot durch H (+)
Im Schriftstück bietet H das Kartenspiel zum Kauf an
b) Annahme durch M
Voraussetzungen: Willenserklärung, die inhaltlich eine Annahme ist, Abgabe, Zugang bei H (ohne zwischenzeitlichen Widerruf)
aa) Willenserklärung
P Ist Unterzeichnung des Schriftstückes eine Willenserklärung?
Voraussetzungen: äußerer und innerer Tatbestand sind gegeben
aaa) Äußerer Tatbestand (+)
Aus Sicht eines objektiven Dritten (Empfängerhorizont) (+)
bbb) Innerer Tatbestand (-)
Voraussetzung: Handlungswille (Wille, überhaupt eine Handlung abzugeben) (-)
hier: M unter Hypnose
ccc) Willenserklärung (-)
bb) Annahme durch M (-)
c) Vertragsschluss (-)
2. Zwischenergebnis
Anspruchserwerb (-)
Anspruch H ggü. M aus § 433 Abs. 2 BGB (-)
2. Formulierungsvorschlag
H könnte gegenüber M einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises gemäß § 433 Abs. 2 BGB in Höhe von 5.000 € haben. Dies ist der Fall, wenn H den Anspruch erworben und nicht verloren hat und dieser durchsetzbar ist.
I. Anspruchserwerb
H könnte den Kaufpreisanspruch gegenüber M erworben haben.
Voraussetzung hierfür ist, dass zwischen H und M ein Vertrag geschlossen wurde, der inhaltlich ein Kaufvertrag ist und dieser Kaufvertrag wirksam ist.
1.) Vertragsschluss
H und M könnten einen Vertrag durch Angebot und Annahme geschlossen haben. Dies setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot (§ 145 BGB) und Annahme (§ 147 BGB,) voraus.
a) Angebot durch H
Laut Sachverhalt enthält das vorgefertigte Schriftstück, das H der M zur Unterschrift vorlegt, die Willenserklärung des H das Kartenspiel für 5.000 € zu verkaufen. Es liegt demnach ein Angebot zum Abschluss eines Vertrages gemäß § 145 BGB vor.
b) Annahme durch M
Durch die Unterzeichnung des Schriftstückes könnte M das Angebot des H angenommen haben.
Voraussetzung dafür ist, dass hierdurch eine Willenserklärung von M abgegeben wurde, die inhaltlich eine Annahme gemäß § 147 BGB darstellt und diese H, ohne zwischenzeitlichen Widerruf, zugegangen ist.
aa) Willenserklärung
Fraglich ist hier, ob die Unterzeichnung des Schriftstückes durch M eine Willenserklärung darstellt. Dies ist der Fall, wenn sowohl äußerer und innerer Tatbestand einer Willenserklärung vorliegen.
aaa) äußerer Tatbestand
Aus Sicht eines objektiven Dritten (Empfängerhorizont) lässt die Unterzeichnung des Schriftstückes auf eine Annahme des Kaufangebotes durch M schließen. Der äußere Tatbestand der Willenserklärung ist demnach gegeben.
bbb) innerer Tatbestand
Fraglich ist jedoch, ob im vorliegenden Fall auch der innere Tatbestand einer Willenserklärung gegeben ist. Dazu müsste M zunächst mit Handlungswillen gehandelt haben. Dies setzt voraus, dass M den Willen hatte, überhaupt eine Handlung vorzunehmen.
Laut Sachverhalt war M hypnotisiert, als sie das Schriftstück unterzeichnete. Unter Hypnose besteht gerade kein Bewusstsein zu handeln. M hatte im Zeitpunkt der Unterzeichnung also gerade nicht den Willen, überhaupt eine Handlung vorzunehmen. M hat folglich nicht mit Handlungswillen gehandelt. Der innere Tatbestand einer Willenserklärung ist demnach nicht gegeben.
ccc) Die Unterzeichnung des Schriftstücks durch M stellt keine Willenserklärung dar.
bb) M hat das Angebot des H nicht angenommen.
c) H und M haben demnach keinen Vertrag geschlossen.
2.) Zwischenergebnis
Der Anspruch ist nicht entstanden.
II. Ergebnis
H hat gegenüber M keinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises gemäß § 433 Abs. 2 BGB in Höhe von 5.000 €.
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