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Fall: Vom Handwerksgesellen gestohlene CDs


A. Sachverhalt
Dusel (D) macht beim Malermeister Pinsel (P) seine Lehre. Er wurde bei P aufgenommen, weil er unter allen Bewerbern der "vernünftigste" war, einen zuverlässigen Eindruck machte und vergleichsweise gute Leistungen in der Schule vorweisen konnte. Der positive Eindruck hat sich jedoch während der Ausbildung nicht bestätigt. D ist nicht pünktlich, seine Arbeit lässt meist zu wünschen übrig und er ist schlicht faul. Trotzdem hat er einen hohen Anspruch an die Vergütung, die er immer sehr fleißig und schnell ausgibt.

Eines Tages erhält P einen Auftrag von Häusle (H), das gesamte Haus des H innen farblich aufzufrischen, während H selbst in Urlaub ist. P schickt einen Mitarbeiter und den D in das Haus des H. Während der Mitarbeiter des P neue Farbe holt, arbeitet D gar nicht wie abgesprochen weiter, sondern stöbert in der umfangreichen CD-Sammlung des H. Als er eine Reihe von "Gold-CDs" sieht, kann er nicht widerstehen. Er steckt einige CD-s im Wert von 200 EUR ein und verkauft sie anschließend an Bekannte zu einem Bruchteil des Preises.

H vermisst nach Rückkehr aus dem Urlaub seine CD-s. Der Verdacht fällt schnell auf Mitarbeiter des P. Nach einigem Hin und Her gibt D zu, die CD-s mitgenommen zu haben. Er hat aber weder die CD-s noch das Geld. Und das Geld wird er bei P nicht mehr verdienen können, weil ihn P sofort entlassen hat. Die Käufer der CD-s sind nicht auffindbar.

B. Frage
Welche Ansprüche und gegen wen hat H?



Lösungshinweise:

Dieses Fallbeispiel wurde im Rahmen der Lehrveranstaltung Wirtschaftsprivatrecht II - Gesetzliche Schuldverhältnisse behandelt. Deshalb wird hier auf vertragliche Ansprüche nicht eingegangen - bitte bedenken Sie aber, dass ein Anspruch des H gegen P gem. § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. § 278 BGB auch denkbar ist!
 


C. Anspruch H gegen D gem. § 823 Abs. 1 BGB
Dieser Anspruch müsste dem Grunde nach erworben sein. Hierfür ist erforderlich, dass:
  • Tatbestand nach § 823 Abs. 1 BGB vorliegt
  • Handlung von D geschah rechtswidrig
  • D handelte schuldhaft

1. Tatbestand
Ist erfüllt, wenn eine Handlung seitens D vorliegt, durch diese ein Rechtsgut von H verletzt wurde und zwischen der Handlung und der Rechtsgutverletzung ein Kausalzusammenhang besteht.

a. Handlung seitens D
Handlung ist jedes menschliche Verhalten (positives Tun oder Unterlassen), zumindest dann, wenn es bewusst ist. im Sachverhalt nimmt D die CD's des H mit und verkauft diese. Dies ist eine Handlung.

b. Verletzung eines der Rechtsgüter des H i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB
Als verletztes Rechtsgut kommt das Eigentum in Betracht. H ist wegen § 935 BGB zwar weiterhin Eigentümer der CD-s, aber wird er sie nicht mehr finden können, so dass er dauerhaft ihren Besitz verlor. Eine Eigentumsverletzung liegt vor.

c. haftungsbegründende Kausalität
Zwischen der Handlung des D und der Rechtsgutverletzung besteht Kausalzusammenhang.

Damit liegt der Tatbestand gem. § 823 Abs. 1 BGB vor.

2. Rechtswidrigkeit
Die Tat des D war nicht gerechtfertigt und damit auch rechtswidrig.

3. Verschulden
D handelte vorsätzlich und damit schuldhaft.

4. Ergebnis zu § 823 I BGB gegen D
H hat einen Anspruch gegen D gem. § 823 Abs.1 BGB erworben. Vom Umfang her ist der Anspruch auf Ersatz des Wertes der verlorenen CD-s gerichtet. Allerdings ist zu bedenken, dass der Anspruch gegen D kaum mit Erfolg durchgesetzt (und ein eventuelles Urteil vollstreckt) werden kann, weil D mittellos ist.


D. Anspruch H gegen P gem. § 831 Abs. 1 BGB
Dieser Anspruch müsste dem Grunde nach erworben sein. Dafür ist erforderlich:
  • D ist Verrichtungsgehilfe des P
  • Tatbestand einer unerlaubten Handlung ist erfüllt
  • in Ausführung der Verrichtung
  • Rechtswidrigkeit
  • keine Exkulpation.

1. Verrichtungsgehilfe des P
Wenn D mit Wissen und Wollen des P innerhalb dessen Geschäftsbereichs tätig ist und D i. S. v. § 831 Abs. 1 BGB vom P weisungsabhängig ist, ist er Verrichtungsgehilfe des P. Nach dem Sachverhalt macht D bei P eine Ausbildung. Im Rahmen der Ausbildung erhält D die Aufgabe, er solle bei H das Haus im inneren farblich auffrischen. Ein Ausbildungsvertrag ist eine Art eines Arbeitsvertrages. Der Arbeitgeber verfügt über ein Direktionsrecht gegenüber den Arbeitnehmern, damit ist er auch weisungsberechtigt, so wie in diesem Fall P gegenüber D. D handelt deshalb nach Weisung des P und ist somit als Verrichtungsgehilfe des P anzusehen.

2. TB einer unerlaubten Handlung
Dieser liegt vor, wenn D den obj. Tatbestand gem. § 823 Abs. 1 BGB erfüllt. An dieser Stelle kann nach oben verwiesen werden. Die rechtswidrige Handlung seitens D erfüllt den obj. Tatbestand nach § 823 Abs. 1 BGB

3. In Ausführung der Verrichtung
ist erfüllt, wenn ein innerer Zusammenhang zwischen der Schädigung und der Aufgabe besteht und eine Schädigung nicht lediglich bei Gelegenheit der Verrichtung erfolgte.

a. innerer Zusammenhang zwischen der Schädigung und der Aufgabe.
Nach dem Sachverhalt hat P von H einen Auftrag bekommen, im Haus des H frisch zu streichen. P schickt seinen Mitarbeiter und den D, die diese Aufgabe erfüllen sollen. In diesem Zusammenhang kommt es zur Begehung der Tat durch D. D ist mit Sicherheit nicht etwa damit beauftragt, die CDs des H durchzuwühlen, geschweige denn, die CDs mitzunehmen. Allerdings ist zwischen der Tätigkeit des D für P und dem Delikt ein gewisser Zusammenhang - zumindest im Sinne der Äquivalenz, condition sine qua non - zwischen der unerlaubten Handlung und der Verrichtung unbestritten gegeben. Hätte P den D zur Ausführung der Arbeiten bei H nicht geschickt, hätte D die CDs nicht gestohlen.

b. nicht lediglich bei Gelegenheit
Fraglich ist allerdings, ob die Schädigung nicht lediglich bei Gelegenheit der Verrichtung erfolgte. Dann ist eine Haftung gem. § 831 Abs. 1 BGB zu verneinen.
In der Regel ist dies (Handeln lediglich bei Gelegenheit der Verrichtung) anzunehmen, wenn der Gehilfe durch seine Handeln speziellen Pflichten zuwiderhandelt, die ihm gerade zur Erfüllung übertragen worden sind. Dies ist also auch dann der Fall, wenn die Verrichtung dem Gehilfen lediglich eine Gelegenheit und Anreiz für eine Straftat oder ein Delikt bietet. In solchen Fällen erfolgt die Schädigung nicht in "Ausführung der Verrichtung", sondern lediglich bei ihrer Gelegenheit.
Während der Mitarbeiter neue Farbe holt, arbeitet D nicht wie abgesprochen, sondern durchstöbert die CD's des H und nimmt einige mit. Demzufolge erfolgte die Schädigung durch D nicht in Ausführung der Verrichtung, sondern bei deren Gelegenheit.
Andere Auffassung ist an dieser Stelle vertretbar, wenn sie richtig begründet ist! In diesem Falle müsste weiter geprüft werden - die Begehung einer unerlaubten Handlung "in Ausführung der Verrichtung" ist der entscheidende Punkt im vorliegenden Fall. Eine Exkulpation wäre auf jeden Fall problematisch, weil D nicht zuverlässig ist und mit so einem Verhalten vielleicht zu rechnen wäre, ist aber auch eine Frage der Argumentation.



4. Ergebnis zu § 831 gegen P
H hat keinen Anspruch gegen P nach § 831 Abs. 1 BGB




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