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Version [28600]

Dies ist eine alte Version von FallDerBesondereKaese erstellt von MartinEbert am 2013-05-20 20:45:12.

 

FALL 2 Der besondere Käse


Thema: GoA


Grundfall (Wiederholung)
Armin (A), Benno (B) und Christian (C) leben in einer typischen Schmalkalder WG. Dabei geht jeder seinen Hobbys nach, wie er es für richtig hält. Als wieder eine Studienfahrt für A, den Hobbykoch der WG ansteht, sind B und C selbst darauf angewiesen Ordnung in der Küche - und besonders - im Kühlschrank zu halten.
B und C kommen die ersten 3 Tage ohne Probleme aus. Am 4. Tag ohne A stellt B beim Schnittchenmachen am Morgen einen stechenden Geruch im Kühlschrank fest.
Der unangenehme Geruch hat seinen Ursprung in einem ehemals leckeren Käse des A, der mittlerweile schlecht geworden und von Schimmel überdeckt ist. Dieser droht nun auch auf die Lebensmittel von B und C überzugreifen. B entfernt den schimmeligen Käse und alle Lebensmittel, die bereits befallen sind. Leider war auch einige Wurst von B schon davon betroffen, die er nun wegschmeißen muss.

Als A von der Studienfahrt zurückkommt möchte B von ihm Ersatz seiner Kosten. Zu Recht?


Variante
Wieder ist A auf Studienfahrt. Und wieder möchte B sich Schnitten für den anstehenden Studientag machen, als er den Schimmel auf A’s Käse bemerkt.
B ist über die Maßen sauer auf A, dass er aus dem ersten Käsedilemma nichts gelernt hat.
Nichts desto trotz ist er ein wahrer Retter und denkt sich in diesem Moment, dass der Käse des A erneut schlecht ist und A es bestimmt nicht will, dass die anderen Lebensmittel im Kühlschrank wieder davon in Mitleidenschaft gezogen werden.
In Wirklichkeit stellte der Käse aber A’s neustes Feinschmeckerexperiment dar. Er hatte sich an einem alten Rezept von Oma versucht und wollte Camembert-Käse selber herstellen.
Als B sich nun daran macht den Käse aus dem Kühlschrank zu holen, den A schon vorsorglich weiter hinten positioniert hat, kommt er an eine Milchflasche, die umkippt, kaputt geht und an der sich B schneidet. Er muss nun die letzten Heftpflaster verwenden, die noch im Haushalt sind und neue kaufen. Immerhin gehören sie zum Allgemeingut der WG.
Zusätzlich werden die Lebensmittel von B mit der ausfließenden Milch bedeckt, sodass er diese wegwerfen muss. Als A nun von der Studienfahrt zurückkommt, erfährt er von dem ganzen Ärger.

B will nun von A Ersatz für die Lebensmittelkosten und für die Kosten an den neuen Heftpflastern, immerhin hat er sich ja nur geschnitten, weil er den Käse von A entfernen wollte. Zu Recht?



Lösung Grundfall


I. Anspruch aus §§ 677, 683, 670 BGB

1. Voraussetzungen berechtigte GoA § 677 BGB
1.1 Geschäftsbesorgung (+)
= alle rechtsgeschäftlichen und tatsächlichen Handlungen
  • Wegwerfen des alten Käses von A und der weiteren befallenen Lebensmittel, auch derer von B
--> somit kein rechtsgeschäftliches Handeln, da auch keine Vertrag, aber tatsächliches

1.2 fremdes Geschäft (+)
a. objektiv fremdes Geschäft (-)
    • ein Geschäft, das ausschließlich zum Rechts- und Interessenkreis des Geschäftsherrn (GH) gehört
--> hier eher (-), da B auch Lebensmittel entsorgt, die ihm gehörten und auch er ein Interesse an
einem sauberen, gesunden Kühlschrank hat

b. auch fremdes Geschäft (+)
    • Geschäft gehört in den Rechts- und Interessenkreis, des Geschäftsführers (GF), aber NICHT
ausschließlich, da es auch den Rechts- und Interessenkreis des GH berührt
--> hier (+), denn sowohl der Käse des A als auch die Lebensmittel des B waren verdorben, und B
hatte sie im Interesse von sich und A entsorgt, um so einen sauberen Kühlschrank zu gewährleisten

1.3 Fremdgeschäftsführungswille (FGW) (+)
= Bewusstsein und Wille des GF eine Angelegenheit, die im Rechts-und Interessenkreis eines anderen liegt
für diesen zu besorgen, wissend darüber, dass es für den GH von Vorteil ist
  • beim objektiv fremden Geschäft wird FGW vermutet, hier aber nicht vorliegend, wie bereits unter I. 1.2 a) ersichtlich
  • dafür aber ein auch fremdes Geschäft, bei dem nach h.L. der FGW auch vermutet wird
  • zusätzlich in Prüfung aber möglich, eine wertende Betrachtung der Umstände vorzunehmen
--> hier wie bereits oben erwähnt, wollte B den Kühlschrank von Schimmel frei halten, was sowohl in seinem
als im Interesse des A als Hobbykoch der WG liegen dürfte, zumal der Ausgangspunkt der Käse des A war

1.4 ohne Auftrag/ ohne sonstige Berechtigung (+)
--> hier keine vertragliche Vereinbarung zwischen A und B, daher ohne Auftrag (+)
--> des Weiteren keine sonstige Berechtigung aus dem Gesetz für B's Handeln ersichtlich

1.5 Berechtigung nach § 683 BGB (+)

a. Übernahme im Interesse des GH
= meint die objektive Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung für den GH
--> hier (+), dass es wohl im Interesse des A liegt, dass sich kein Schimmel ausbreitet
und ein sauberer, keimfreier Kühlschrank vorliegt

b. tatsächlicher, mutmaßlicher Wille des GH (A)
(1) tatsächlicher Wille (-)
keine Angabe im Sachverhalt (SV), daher hier (-)

(2) mutmaßlicher Wille A (+)
Frage zu stellen: Hätte GH (A) der Geschäftsbesorgung durch den GF (B) bei
objektiver Würdigung der Gesamtumstände zugestimmt?
--> hier (+), da A laut SV Hobbykoch und an sauberer Küche somit interessiert,
darüber hinaus keine Angaben im SV, dass er gerne einen verkeimten und
ungesunden Kühlschrank bevorzugt

1.6 Zwischenergebnis berechtigte GoA §§ 677, 683 BGB
Eine berechtigte GoA liegt im Handeln, der Entsorgung des Käses und der ungenießbaren
Lebensmittel, auch der des B, vor.

2. Voraussetzungen § 683, 670 BGB
2.1 Aufwendungen des B
--> Aufwendungen= sind freiwillige Vermögensopfer,
--> die GF (B) iSd §§ 683, 670 BGB hätte aufbringen müssen, um die Geschäftsbesorgung durchführen zu können
--> vorliegend hat B zwar auch seine Lebensmittel entsorgt, aber diese waren schon aufgrund des Schimmels
ungenießbar, somit ihrem eigentlichen Zweck sie zu verspeisen, völlig entfremdet bzw. entzogen
--> somit keine freiwilligen Vermögensopfer seitens des B (ANDERS, wenn B neue Speisen gekauft aufgrund der
Vorkommnisse um den Käse gekauft hätte, dazu aber keine Angaben im SV)
--> dazu kommend: auch keine höhere Macht vorliegend, um Arg. aus Fall 1 anzuführen

2.2 Zwischenergebnis
Keine Aufwendungen im Sinne des §§ 683, 670 BGB

3. Ergebnis I. Anspruch aus §§ 677, 683, 670 BGB
Zwar lag eine GoA iSd des § 677 BGB vor, gleichwohl besteht aber kein Anspruch auf Aufwendungsersatz von B
gegenüber A, da er keine Aufwendungen iSd §§ 683, 670 BGB zur Geschäftsbesorgung hatte.


II. Anspruch aus § 823 I BGB
1. Rechtsgutsverletzung (+)
a. Rechtsgut/ Recht
--> hier kein Rechtsgut, sondern ein Recht: Eigentum
liegt vor bei einer Beeinträchtigung des Eigentümers in seinen durch § 903 BGB gegebenen
Befugnissen; z.B. Substanzeinwirkung, die zur Zerstörung oder Beschädigung einer zuvor
intakten Sache führt
--> die Lebensmittel des B sind durch den verschimmelten Käse von A ungenießbar geworden,
der sich ausgebreitet hatte

b. Verletzungshandlung (+)
--> grundsätzlich ein aktives/ positives Tun verlangt, hier (-), ABER
--> kann auch in einem Unterlassen vorliegen
ACHTUNG: - dann zu prüfen, ob eine Garantenstellung des A vorlag:

(1) Garantenstellung des A
(a) Rechtsgutbezogene Verkehrssicherungspflicht (+)
(Garantenstellung aus Gesetz/ enger Lebensgemeinschaft/ tatsächliche
Übernahme von Schutzpflichten) ODER siehe (2)
--> A war Hobbykoch der WG und achtete immer stets auf Sauberkeit
der Küche und des Kühlschranks, somit auf die Sicherung der versch.
Lebensmittel und Gesundheit

(b) Gefahrenquellenbezogene V.-pflicht des A (-)
--> insbes. hier zu merken: Verkehrssicherungspflicht

(2) dem Anspruchssteller (B) gegenüber
--> hier nicht nur B, sondern sogar C; s.o. A war der Koch und "Chef" der Küche

(3) Verletzung der Garantenpflicht
--> A hat Gefahr geschaffen, dass der Käse bei Überlagerung schlecht wird und
der Schimmel sich im Kühlschrank so ausbreitet
--> eine Verletzung der Garantenpflicht liegt vor
--> somit liegt im Unterlassen des A, nach seinem Käse vor der Abreise zu sehen, eine
Verletzungshandlung vor

2. Haftungsbegründende Kausalität (+)
--> die Verletzungshandlung/ das Unterlassen hätte direkt zur Rechtsgutsverletzung führen müssen
--> conditio-sine-qua-non-Formel: kausal ist jede Handlung, die nicht hinweg gedacht werden kann,
ohne dass der konkrete Erfolg entfiele ohne das Unterlassen des A wäre der Käse nicht geschimmelt,
hätte sich der Schimmel nicht auf die Lebensmittel des B ausgebreitet und wären diese nicht ungenießbar
geworden; somit haftungsbegründende Kausalität (+)

3. Widerrechtlichkeit/ Rechtswidrigkeit (+)
--> Rechtfertigungsgründe für A's Handeln/ Unterlassen liegen nicht vor
--> Widerrechtlichkeit/ Rechtswidrigkeit liegt vor

4. Verschulden (+)
  • Vorsatz oder Fahrlässigkeit

a.) Vorsatz (-)
- mit Wissen und Wollen handeln; A wollte nichts verderben lassen

b. Fahrlässigkeit gem. § 276 BGB
--> fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet
--> wie bereits im Rahmen der Garantenstellung dargestellt, ist A der Hobbykoch
der WG, und beachtet streng die Sauberkeit von Küche und des Kühlschranks
--> hat es unterlassen vor seiner Studienfahrt den Kühlschrank auf verderbliche
Lebensmittel zu kontrollieren; hat damit insbesondere, die von ihm geschaffene
und wahrgenommene Pflicht zur Sauberkeit nicht erfüllt und damit die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt vermissen lassen
--> Fahrlässigkeit (+)

5. Schaden (+)
--> Vorher-Nachher-Vergleich, wie sich der Bestand des Rechtsguts/ Rechts vor und nach der Handlung darstellt
--> vor Substanzeinwirkung des Schimmels von A's Käse waren die Lebensmittel des B noch genießbar, dann nicht mehr;
--> konnte sie nicht mehr verwenden, sondern nur wegwerfen, somit Vermögenseinbuße, der Geldwert zur Ausgabe der
Lebensmittel war umsonst, da die Lebensmittel nicht gegessen werden konnten

6. Haftungsausfüllende Kausalität (+)
--> auch hier aufgrund der conditio-sine-qua-non-Formel davon auszugehen, dass ohne die durch A's Unterlassen
gesetzte Ursache, es nicht zum Schaden des B gekommen wäre und die Lebensmittel noch hätten gegessen
werden können, er also auch einen Gegenwert für seine Ausgaben gehabt hätte

7. Schadensersatzumfang grds. § 249 BGB

8. Ergebnis II.
B hat gegenüber A einen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 823 I BGB


III. Gesamtergebnis Grundfall
B hat zwar keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz gem. §§ 677, 683, 670, jedoch kann er gegenüber A einen Anspruch
auf Schadensersatz gem. § 823 I BGB geltend machen.




Lösung Variante



I. Anspruch aus §§ 677, 683, 670 BGB
--> Hinsichtlich der Prüfungspunkte 1.1 - 1.4 wie im Grundfall; keine Besonderheiten

1.5 Berechtigung iSd § 683 BGB(-)
--> Geschäftsbesorgung des B war weder im Interesse noch im Willen des A
--> lag somit keine Gefährdung vor
--> Schimmel war natürlicher Art, sollte ein Camembert-Käse werden
--> im Gegenteil, zu beachten: A legte Käse etxra nach hinten, damit er nicht weggeworfen wird

1.6 Zwischenergebnis
Keine berechtigte GoA aus §§ 677, 683


2. Ergebnis I.
B hat keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz gem. §§ 677, 683, 670 BGB, da es bereits an der Berechtigung
iSd § 683 BGB mangelt.

II. Anspruch gem. § 823 I BGB

1. Rechtsgutsverletzung
    1. Rechtsgut/ Recht
--> auch hier Eigentum des B UND
--> Gesundheit des B, durch Schnitt am Milchglas

    1. Verletzungshandlung
--> jedes positive Tun, auch hier hinsichtlich A (-), oder
--> durch Unterlassen, dafür aber Garantenstellung:
      • hier Argumentation nun in zwei Richtungen möglich
(1) A hatte Garantenstellung, weil er schon einmal ein Käsedilemma verursachte und
erlebte; hätte zumindest B und C über sein Experiment informieren müssen,
--> dann Prüfung weiter wie oben im Grundfall mit dem Ergebnis, dass letztlich wieder eine Schadensersatzpflicht besteht ODER

(2) Verneinung der Garantenpflicht, da A gerade nicht wollte, dass der
Käse entfernt wird und er den Käse dafür extra nach hinten gestellt hat
--> in diesem Falle wäre die Prüfung hier zu Ende; B hätte demzufolge auch
keinen Anspruch auf Schadensersatz, da es bereits an der Verletzungshandlung
fehlt
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