Fall: Chaotischer Gesellschafter einer Ltd.
A. Sachverhalt
Schussel (S) ist Antiquitätenhändler. Er sammelt auch alte Bücher und sonstige Verlagsprodukte und handelt mit ihnen. Auch wenn er nie Überblick über seine Finanzen hat, hat er derart gutes Händchen für das Geschäft, dass er stets Geld im Überfluss hat. Als er einmal in London einen Antiquitätenladen besucht, in dem er sehr viele ihn interessierende Raritäten sieht, bietet er dem Ladeninhaber an, den Laden komplett zu übernehmen. Da das Geschäft als die "old stuff ltd." (O) geführt wird, kauft S die Gesellschaft. Seitdem führt er sowohl das Geschäft in London wie auch seine Läden in Deutschland parallel.
Die Leitung und Organisation der erworbenen Gesellschaft bis auf die Abrechnung der Angestellten in London werden von Deutschland aus durchgeführt. Um seine Belastung in Grenzen zu halten bestellt er für die Ltd. einen director, der die Gesellschaft organisatorisch und insbesondere im Hinblick auf die formellen Rechtsfragen begleiten soll und ebenfalls in Deutschland sein Büro hat. Dennoch mischt er sich in die Belange des Londoner Geschäfts ständig ein und durch auch für ihn ausgestellten Vollmachten benutzt er mal seine eigenen Konten, mal die Konten der O für Bezahlung der Rechnung. Die Bücher der Gesellschaft werden auch in einer Weise geführt, dass man nicht erkennen kann, welche Geschäfte für O und welche für S direkt abgeschlossen und abgerechnet wurden.
Nach einigen goldenen Jahren kommt auf S und sein Geschäft schwierigere Zeit. S kann jedoch bei interessanten Einkaufsmöglichkeiten für Antiquitäten niemals widerstehen. Deshalb überredet er bei einer solchen Gelegenheiten den director der O, die Gesellschaft zu verschulden. Kurze Zeit darauf steht die O vor dem Ruin - nicht zuletzt deshalb, weil S nach wie vor keine Trennung zwischen dem Geld der O und seinem eigenen vornimmt.
Als O insolvent wird, möchte die Bank, die O Kredit gewährte, sowohl von der O wie auch vom S Rückzahlung der Darlehenssumme erwirken.
B. Frage
Kann die Bank auch auf das Vermögen des S zugreifen?
C. Lösungshinweise
Es kommt zum einen auf den Anknüpfungspunkt für die Durchgriffshaftung an (vgl. bei Spahlinger/Wegen, Rn. 338), zum anderen auf die Sachfrage der Durchgriffshaftung nach anwendbarem Recht.
Da hier das englische Recht anwendbar ist, ist das englische Recht maßgebend - vgl. Spahlinger/Wegen, Rn. 1342. Auch wenn nach deutschem Recht hier eine Ausnahme vom Grundsatz des § 13 Abs. 2 GmbHG denkbar wäre (Vermischung von Vermögen), ist dies für die Fallbewertung irrelevant - es ist allein nach Ausnahmen vom Grundsatz beschränkter Haftung im englischen Recht zu fragen.
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