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Fall: Brief auf Umwegen


A. Sachverhalt
Jung (J) begibt sich am 10.10. zum Antiquitätenhändler Alt (A) und fragt, ob A für ihn einen bestimmten antiken Tisch mit 6 Stühlen aus dem 18. Jahrhundert besorgen könnte. J hätte viel Geld, aber kaum Zeit, seine Wunschmöbelstücke selbst zu suchen. Dabei zeigt J auch ein entsprechendes Bild.

A kann den Wunsch des J nicht aus seinem Bestand erfüllen, er meint aber, dass er dies für 3.200,- EUR inklusive aller Kosten in Auftrag nehmen könnte. J verabschiedet sich mit der Aussage, dass er bis zum 31.10. warten und sich danach anderweitig umsehen werde.

A findet die Möbel und hat sie bereits am 21.10. bei sich stehen. Er schreibt den J mit einem Einschreiben am gleichen Tag an mit der Aussage, dass J die Möbel für 3.100,- EUR abholen könne - sogar unter dem vereinbarten Preis. Der Brief des A gelangt jedoch infolge einer Störung im Verteilzentrum der Post zwischen Steuerräder einer Sortiermaschine und wird zerrissen, wodurch sich die Zustellung um einiges verzögert. Am 30.10. soll der durch die Post umverpackte und zusammengeklebte Brief inklusive eines Entschuldigungsschreibens zugestellt werden. J wird aber in seiner Wohnung nicht angetroffen, weshalb er lediglich einen Abholschein für ein Einschreiben vorfindet. Er holt den Brief erst am 02.11. ab und wundert sich über die Verpackung, das Schreiben der Post und den zerrissenen Brief des A. Im Entschuldigungsschreiben der Post liest er, dass der Brief an sich bereits am 23.10. bei ihm angekommen wäre, aber durch die Umstände nun alles länger gedauert hat.

J kümmert sich nicht mehr um die Angelegenheit, weil er davon ausgeht, dass in diesem Fall A Pech gehabt hat, wenn sein Brief zu spät angekommen ist.

Nach einiger Zeit meldet sich A bei J und verlangt Bezahlung der Möbelstücke und Abholung.

B. Frage
Darf er das?



Prüfungsaufbau


C. Musterlösung
A könnte gegen J einen Anspruch auf Zahlung von 3.100,- EUR sowie Abholung der Möbel gem. § 433 Abs. 2 BGB haben. Voraussetzung dafür ist, dass der Anspruch erworben, nicht verloren wurde und durchsetzbar ist.

A könnte den Anspruch durch einen wirksamen Kaufvertrag mit dem J gem. § 433 BGB erworben haben. Dafür müsste hier ein Vertrag geschlossen worden sein, dessen Inhalt Kaufvertrag ist, und der Vertrag müsste auch wirksam sein.

Zwischen A und J könnte ein Vertrag zustande gekommen sein. Ein Vertrag wird durch Angebot und Annahme geschlossen, wobei diese Willenserklärungen inhaltlich übereinstimmen müssen und die Annahme nur dann zum Vertragsschluss führt, wenn der Antragende zum Zeitpunkt der Annahme an sein Angebot (noch) gebunden ist.

1. Angebot
Zunächst ist zu prüfen, ob hier ein verbindliches Angebot vorliegt. Dafür müsste eine der Parteien gegenüber der anderen eine Willenserklärung abgegeben haben, die dem Adressaten zugegangen ist und inhaltlich alle Bestandteile eines Angebotes i. S. d. § 145 BGB enthält.

Das Angebot könnte von J ausgegangen sein. Am 10.10. erklärte J, dass er einen antiken Tisch mit 6 Stühlen kaufen möchte. A stellt in Aussicht, dass er diesen Wunsch für 3.200 EUR erfüllen könnte, macht aber noch keine konkrete Zusage.
Damit liegt seitens J eine Willenserklärung vor. Es ist auch eine Erklärung, welche den Kaufpreis (bis zu 3.200,- EUR) und den Kaufgegenstand (antiker Tisch mit Stühlen) hinreichend genau bestimmt, womit sie inhaltlich ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages darstellt. Die Erklärung ist auch gegenüber A in dessen Anwesenheit erfolgt. Damit liegt seitens des J ein Angebot gem. § 145 BGB vor.

2. Annahme durch A
A versendet am 23. 10. einen Brief, in dem er die Lieferung der Möbel zusichert. Damit hat A das Angebot des J angenommen.

3. Annahmefähigkeit des Angebotes


4. Übereinstimmung
Die Erklärungen der Parteien könnten auch übereinstimmend sein. In seiner Annahmeerklärung gibt J dem A allerdings nur bis zum 31.10. Zeit, die Möbel zu besorgen. Ansonsten würde er sich anderweitig umsehen. Somit erweitert er das Angebot um eine Frist. Es liegt also keine Übereinstimmung sondern eine Annahme unter Erweiterungen bzw. Einschränkungen vor. Sie kann nur als ein neues Angebot i. S. d. § 150 Abs. 2 BGB angesehen werden. Voraussetzung für den Vertragsschluss auf diesem Wege wäre, dass eine erneute Annahme erfolgt, ferner Annahmefähigkeit und Übereinstimmung vorliegen.

5. Annahme des neuen Angebotes seitens A
Eine abweichende Betrachtung, dass A bereits beim Gespräch am 10.10. angenommen hat und dadurch ein Vertrag unter der Bedingung (bzw. genauer: Zeitbestimmung, § 158 Abs. 1 BGB und § 163 BGB) geschlossen wurde, dass A bis zum 31.10. definitiv zusagt, ist vertretbar. Dann müsste weiter geprüft werden, ob die Zeitbestimmung eingehalten wurde - andernfalls wäre das Geschäft unwirksam!
A könnte das (neue) Angebot des J mit seinem Schreiben vom 21.10. angenommen haben. Dafür müsste er eine Willenserklärung abgegeben haben, welche eine uneingeschränkte Zustimmung zum Angebot des J darstellte und die dem J zugegangen wäre.

A hat in seinem Schreiben erklärt, dass er die Möbel für J besorgt habe und nun J die Möbel abholen könne. Dies ist eine Willenserklärung. Mit Versendung des Schreibens hat A die Erklärung abgegeben. Spätestens in dem Augenblick, in welchem J den Brief (am 2. 11.) liest, ist ihm die Erklärung des A zugegangen.

Damit liegt eine Annahme seitens A vor.

6. Annahmefähigkeit des erneuten Angebotes des J
Es ist fraglich, inwiefern die Annahme durch A überhaupt erfolgen konnte. Ein Angebot ist annahmefähig, wenn die Annahme rechtzeitig erfolgt und keine sonstigen Gründe vorliegen, die gegen die Bindung des Antragenden an seinen Antrag gegeben sind.

a. Fristgemäße Annahme
Sofern eine Frist gesetzt ist, kann ein Angebot nur angenommen werden, wenn dies innerhalb der angegebenen Frist erfolgt, § 148 BGB. Laut Sachverhalt hat J eine Frist bis zum 31.10. gesetzt. Die Frist ist eingehalten, wenn die Willenserklärung innerhalb der Frist dem Adressaten zugeht.

Die Annahme könnte dem J am 30.10. zugegangen sein. Am 30.10. erfolgte nur ein Zustellungsversuch und es wurde lediglich der Abholschein hinterlegt. Dadurch, dass J nicht anwesend war, konnte er die Nachricht nicht lesen. Er konnte aus dem Abholschein nicht schließen, dass A das Geschäft finalisieren will. Damit war es J nicht möglich, von der Erklärung des A Kenntnis zu nehmen. Somit ist die Annahme nicht am 30.10. zugegangen.
Die Kenntnisnahme war vielmehr erst am 2.11. möglich und damit erfolgte der Zugang nicht rechtzeitig i. S. d. § 148 BGB.

b. Fiktion der fristgemäßen Annahme gem. § 149 BGB
Der Zugang könnte dennoch als nicht verspätet gelten, wenn die Voraussetzungen des § 149 S. 1 BGB erfüllt sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Annahme bei regelmäßiger Beförderung rechtzeitig angekommen wäre, der Antragende (hier J) dies erkennen musste und dies nicht unverzüglich gemeldet hat.
A hat die Annahme (den Brief) am 21.10. per Einschreiben aufgegeben. Damit ist diese Erklärung rechtzeitig abgegeben worden. Durch die Benachrichtigung der Post musste J erkennen, dass die Annahme an sich schon früher bei ihm angekommen wäre. Deshalb hätte sich J bei A gem. § 149 BGB unverzüglich melden müssen. Das hat er nicht getan. Deshalb ist die Annahme des A als rechtzeitig zugegangen anzusehen.

Da keine sonstigen Gründe gegen die Bindung des J an seinen Antrag sprechen, ist die Annahmefähigkeit der Erklärung des J anzunehmen.

7. Übereinstimmung
Hier könnten die Erklärungen von A und J auch übereinstimmen. Dies ist dann der Fall, wenn die Erklärungen inhaltlich übereinstimmen, sie eindeutig sind und die Übereinstimmung sich auf alle notwendigen Inhalte erstreckt.

Problematisch ist allerdings, dass A in seinem Annahmebrief einen anderen Preis angibt, als J in seinem (erneuten) Antrag noch nannte. Dennoch könnte hier eine Übereinstimmung angenommen werden, wenn davon auszugehen ist, dass die Annahmeerklärung des A so auszulegen ist, dass sie dem Willen des J auch entspricht. Hier könnte insbesondere gem. § 155 BGB der Fall vorliegen, dass der A davon ausgeht, der Vertrag soll geschlossen werden, obwohl der Preis noch nicht definitiv feststeht. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass J mit einem niedrigeren Preis in jedem Fall einverstanden wäre.

Daraus ist zu folgern, dass die Erklärung des A nicht etwa als eine Annahme mit Änderungen anzusehen ist, sondern als eine Annahme des Angebotes mit zusätzlicher Option für J. Damit hat A in jedem Fall das Angebot des J angenommen, wobei sich die Höhe des Kaufpreises nach den Wünschen des J richten kann.

8. Ergebnis
Der Vertrag zwischen A und J wurde geschlossen. Der Vertrag ist auch wirksam. Da keine Anhaltspunkte für Verlust oder fehlende Durchsetzbarkeit des Anspruchs vorliegen, hat A gegen J einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises und Abholung der Möbel gem. § 433 Abs. 2 BGB.












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