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Version [31949]

Dies ist eine alte Version von FallBMWvsFahrrad erstellt von MartinEbert am 2013-06-23 19:29:46.

 

FALL 1 BMW vs. Fahrrad


Thema: GoA



BMW-Anton (A) fährt mit seinem BMW vorschriftsmäßig durch Schmalkalden.
Fahrrad-Ferdinand (F) befährt mit seinem treuen Klapprad zur selben Zeit die gleiche Straße wie A.
Als A nun versucht den F an einer verkehrssicheren Stelle zu überholen, kommt der F aufgrund eines Schlaglochs, dass ein Resultat, des langen Winters ist, ins Schleudern und stürzt schuldlos vor den Wagen des A. A hat keine andere Möglichkeit, als sein Fahrzeug beim Ausweichmanöver gegen eine Laterne zu lenken.
Das Auto des A wird zerstört. A erleidet hierdurch einen Schaden in Höhe von 25.000 Euro.

A verlangt nun von F Ersatz des Kfz-Schadens. Zu Recht?

Lösungsskizze Fall 1

in Anlehnung an BGH NJW 1963 S. 390 (vorläufig, korrekte Formatierung folgt noch)

Anspruch A gegen F auf Ersatz des Schadens gem. §§ 677, 683, 670 BGB
müsste gem. § 683 eine GoA im Sinne des § 677 BGB vorliegen, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des F entspräche, um entsprechend einem Beauftragten nach §§ 683, 670 BGB den Ersatz der Aufwendungen geltend machen zu können

1. Voraussetzungen der GoA gem. § 677 BGB

1.1. Geschäftsbesorgung
= jedes Tätigwerden in fremden Interesse (rechtsgeschäftlich und tatsächlich) und
kein bloßes Unterlassen darstellt
--> A mit dem Auto ausgewichen, um so Leben des F zu erhalten,
damit im Interesse des F gehandelt, folglich im fremden Interesse


1.2. für einen anderen/ Fremdheit des Geschäfts

a) objektiv fremdes Geschäft
- dann gegeben, wenn das Geschäft/ die Handlung aus Sicht eines obj. Dritten schon ihrem
Inhalt oder ihrer Natur nach zum Rechts- oder Interessenkreis eines anderen gehört als dem des GF
(Geschäftsführer); Bsp.: Veräußerung einer Sache nur durch Eigentümer, Geltendmachung Forderung
nur durch Gläubiger

b) auch fremdes Geschäft [P:]
      • GF führt hier sein eigenes und zugleich ein fremdes Geschäft
      • Voraussetzung für GoA hier also, dass GH auch ein unmittelbares Interesse
in und an der Geschäftsführung hat (Bsp.: KfZ-Abschleppen durch
Abschleppservice, der Vertrag mit Polizei hat)

--> hier objektiv fremdes Geschäft: Ausweichmanöver des A iSe Unfalls aufgrund höherer Gewalt (schuldloser Sturz
des F aufgrund des Schlaglochs in der Straße) § 7 II StVG (aA vertretbar im Hinblick auf ein "auch fremdes Geschäft")


1.3. Fremdgeschäftsführungswille (ergibt sich aus § 687 I, II BGB)
= GF muss das Bewusstsein und den Willen haben, eine Angelegenheit, die eigentlich in den
Rechtskreis eines anderen gehört, für diesen zu besorgen;
= muss folglich wissen und wollen, dass die Vorteile des Geschäfts dem anderen zugute kommen;
= dabei unerheblich, ob Geschäftsführer den Geschäftsherrn (GH) kennt; genügt, dass er für einen
anderen handeln will (darum auch ein Irrtum über die Person des GH unschädlich § 686 BGB)


a) objektiv fremdes Geschäft
    • wird nach hM der Fremdgeschäftsführungswille vermutet

b) auch fremdes Geschäft
    • wird nach hM der Fremdgeschäftsführungswille vermutet

--> hier, sofern ein objektiv fremdes Geschäft angenommen wurde, wird der Fremdgeschäftsführungswille vermutet,
ebenso auch bei einem auch fremden Geschäft, denn A handelte mindestens auch im Sinne des F, als er durch sein
Ausweichmanöver das Leben des F rettete


1.4. Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung
= GF handelt 'ohne Auftrag', wenn er nicht im Hinblick auf eine bestehende vertragliche Pflicht
zum Handeln ggü dem GH tätig wird (-)

= TB-Merkmal 'ohne sonstige Berechtigung' dann erfüllt, wenn GF keine sonstige Legitimation zum
Tätigwerden hat; damit Rechtsverhältnisse gemeint, die den GF kraft Gesetz zum Tätigwerden berechtigen
(und eventuell auch verpflichten), z.B.:
            • die Tätigkeit als Insolvenzverwalter
            • Vereinsvorstand
            • Betreuer, Eltern oder
            • aus öffentlich-rechtlichem besonderen Gewaltverhältnis

= dagegen hat Norm, die allein Recht oder Pflicht zur Geschäftsbesorgung festlegt und damit
'legitimiert' keine Ausschlußwirkung für die GoA
--> so durch Notwehr (§ 227 BGB) gerechtfertigte Geschäftsbesorgung macht §§ 677 ff BGB
nicht etwa unanwendbar

--> hier kein Auftrag, beide kannten sich nicht; auch keine sonstige Berechtigung ersichtlich (+)


1.5. Geschäft im objektivem Interesse und entsprechend dem (wirklichen oder mutmaßlichen) Willen gem. §§ 683 iVm 677 BGB / Berechtigung

a) wirklicher Wille
    • gegeben und entscheidend, wenn GH sich nur irgendwie schon einmal
Willen bzgl. des Geschäfts gebildet hat, selbst wenn dieser unvernünftig erscheint; keine Kenntnis des GF erforderlich

b) mutmaßlicher Wille
    • sofern (noch) kein Wille vom GH zum Geschäft ersichtlich, zu fragen: "Hätte GH bei obj. Würdigung der Gesamtumstände der Geschäftsübernahme zugestimmt?";

c) objektives Interesse
    • sofern nicht mal mutmaßlicher Wille vorliegt, so auszulegen, ob die Geschäftsführung im objektiven Interesse des GH lag

--> hier über den wirklichen Willen des F (GH) nichts bekannt, aber objektiv zu konstatieren, dass es in seinem Interesse
(mutmaßlichen Willen) war, dass A auswich, um das Leben des F zu retten



1.6. Zwischenergebnis

= im Lenken des BMW an die Laterne und dem damit verbundenen Ausweichen vor dem F
liegt eine berechtigte GoA durch A iSd § 677 BGB


2. Aufwendungsersatz im Sinne des § 683 BGB

2.1. Prüfung TB-Merkmale § 670 BGB (+)
    • Aufwendungen= freiwillige Vermögensopfer (-/+)
Fraglich, ob A seinen BMW freiwillig gegen Laterne lenkte, folglich mitunter mit keine Aufwendung im eigentlichen Sinne, ABER:

--> laut BGH werden auch aus GoA resultierende Schäden ersetzt, sofern:
- es sich um aus der Geschäftsführung risikotypische Begleitschäden handelt;
- aber regelmäßig Mitverschulden GF § 254 BGB anwendbar

--> hier: liegt eine Aufwendung im Sinne des § 670 BGB vor da, typische Risikokonkretisierung beim ruckartigen
Ausweichen von A, um F zu retten, die wiederum kausal zum Schaden führte, der nun wie Aufwendung behandelt wird

MERKE: Mitverschulden gem. § 254 BGB des KfZ-Fahrers möglich, sofern auch andere Möglichkeit als das Ausweichen
besatnd

2.3. Zwischenergebnis Merkmale § 670 BGB

= die TB-Merkmale des § 670 BGB sind iSd § 683 BGB erfüllt, A führte zwar keinen Auftrag aus, hatte aber in Folge
der Lebensrettung des F Aufwendungen, die sich in den Unfallschäden konkertisierten

3. Ergebnis
A kann von F den Ersatz der Aufwendungen, die in er Form seines Kfz-Totalschadens hatte, verlangen, da eine berechtigte GoA iSd des § 677 BGB vorliegt und A Aufwendungen iSd §§ 683, 670 BGB in Form der risikotypischen (Begleit)Schäden erlitt, die infolge der Geschäftsvornahme typischerweise entstanden



Ansprüche des A gegen F


A. Anspruch entstanden


I. Vertragliche, Quasi-Vertragliche Ansprüche
Bezüglich des Falles sind keine Angaben ersichtliche, dass A und F sich außer in Folge des Unfalls kannten. Es lagen keine Vertragsverhältnisse und auch keine quasi-vertraglichen Schuldverhältnisse, wodurch auch keine Ansprüche daraus entstanden.


II. Anspruch A gegen F auf Ersatz des Schadens gem. §§ 677, 683, 670 BGB

A könnte gegenüber F einen Anspruch auf Ersatz des Schadens haben. Dazu müsste gem. § 683 BGB eine Geschäftsführung ohne Auftrag vorgelegen haben, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des F entsprochen hatte, um dann entsprechend einem Beauftragten nach §§ 683, 670 den Ersatz eigener Aufwendungen geltend machen zu können.


1. Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag gem. § 677 BGB

1.1 Geschäftsbesorgung
Zunächst müsste hierzu eine Geschäftsbesorgung seitens des A vorgelegen haben. Eine Geschäftsbesorgung iSd § 670 BGB ist jedes tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigwerden in fremden Interesse, das kein bloßes Unterlassen darstellt. Vorliegend hatte A zwar keine Rechtsgeschäft mit F geschlossen, ist aber in Folge des Sturzes von F diesem ausgewichen und mit seinem Auto gegen die Laterne gefahren. Es ist hierbei auch davon auszugehen, dass dieses Tätigwerden im Interesse des F lag, der ohne das Lenkmanöver des A wohl mindestens schwer verletzt worden wäre.


1.2 für einen anderen/ Fremdheit des Geschäfts
Darüber hinaus müsste es sich beim Lenkmanöver des A um ein fremdes Geschäft gehandelt haben. Dieses läge vor, wenn man annehmen könnte, dass das Lenkmanöver ein objektiv fremdes, zumindest aber ein auch fremdes Geschäft für den A darstellte.
Objektiv fremd ist ein Geschäft, wenn es aus Sicht eines neutralen Dritten schon nach seinem Inhalt oder seiner Natur dem Rechts- oder Interessenkreis eines anderen als dem Geschäftsführer, vorliegend A, zugeordnet werden kann.
Im vorliegenden Fall wurden dem F durch das Lenkmanöver von A das Leben gerettet, zumindest aber schwere Verletzungen im Falle einer Kollision, erspart. Das ist ganz klar dem Interessenkreis des F zuzuordnen, der ein elementares Interesse an seiner Gesundheitserhaltung hat.
Folglich liegt auch ein fremdes Geschäft iSe objektiv fremden Geschäfts für A vor.
(Eine andere Ansicht hinsichtlich eines auch fremden Geschäftes ist hier auch gut zu vertreten und anzunehmen, wenn man argumentiert, dass es auch im Interesse des A lag keinen Unfall zu verursachen, durch welchen er dem F zum Schadensersatz gem. § 7 I StVG verpflichtet gewesen wäre. Dennoch wäre dann auch § 7 II StVG zu beachten, der diese Ersatzpflicht ausschließt, sofern der Unfall durch höhere Gewalt verursacht worden wäre, wie vorliegend im Fall durch ein Schlagloch aufgrund der Wetterbedingungen. Zumindest ist dann aber von einem auch fremden Geschäft auszugehen, welches wiederum den Prüfungspunkt „Fremdheit des Geschäfts nicht scheitern lässt.)


1.3 Fremdgeschäftsführungswille des A
Letztlich müsset A auch mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt haben, das heißt, das Lenkmanöver auch ausgeführt haben, im Willen und Bewusstsein diese Tätigkeit für einen anderen zu besorgen, der davon auch profitiert, unerheblich, ob er den Geschäftsherrn kennt oder nicht.
Vorliegend ist davon auszugehen, dass er F nicht überfahren wollte. Folglich wusste A auch, dass er im Interesse von F handelte, als er das Steuer herumriss und so dessen Leben sicherte und wollte dies auch. A handelte somit mit Fremdgeschäftsführungswillen.


1.4 Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung
Weiterhin erfordert die GoA gerade eine Situation in der kein Auftrag oder auch keine Berechtigung für das Handeln des Geschäftsführers gegeben ist. Laut SV kannten sich A und F nicht und hatten auch kein Auftragsverhältnis in irgendeiner Form. Folglich lag auch kein Auftrag vor. Darüber hinaus dürfte auch keine sonstige Berechtigung gegeben sein, die immer dann anzunehmen ist, wenn für das Tätigwerden des Geschäftsführers eine Legitimation kraft Gesetzes vorliegt. Eine solche ist im konkreten Fall nicht ersichtliche.
Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass folglich auch kein Auftrag und keine sonstige Berechtigung für die Geschäftsbesorgung des A vorlagen.


1.5 Geschäft im objektiven Interesse und entsprechend dem (wirklichen oder mutmaßlichen) Willen des F gem. §§ 683 iVm 677 BGB
Letztlich sollte das Geschäft dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des F entsprechen zumindest aber in seinem objektiven Interesse liegen.


a. wirklicher Wille
Eine Feststellung, ob das Tätigwerden des A dem wirklichen Willen des F entspricht ist mangels konkreter Angaben im SV nicht zu bestimmen.


b. mutmaßlicher Wille
Der mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn ist zu bestimmen, indem die Frag zu stellen ist, ob er bei einer Würdigung der Gesamtumstände der Geschäftsbesorgung zugestimmt hätte. Vorliegend wäre F bei einer solchen Gesamtwürdigung zum Ergebnis gekommen, dass er überfahren worden wäre, wenn A nicht das Lenkmanöver unternommen hätte. F hätte also folgenschwer verletzt werden können. Folglich ist davon auszugehen, dass F bei einer Würdigung der Gesamtumstände der Geschäftsbesorgung des A zugestimmt hätte.
Demnach war die Geschäftsbesorgung des A auch entsprechend des mutmaßlichen Willen von F.


1.6 Zwischenergebnis
Im Lenken seines Autos gegen die Laterne und dem damit verbundenen Ausweichen von A lag gegenüber dem F eine berechtigte GoA iSd § 677 BGB vor.


2. Aufwendungsersatz im Sinne des § 683


2.1 TB-Merkmale des § 670 BGB
Um einen Anspruch auf Aufwendungsersatz zu haben, müssten auch die weiteren Voraussetzungen des § 683 BGB auf Seite des A vorliegen. Demnach müsste A im Sinne eines Beauftragten Aufwendungen gemacht haben, die er erforderlich hielt, um die Geschäftsbesorgung für F vorzunehmen.
Als Aufwendungen gelten hierbei alle freiwilligen Vermögensopfer. Fraglich ist vorliegend jedoch, ob der A sein Auto freiwillig gegen die Laterne gelenkt hat oder es gerade ein unfreiwilliges Vermögensopfer war.
Laut der geltenden Rechtsprechung des BGH werden auch „Aufwendungen“ ersetzt, sofern es sich bei ihnen um der Geschäftsführung innewohnende risikotypische Begleitschäden handelt. Im konkreten Fall konnte der A dem F nur noch so ausweichen um dessen Leben zu retten, als dass er gegen die Laterne fuhr. Darüber hinaus ist auch festzustellen, dass der Führung eines Kraftfahrzeuges immer eine latente Gefahr inne wohnt, deren Berücksichtigung sich oft in einem Mitverschulden bei Unfällen widerspiegelt. Und gerade im konkreten SV ist davon auszugehen, dass bei einem unvorhergesehenen Ereignis wie dem Sturz des F, eine hektische und nahezu instinkthafte Rettungsaktion wie das Lenkmanöver des A eine Situation erzeugt, deren Risiko sich in dem konkreten Schaden verkörpert, der in Folge des Ausweichmanövers entstand.
Infolge dessen, ist es hier nicht weiter von Belang, ob A sein Auto freiwillig gegen die Laterne lenkte und somit eine Aufwendung im eigentlichen Sinne vorlag oder nicht. Gemäß der Rechtsprechung lag auch so eine Aufwendung vor, da sich hier das vorhandene Risiko des Ausweichmanövers im Totalschaden des BMW als Begleitschaden konkretisiert und realisiert hat.


2.2 Zwischenergebnis § 683 BGB
Die Tatbestandsmerkmale des § 683 BGB und folglich auch des § 670 BGB sind erfüllt. A hatte Aufwendungen, die zum Aufwendungsersatz berechtigen.


3. Gesamtergebnis A.
A hat einen Anspruch auf Aufwendungsersatz in Höhe des Totalschadens gegenüber dem F gem. §§ 677, 683, 670 BGB.


B. & C. Anspruch erloschen (untergegangen)/ Anspruch durchsetzbar

Darüber liegen weder Gründe vor, die den Anspruch haben erlöschen lassen noch solche, die eine Durchsetzbarkeit verhindern.



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