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Version [39570]

Dies ist eine alte Version von EnergieRLieferVBeispiel erstellt von WojciechLisiewicz am 2014-05-20 18:51:05.

 

Energielieferverträge - zivilrechtliche Regeln

Fallbeispiel zur Kontrolle von Preisanpassungen


A. Sachverhalt
1. A zieht in die Stadt Duselhausen um. Er kümmert sich nicht um seinen Stromlieferanten. Kurz nach Umzug erhält er von den Stadtwerken Duselhausen (S) eine Mitteilung, dass er nun in der Grundversorgung von der S mit Strom beliefert wird. A zahlt seine Rechnungen vorerst anstandslos. Erst nachdem er eine Mitteilung bekommt, dass sein bisheriger Abschlag in Höhe von 30 EUR monatlich auf 40 EUR erhöht werden soll, ist er nicht bereit, eine so kräftige Preiserhöhung mitzumachen. Die Erhöhung des Abschlagsbetrages wird damit begründet, dass sich der Strompreis um ca. 30 % geändert hat, wodurch die nächste Jahresrechnung entsprechend höher ausfallen wird.

A hat gehört, dass man zu hohe Preissteigerungen nicht bezahlen muss.

Frage zu 1. Kann A Zahlung des höheren Preises verweigern, ohne Sanktionen zu befürchten? Wie sollte er sich verhalten?

2) Bereits beim Umzug überlegt A, bei welchem Versorger er seinen Strom beziehen sollte. Er stellt fest, dass die Stadtwerke Duselhausen (S) für seinen Single-Haushalt das beste Angebot haben und entscheidet sich für einen für A günstigsten Vertrag bei S. Der Vertrag ist unbefristet kann aber jeweils zum Jahresende durch jede der Parteien gekündigt werden. Er sieht vor, dass der Strompreis für A durch S angepasst werden kann, wenn:
- der Stromlieferant der S seine Preise erhöht,
- die Netzentgelte sich ändern,
- die Höhe der im Strompreis enthaltenen Steuern sich ändert.

Nach einiger Zeit erhält A die Mitteilung, dass wegen Erhöhung der Preise beim Stromlieferanten der S der Preis auch gegenüber A angepasst werden muss. A ist mit der Anpassung nicht einverstanden und will den höheren Preis nicht zahlen.

Frage zu 2: Kann A in diesem Fall Zahlung des höheren Preises verweigern?


1. Antwort zu 1:
Ein vertragliches Schuldverhältnis ist konkludent entstanden. Im Rahmen der Grundversorgung liegt das einseitige Leistungsbestimmungsrecht bei S und ist bei Verträgen der Grundversorgung, was laut aktueller Rechtsprechung generell zu bejahen ist. Der Leistungsinhalt besteht laut Sachverhalt aus der Grundversorgung des A mit Strom. Die Abschlagszahlung (30 € pro Monat) ist dabei irrelevant, weil es sich dabei nur um eine Abschlagszahlung handelt.
Eine ordnungsgemäße Veröffentlichung der Preisanpassung ist anzunehmen. Fraglich ist hier, ob S im Rahmen seines Ermessensspielraums gehandelt hat. Somit hängt eine Zahlungsverpflichtung des A davon ab, ob die Preisanpassung im Rahmen der Billigkeit erfolgt ist. S kann die Zahlung der Erhöhung (auf der Grundlage der Jahresrechnung - nicht hinsichtlich der Abschläge) verweigern, wenn eine Überprüfung der Abschlagserhöhung durch Kosten- und Gewinnkontrolle, Vergleichsmarktmodell oder Offenlegung der Kalkulation ergeben hat, dass die Preisanpassung unbillig ist. S sollte somit vorerst eine Überprüfung der Erhöhung fordern.

2. Antwort zu 2:
Der zwischen dem Versorger und A geschlossene Vertrag ist ein Sondervertrag, weshalb die gesetzlichen Regelungen der StromGVV zumindest keine automatische Anwendung finden. Die Bestimmungen, die im Vertrag enthalten sind, müssen den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln entsprechen. Sofern die Preisanpassungsklausel zwischen S und A individuell ausgehandelt wurde (was bei einem Einzelvertrag eines Einzelkunden sehr unwahrscheinlich ist), können die Parteien grundsätzlich vereinbaren, was sie wollen.

Da A aber laut Sachverhalt rein privat und damit als Verbraucher i. S. d. § 13 BGB auftritt und davon auszugehen ist, dass die Preisanpassungsklausel der S für den Vertrag vorformuliert (gem. § 305 Abs. 1 BGB nicht im Einzelnen ausgehandelt) war, ist die Klausel an den §§ 305 ff. BGB zu messen. Sie ist für A nur dann verbindlich, wenn sie (a) richtig in den Vertrag aufgenommen wurde und (b) wirksam gem. §§ 307 - 309 BGB ist.

a. Klausel in Vertrag aufgenommen?
Da A Verbraucher ist, müssen die Voraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB erfüllt sein. Dem A waren die Klauseln wohl bekannt. Im Übrigen fehlen im Sachverhalt Anhaltspunkte dafür, inwiefern dem A Kenntnisnahme aller Klausel möglich war. Sofern ausgegangen werden kann, dass A die AGB ausgehändigt bekam oder in sonstiger Weise zur Kenntnis nehmen konnte, ist von ordnungsgemäßer Einbeziehung der AGB in den Vertrag auszugehen.

b. Klausel wirksam?
A ist Verbraucher, deshalb sind die Klauseln des Vertrages zwischen A und S am Maßstab der §§ 307 - 309 BGB zu messen. Problematisch ist allerdings, inwiefern auch die §§ 308 und 309 BGB anwendbar sind, weil es sich hier um einen Vertrag der (Energie-)Versorgung i. S. d. § 310 Abs. 2 BGB handelt. Die Einschränkung des § 310 Abs. 2 BGB greift jedoch nur dann, wenn sich der Versorger an die StromGVV oder die GasGVV hält, was im vorliegenden Fall nicht festzustellen ist.

Ungeachtet dessen kommt ist zu prüfen, ob ein Verstoß gegen die Generalklausel des § 307 BGB gegeben ist. Im Rahmen des § 307 BGB ist zu beachten, dass sich aus der in den AGB verwendeten Klausel keine unangemessene Benachteiligung für den Vertragspartner ergibt. Eine unangemessene Benachteiligung besteht, wenn die Bestimmungen einseitig die Belange des Verwenders auf Kosten des Vertragspartners wahren.

Im Hinblick auf eine Preisanpassungsklausel konkret lässt § 307 BGB nach der Rechtsprechung Preisveränderungsklauseln zu, die eindeutig klarstellen, dass Kostensteigerungen zu Verteuerungen führen können und Entlastungen zu Preisreduzierungen. Dabei muss die Pflicht zur Preissenkung explizit herausgestellt sein. In diesem Fall ist aber nicht geregelt, dass Entlastungen auch zu Preisreduzierungen führen können. Es ist nur geregelt, dass im Falle von Erhöhungen zu Kostensteigerungen führen. Des Weiteren wird dem Verwender ermöglicht, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne jede Begrenzung anzuheben. Deshalb ist die Preisanpassungsklausel der S rechtlich fragwürdig.

Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmungen nicht klar und verständlich sind (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Mit anderen Worten müssen Preisanpassungsklauseln so beschaffen sein, dass der Vertragspartner den Umfang der auf ihn zukommenden Preissteigerung bei Vertragsschluss aus der Formulierung der Klausel erkennen und die Berechtigung der Erhöhung selbst messen könne (BGH 8.ZV 28.10.2009 VIII ZR 320/07). In diesem Fall liegt dies nicht vor, da aus der Formulierung nicht hervorgeht wie genau die Kostensteigerung zu berechnen ist. Da also keine Begrenzung der Anhebung gegeben ist, liegt eine unangemessene Benachteiligung vor.

Somit ist die Klausel gem. § 307 BGB insgesamt nicht wirksam.

Ergebnis
Da die Klausel gem. § 307 BGB unwirksam ist, ist die Klausel gem. § 306 BGB nicht bindend, während der Vertrag im Übrigen bestehen bleibt. Aus diesem Grund muss A die Erhöhung nicht zahlen.

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