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Anreizregulierung

Regeln der Anreizregulierung in der ARegV

Die Anreizregulierung ist der vom deutschen Gesetzgeber aktuell in § 21a EnWG vorgesehene Weg der Regulierung von Netzentgelten. Ein allgemeiner Überblick über die Regulierung von Netzentgelten in der Energiewirtschaft wurde in einem anderen Artikel festgehalten. Im nachstehenden Artikel werden speziell die Mechanismen der Anreizregulierung der Netzentgelte gem. § 21a EnWG sowie gem. den Vorschriften der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) vorgestellt.
Um dem Leser das Thema der Anreizregulierung näher zu bringen werden an dieser Stelle zunächst einige grundlegende Informationen zum Begriff und Hintergrund dieser Regulierungsform sowie einige weitere Informationen vorgestellt (A.). Im Zentrum der Anreizregulierung nach geltendem Recht steht die sog. Erlösobergrenze für den Netzbetreiber (B.). Zu klären ist auch, wie aus der Erlösobergrenze Netzentgelte zu ermitteln sind (C.). Schließlich wird das Thema der Anreizregulierung an einem einfachen Praxisbeispiel erläutert (D.).

A. Grundlagen


1. Begriff
Die Anreizregulierung bedeutet, dass dem Netzbetreiber Vorgaben gemacht werden, die ihn zum effizienten Wirtschaften zwingen. Die Kosten des Netzbetreibers rücken dabei in den Hintergrund und sind nicht allein für die Höhe der Netzentgelte ausschlaggebend - maßgeblich ist vielmehr, welche Effizienz der jeweilige Netzbetreiber potenziell erreichen kann. Netzbetreibern soll für einen festgelegten Zeitraum zugleich gestattet sein, die Vorteile von Kostensenkungen in Form von Gewinnen einzunehmen, auch dies in der Praxis nicht oft gelingt.

2. Hintergrund und Vergleich mit kostenbasierter Regulierung
Nach Einführung des EnWG im Jahre 2005 wurden Netzentgelte auf der Grundlage der Kosten des Netzbetreibers ermittelt. Sofern die vom Netzbetreiber bei Genehmigung der Entgelte vorgelegten Kosten gerechtfertigt waren, wurden die darauf basierenden Entgelte genehmigt (vgl. § 23a EnWG). Bei kostenbasierter Regulierung werden berechtigte Kosten auf Netzentgelte umgelegt, so dass eine Kostensenkung für den Netzbetreiber kaum Vorteile bringt.

Die Anreizregulierung wurde ab 2009 eingeführt (vgl. § 21a EnWG). Das Ziel war dabei, dass Netzbetreiber trotz ihres Ziels der Gewinnmaximierung einen Anreiz zur Kostensenkung erhalten [Mehr dazu sowie zur Entstehung der Anreizregulierung bei Ruge, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 18, Rn. 4 ff.]. Durch die (zumindest in gewissem Rahmen) Abkopplung der Einnahmen des Netzbetreibers von dessen Kosten wird effizientes Wirtschaften für den Netzbetreiber attraktiv. In der Anreizregulierung wirken sich Kosteneinsparungen nicht direkt auf die Einnahmen aus, wie dies bei kostenbasierter Regulierung der Fall ist. Wenn der Netzbetreiber seine Kosten senkt, kann er im Laufe einer Regulierungsperiode seinen Gewinn maximieren oder zumindest Verluste minimieren. Auf diese Weise werden Kosteneinsparpotenziale vom Netzbetreiber selbst - und nicht durch die Regulierungsbehörde - gesucht. Dabei behält das Unternehmen in gewissen Grenzen auch Flexibilität bei der Betriebsführung, indem es seine Kosten frei gestaltet, während die Einnahmen durch die vorgegebenen Erlöse bestimmt werden. Selbstverständlich ist dieser Spielraum nicht groß, weil die Effizienzvorgaben stets an der Grenze des Machbaren liegen. Dennoch verbleibt mit der Anreizregulierung ein Anreiz zum effizienten Wirtschaften, weil dadurch Gewinne maximiert oder zumindest Verluste minimiert werden.

3. Rechtsquelle: insb. Anreizregulierungsverordnung
Die ARegV wurde zum 1. 1. 2009 eingeführt und bildet die Vorgaben für die anreizregulierten Netznutzungsentgelte.
Der § 21a EnWG setzt den Rahmen für die Anreizregulierung und legt auch die Regulierungsperiode fest. Diese darf 2 Jahre nicht unter- und 5 Jahre nicht überschreiten (§ 21a III EnWG), wobei § 3 II ARegV eine Periode von 5 Jahren festgeschrieben hat. Anhand des Effizienzvergleichs werden Erlösobergrenzen festgelegt (§ 21a II EnWG i. V. m. § 4 I ARegV) und innerhalb dieser Grenzen können die Netzbetreiber ihre Netznutzungsentgelte festlegen.


B. Erlösobergrenze
Gem. § 21a Abs. 2 EnWG konnte sich die Bundesregierung für eine Anreizregulierung entweder bezogen auf Preisobergrenzen (price cap) oder auch für eine Vorgabe der Gesamterlöse (revenue cap) entscheiden. Die Regulierung gem. ARegV erfolgt nach der letztgenannten Methode, also bezogen auf die sog. Erlösobergrenzen. Es werden demnach nicht die Netzentgelte selbst vorgegeben, sondern eine Obergrenze für die mit Netzentgelten zu erzielenden Einnahmen des Netzbetreibers. Insgesamt wird die Erlösobergrenze für einen Netzbetreiber in der Weise festgestellt, dass:
  • zuerst die aktuelle Kostensituation im Unternehmen nach Maßgabe der StromNEV/GasNEV ermittelt wird;
  • auf diese Kostenbasis einige Regulierungsfaktoren nach Maßgabe der §§ 8 ff ARegV angewendet werden, was sich aus der Regulierungsformel gem. § 7 ARegV i. V. m. Anlage 1 ARegV ergibt; besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang der dabei durchzuführende Effizienzvergleich;
  • schließlich das Saldo des Regulierungskontos i. S. d. § 5 ARegV zur Erlösobergrenze addiert wird (oder es wird abgezogen, wenn das Regulierungskonto negativ war).

Zu wichtigeren Punkten des Prüfungsaufbaus wurden nachstehend weitergehende Informationen zusammengefasst.

1. Ermittlung der Kostenbasis
Um die Kostensituation des Netzbetreibers mit dem erwünschten Niveau (auch Benchmark genannt) vergleichen zu können, müssen zunächst seine tatsächlichen Kosten ermittelt werden. Gem. § 6 I ARegV erfolgt dies gemäß den Vorschriften der StromNEV und GasNEV. Dabei werden die Kosten des Netzbetreibers im vorletzten Jahr vor Beginn der Regulierungsperiode ermittelt - Kostenbasis ist das zu diesem Zeitpunkt letzte, abgeschlossene Geschäftsjahr. Dieses Jahr wird auch Basisjahr genannt. Die maßgeblichen Zeiträume für die Anreizregulierung fasst auch folgende Grafik zusammen:
 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/EnergieRAnreizregulierung/Folie_052_Zeitachse_Anreizregulierung.png)

Die §§ 4 StromNEV bis § 10 StromNEV bestimmen, welche Kosten grundsätzlich zur Ermittlung der Netznutzungsentgelte herangezogen werden dürfen. Die in der Verordnung genannten Kostengruppen werden eingeteilt in:
    • aufwandsgleiche Kostenpositionen § 5 StromNEV (d. h. bilanzielle, insb. Personal-, Material-, Betriebs- und Fremdkapitalkosten),
    • Kalkulatorische Kostenpositionen, wie Abschreibungen § 6 StromNEV, Verzinsung des eingesetzten (Eigen-)Kapitals § 7 StromNEV, kalkulatorische Steuern § 8 StromNEV,
    • Netzverluste § 10 StromNEV.
Gem. § 9 StromNEV sind ferner erzielte Erlöse kostenmindernd zu berücksichtigen. Alle der o. g. Kosten werden aus der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres ermittelt. Allerdings werden nicht alle in der GuV enthaltenen Kosten berücksichtigt, sondern nur solche, die den Regeln der Netzentgeltverordnung entsprechen. In den §§ 4 StromNEV ff. finden sich dabei zahlreiche Einschränkungen und Vorgaben in Bezug auf die Ermittlung der Kosten des Netzbetriebes.
Beispiel
Pacht-/Mietkosten für betriebsnotwendige Anlagegüter dürfen nur in einem Umfang berücksichtigt werden, in welchem sie einem Eigentümer ebenfalls entstünden (§ 4 Abs. 5 StromNEV). Dies soll verhindern, dass durch Pacht- oder Mietverträge der Eigentümer Zusatzeinnahmen generiert, während die Kosten des Netzbetriebes künstlich in die Höhe getrieben werden.
Allgemein gilt gem. § 4 StromNEV, dass die tatsächlichen Kosten des Netzbetriebes genau von eventuellen anderen Tätigkeitsbereichen des Unternehmens zu trennen sind.
Zu beachten ist ferner, dass die Gemeinkosten des Unternehmens bei Bedarf dem Netzbereich in angemessenem Umfang zugeschlüsselt werden müssen, § 4 Abs. 4 StromNEV. Die Verteilung dieser Gemeinkosten auf Netz und die übrigen Unternehmensbereiche muss sachgerecht und stetig erfolgen [Mehr dazu Theobald/Zenke/Lange, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 17, Rn. 69].

Die Widersprüche in der Gesetzessystematik, die durch die nachträglich eingeführten Vorschriften zur Anreizregulierung entstanden sind (vgl. §§ 21 und 23a auf der einen und § 21a EnWG auf der anderen Seite) werfen die Frage auf, inwiefern im Rahmen der Anreizregulierung bereits bei der Kostenermittlung Effizienzmaßstäbe i. s. d. §§ 21 Abs. 2 und 23a EnWG anzuwenden sind. Da dies aber zu doppelten Effizienzabschlägen führen kann [Ruge, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 18, Rn. 27], ist dies wohl abzulehnen. Das System der §§ 21 und 23a EnWG ist mit dem § 21a EnWG und damit mit der Anreizregulierung nicht zu vereinbaren, so dass hier nur diejenigen Regelungen anzuwenden sind, die nicht im Widerspruch zu § 21a EnWG stehen.

2. Zentraler Regulierungsfaktor: Effizienzvorgabe
Die Notwendigkeit, Netzentgelte an effizienter Betriebsführung auszurichten, ist in § 21 Abs. 2 EnWG gesetzlich vorgesehen. Die Anreizregulierungsverordnung stellt diesbezüglich im Hinblick auf die Erlösobergrenze noch genauere Vorgaben in Form des Effizienzvergleichs gem. §§ 11 ff. ARegV auf. Demnach sind insbesondere die § 12 ARegV, § 16 ARegV, § 17 ARegV und § 18 ARegV zu beachten. § 12 ARegV regelt den im EnWG vorgeschriebenen, sog. Effizienzvergleich, der vor der eigentlichen Regulierungsperiode stattfindet und für die gesamten 5 Jahre (§ 3 II ARegV) gilt. Das Ergebnis des Effizienzvergleichs - die konkrete Effizienzvorgabe für den jeweiligen Netzbetreiber - ist zentraler Bestandteil der Anreizregulierung.

Die Effizienzvorgabe ist eine Vorgabe zum Abbau der aus dem Effizienzwert erkennbaren Ineffizienzen (d. h. aus Sicht der Regulierung überflüssigen Kosten). Diese Vorgabe ist bei der Berechnung der Netzentgelte während der Regulierungsperiode zu berücksichtigen, indem sie die Einnahmen des Unternehmens mindert. Mit anderen Worten: das Unternehmen muss Jahr für Jahr die Netzentgelte senken, damit am Ende der Regulierungsperiode die überflüssigen Kosten in den Netzentgelten nicht mehr enthalten sind.
Weitere Details zum Effizienzvergleich, Effizienzwert und zur Effizienzvorgabe finden Sie im Artikel über den Effizienzvergleich. Dort werden auch die Begriffe der nicht beeinflussbaren, vorübergehend nicht beeinflussbaren und beeinflussbaren Kosten erläutert.

3. Sonstige Regulierungsfaktoren
Neben dem zentralen Regulierungsfaktor - der Effizienzvorgabe - enthält die ARegV einige weitere Faktoren, die Einfluss auf die Erlösobergrenze haben. Sie sind alle bei der Festlegung der Erlösobergrenze für den jeweiligen Netzbetreiber zu berücksichtigen, andernfalls ist die Erlösobergrenze nicht rechtmäßig ermittelt worden. Alle Regulierungsfaktoren sind bereits in der Regulierungsformel gem. § 7 ARegV (im Detail vgl. Anlage 1 zu ARegV) enthalten.

a. Allgemeine Geldwertentwicklung
In der Regulierungsformel in der Anlage 1 zu ARegV ist vorgesehen, dass bei der Berechnung der Erlösobergrenze die allgemeine Geldwertentwicklung (i. d. R. Inflation) zu berücksichtigen ist. Damit ist das Ergebnis jeweils mit dem Inflationsindex zu multiplizieren. Gemäß § 8 ARegV ergibt sich der Wert für diesen Regulierungsfaktor aus dem Verhältnis zwischen dem vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Verbraucherpreisgesamtindex des vorletzten Jahres vor Geltungsjahr der Erlösobergrenze und dem Index für das Basisjahr. Sofern also alle übrigen Regulierungsfaktoren unverändert blieben, wäre die Erlösobergrenze um den Wert der Inflation gem. § 8 ARegV steigen, wobei dieser Wert um den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor zu vermindern ist (siehe unten sowie § 9 ARegV).

b. Sektoraler Produktivitätsfaktor
Neben der Beseitigung von Ineffizienzen muss die Erlösobergrenze auch die Vorgabe der Effizienzsteigerung in der Branche insgesamt berücksichtigen. Über den sog. generellen Produktivitätsfaktor müssen Netzbetreiber - unabhängig davon, wie sich die Kosten im Übrigen entwickeln - gewisse Einsparungen Jahr für Jahr erreichen. Dies ist ausdrücklich in der Regulierungsformel vorgesehen (Wert PFt). § 9 Abs. 2 ARegV sieht für die ersten beiden Regulierungsperioden entsprechend Werte von 1,25 % und 1,5 % vor. Für die späteren Regulierungsperioden soll dieser Faktor durch die Regulierungsbehörde festgelegt werden (§ 9 Abs. 3 ARegV).

c. Erweiterungsfaktor
Die Erlösobergrenze muss auch eventuelle Veränderungen im Umfang der Versorgungsaufgabe des Netzbetreibers berücksichtigen. Mit dem sog. Erweiterungsfaktor gem. § 10 ARegV werden sowohl der Ausbau wie auch der Rückbau des Netzes sowie der gesamten Infrastruktur (Versorgungsleistung, Anzahl der Anschlüsse etc.) berücksichtigt.

d. Qualitätselement
Auch die Qualität der Versorgung ist bei der Berechnung der Erlösobergrenze zu berücksichtigen. Dies geschieht in Form des sog. Qualitätselements gem. § 18 ff ARegV. Details zur Bestimmung und Berücksichtigung des Qualitätselements in der Regulierungsformel regelt § 20 ARegV. Das Ziel dieses Regulierungsfaktors ist gem. § 18 ARegV die Sicherung eines langfristig angelegten, leistungsfähigen und zuverlässigen Netzbetriebs.

4. Regulierungskonto
Da die Kalkulation der Netzentgelte jeweils auf Planzahlen beruht, ist am Ende jeder Periode eine Abweichung zwischen "Ist" und "Plan" möglich. Deshalb werden für Netzbetreiber sog. Regulierungskonten geführt gem. § 5 ARegV. Das Saldo dieses Kontos ist bei der Ermittlung der Erlösobergrenze zu berücksichtigen.
Die früher geltende Regelung über die periodenübergreifende Saldierung aus § 11 StromNEV (oder aus § 10 GasNEV) gilt gem. § 32 Abs. 4 StromNEV bzw. GasNEV nicht mehr bei Anreizregulierung. Die Funktionsweise des Regulierungskontos wurde im Lexikon erklärt.


C. Netzentgelte auf der Grundlage der Erlösobergrenze
Die eigentlichen Netznutzungsentgelte werden entsprechend § 17 ARegV bestimmt, der die Verteilung des Gesamterlöses (entsprechend der ermittelten Erlösobergrenze) in Netzentgelte regelt. Dabei verweist die Vorschrift auf Regelungen über Berechnung der Netzentgelte in der StromNEV/GasNEV (vgl. §§ 12-21).

Sofern die Vorgabe der Erlösobergrenze eine Absenkung der Netzentgelte notwendig macht, dann ist der Netzbetreiber hierzu verpflichtet. Andernfalls (wenn eine Netzentgelterhöhung notwendig ist) ist er dazu lediglich berechtigt, § 17 Abs. 2 ARegV.

Demnach werden Netzentgelte in folgenden Schritten ermittelt:
  • die Regulierungsbehörde legt zunächst ex ante die Erlösobergrenze gem. § 21a Abs. 2 EnWG fest;
  • das Unternehmen verteilt diese Erlösobergrenze anschließend auf die geplanten Einnahmen entsprechend § 17 ARegV und demnach gem. den Regeln der StromNEV und GasNEV;
  • schließlich muss diese Berechnung entsprechend der Zuordnung zu einzelnen Regulierungsperioden (§ 3 ARegV) erfolgen.


D. Fallbeispiel
Vgl. auch folgendes Fallbeispiel zum Thema Netzentgelte und Anreizregulierung.


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