Möglichkeiten und Grenzen der Vertragsfreiheit bei der Verwendung von AGB gegenüber Unternehmern (B2B-Verträge)
Vortrag von Marcin Krzymuski
Zunächst ein kurzer Überblick über die Fragen, die uns in der Veranstaltung beschäftigen werden.
I. Theorie
Die didaktische Ausrichtung des Vortrags erfordert zunächst die Schaffung von theoretischen Grundlagen für anschließende Analyse der Rechtspraxis. Die Theorie erfasst in diesem Fall die Erläuterung der Definitionen, der Rechtsgrundlagen und der Erscheinungsformen sowohl der Vertragsfreiheit und der allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Dieses Vorgehen halte ich, als Dozent einer deutschen Hochschule mit jahrelangen Erfahrung in der Lehre für nützlich. Auf die theoretischen Fragen werde ich aber nur allgemein vor allem wegen der Zeitbeschränkung eingehen. Ich halte auch nicht für notwendig, einzelne Meinungsstreitigkeiten aus dem juristischen Bereich darzustellen, da sie für das alltägliche Wirtschaftsleben nicht immer von Bedeutung sind.
II. Rechtspraxis
Die Fragen aus der Rechtspraxis werden anhand von Fällen behandelt, mit denen ich teilweise in meiner Praxis als grenzüberschreitend tätiger polnischer Anwalt bzw. konfrontiert worden bin. Einige Beispielssachverhalte stammen dagegen aus der Rechtsprechung deutscher höchstrichterlicher Gerichte.
In diesem Teil versuche ich auch Ihnen die Lösungsmethoden für meiste Probleme anhand Strukturen dazustellen.
B. Die Vertragsfreiheit
I. Der Begriff der Vertragsfreiheit
Die Vertragsfreiheit wird im deutschen Recht als zivilrechtliche Erscheinung des in Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verankerten Grundsatzes allgemeinen Handlungsfreiheit verstanden. Dieses Prinzip, zu dessen Inhalt freie Willensbildung, freie Willensäußerung und freier Handlung nach seinem Willen schlägt sich im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse im Zivilrecht in die Freiheit des Einzelnen, seine Lebensverhältnisse durch Vertrag im Rahmen der Rechtsordnung eigenverantwortlich zu gestalten.1
II. Die Ausformungen der Vertragsfreiheit und ihre Grenzen
Die Vertragsfreiheit ist kein einheitliches Gebilde sondern ein Bündel von einzelnen Freiheiten. Zu diesem Bündel gehören nach der herrschenden Ansicht:
1) die Abschlussfreiheit (ob ein Vertrag geschlossen werden soll),
2) Gestaltungsfreiheit (welchen Inhalt soll der Vertrag haben),
3) Formfreiheit (in welcher Form soll der Vertrag geschlossen werden),
4) Partnerwahlfreiheit (mit wem soll der Vertrag geschlossen werden) und
5) Aufhebungsfreiheit (für wie lange soll der Vertrag geschlossen werden).2
Diese Freiheiten erfahren aber auch ihre Grenzen. So wird im Prinzip jeder Freiheit ein Gegenstück entgegengestellt. Der Abschlussfreiheit steht zum Beispiel ein Kontrahierungszwang entgegen. Ein solcher wird z.B. in § 10 AEG3, § 5 Abs. 2 S. 1 PflVG4 und § 193 Abs. 5 VVG5 und § 36 EnWG6 und anderen zahlreichen Vorschriften. Die Formfreiheit wird durch zwingende Formvorschriften (z.B. obligatorische Form der notariellen Beurkundung für Verträge über Grundstücke) eingeschränkt.
III. Die Rechtsgrundlagen für die Vertragsfreiheit
Die ausdrücklichen gesetzlichen Grundlagen für diese Freiheit bestehen im deutschen Zivilrecht nicht. Vergleichshalber kann man einen kurzen Blick auf andere Rechtsordnungen werfen. So sieht z.B. das polnische Zivilgesetzbuch in Art. 3531 eine Kompetenznormen vor. Danach können die Vertragsparteien ihr Rechtsverhältnis nach freiem Willen gestalten, soweit dessen Inhalt und Ziel der Besonderheit (der Natur) des Rechtsverhältnisses, dem Gesetz und den Grundsätzen des gesellschaftlichen Zusammenlebens nicht widerspricht.
IV. Die Bedeutung der Vertragsfreiheit in unternehmerischer Tätigkeit
Die Rolle der Vertragsfreiheit ist im unternehmerischen Leben nicht zu unterschätzen. Sie ist – als Erscheinung der allgemeinen Handlungsfreiheit – das tragende Prinzip der freien Marktwirtschaft, in der die Teilnehmer des Wirtschaftsverkehrs miteinander frei kontrahieren dürfen. Stellen Sie sich vor, dass die Vertragsfreiheit aus dem Recht verschwindet und sie dürfen bestimmte Verträge mit nur genau vornherein bestimmten Partnern abschließen.
Im Wirtschaftsverkehr spielt die Vertragsfreiheit besondere Rolle insbesondere als Mittel der Gestaltung der Rechtsverhältnisse. Durch die Möglichkeit, die Verträge frei abzuschließen, können die Außen- und Innenbeziehungen des Unternehmens entsprechend den Bedürfnissen gestaltet werden. Die vertragliche Bindung (pacta sunt servanda) schafft Rechtssicherheit, da der Vertragsbruch mit unterschiedlichen, für den untreuen Partner nicht einmal empfindlichen, Rechtsfolgen verbunden ist.
Darüber hinaus ist der Vertrag ein wichtiges Planungsmittel. Dies bedeutet, dass der Vertrag die Einschätzung der Kosten der Transaktionen und damit die Ausgaben im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmens ermöglicht. Ohne weiteres ist der Vertrag als Kalkulationgrundlage anzusehen. Im Vertrag können Preise oder Vergütung für Güter und Dienstleistungen verbindlich bestimmt werden. Demzufolge kann das Unternehmen mit bestimmten Summen von Einnahmen rechnen und sein Verhalten auf dem Markt und an den Markt anpassen. Der privatrechtliche Vertrag dient des weiteren der Güterallokation. Dadurch wird die Effizienz der Verwaltung der eine Gesellschaft die ihr zur Verfügung stehenden knappen Ressourcen nutzt.
C. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen
I. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Gestaltungsfreiheit
Die Gestaltungsfreiheit erlaubt den Parteien, den Inhalt des Vertrages grundsätzlich frei zu bestimmen. Dies kann zweierlei erfolgen: durch Einzelabsprachen i.S. von § 305 Abs. 1 S. 3 BGB oder durch AGB. Im ersten Fall werden die Grenzen für den Vertragsinhalt durch allgemeine Regeln der Artt. 134, 138 und 242 BGB bestimmt. Dagegen ist bei der Verwendung der AGBs die detaillierte Prüfung der verwendeten Klauseln notwendig. Dies folgt schon daraus, dass der, wer die AGBs stellt, die Vertragsgestaltungsfreiheit für sich allein in Anspruch nimmt.7
Zu erklären ist daher, wann die AGBs vorliegen und welchen Grenzen sie unterliegen.
II. Der Begriff der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Der Gesetzgeber hat uns leichter gemacht und im Art. 305 Abs. 1 BGB eine Legaldefinition der AGB vorgesehen. Danach sind die AGBs alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.
Aus dieser Definition folgt, dass Vertragsbedingungen dann als AGB angesehen werden, wenn sie folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllen:
1) vertragliche Bestimmungen darstellen,
2) für eine Vielzahl von Verträgen
3) vorformuliert und
4) nicht im Einzelnen ausgehandelt sind (Taris).
Daraus folgt, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf den Inhalt des Vertrages Einfluss nehmen.
Die AGB können von Unternehmern gegenüber Verbraucher (s. § 14 Abs. 1 BGB), von Verbrauchern gegenüber anderen Verbrauchern und – was für diesen Vortrag relevant ist – im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern.
III. Bedeutung der AGB im Wirtschaftsverkehr
Für den Wirtschaftsverkehr haben die AGBs schon deswegen eine große Bedeutung, da sie der Vereinfachung und Beschleunigung des Geschäftsablaufs dienen. Werden die standardisierten Verträge verwendet, braucht man weniger Zeit für das Aushandeln des Geschäftsbedingungen.
Beherrschung typischer Risiken
Spezialisierung
Vorhersehbarkeit
Kosten- und Risikokalkulation durch Haftungsbegrenzungsklauseln, Haftungsfreizeichnungsklauseln und Vertragsstrafebedingungen.8
Für Betroffene spielen die AGBs auch deswegen eine Rolle, da sie über die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs entscheiden. Nur wenn eine wirksame AGB-Klausel gegeben ist, kann der Verwender von den Haftungsbegrenzungsklauseln, Haftungsfreizeichnungsklauseln und Vertragsstrafebedingungen profitieren.
D. Vertragsfreiheit und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des b2b-Verkehrs
I. Unterscheidung AGB von Individualabreden (1. Weiche)
Die Individualabreden haben Vorrang vor den AGBs - § 305b BGB. Die Vorschrift gilt im unternehmerischen Wirtschaftsverkehr.9 Bei gegenseitig widersprechendem Inhalt haben daher die individuellen Vereinbarungen Vorrang vor den vorformulierten Klauseln, soweit sie wirksam sind.
Beispiel: Nach dem formularmäßigen Kaufvertrag erfolgte der Verkauf eines gebrauchten Pkw, „wie besichtigt, unter Ausschluß jeder Gewährleistung”. Das Vertragsformular enthielt auf der Vorderseite u.a. die handschriftlichen Vermerke: „TÜV abgenommen” und „rechte Seite und linke Tür Lackschäden beseitigen, Rückscheibeneinfassung reparieren”. Dann kann Verkäufer sich gegenüber dem Käufer insoweit nicht auf eine AGB-Klausel berufen, die jede Mängelhaftung ausschließt.10
II. Partner des Vertrages: b2b-, b2c- oder c2c-Verträge (2. Weiche)
Das BGB unterscheidet ausdrücklich zwischen den Verträgen mit Verbrauchern und unter den Unternehmern (§ 310 Abs. 1 S. 1 BGB). Nach dem in dieser Vorschrift genannten Grundsatz unterliegen zwar die AGB des kaufmännischen Geschäftsverkehrs einer inhaltlichen Kontrolle. Für meinen Vortrag sind nur die Absprachen zwischen den Unternehmern von Bedeutung, Der Begriff des Unternehmers wurde § 14 BGB erläutert: Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (§ 14 Abs. 1 BGB). Auch ein Scheinunternehmer wird nach den Regeln für Profis behandelt.11
III. Abweichen vom dispositiven Recht
Die AGBs werden der Kontrolle unterworfen, soweit sie von den gesetzlichen Vorschriften abweichen (§ 307 Abs. 3 BGB). Dieses Abweichen ist aber gerade der Kern der Vertragsfreiheit. Außer dem AGB-Bereich werden allgemeine Vorschriften zur Prüfung herangezogen (§ 134 BGB, § 242 BGB usw.). Nach § 309 werden strengere Maßstäbe gesetzt.
IV. Einschränkungen der Vertragsfreiheit bei Verwendung von AGB
Die Einschränkung der Vertragsinhaltsfreiheit bei der Verwendung von AGBs unter den Unternehmern folgt bereits daraus, dass eine Einbeziehungskontrolle und eine Inhaltskontrolle durchgeführt wird.
1. Zulässigkeit der inhaltlichen Prüfung der AGB im b2b-Verträgen
Die Möglichkeit der Kontrolle des Inhalts der vorformulierten Vertragsbedingungen nach den besonderen Grundsätzen (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB) im professionellen Wirtschaftsverkehr ist dem deutschen Recht bekannt. Im polnischen Recht unterliegen sie der Prüfung nur nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen (Gesetzesverstoß, sozial-gesellschaftliche Grundsätze des Zusammenlebens).
§§ 307 ff. kommen bei den Unternehmern schon deswegen in Anwendung, da die Einbeziehung nicht so strikten Voraussetzungen als dies bei den Verbraucherverträgen der Fall ist, unterliegt (Taris).
Die inhaltliche Prüfung entfällt nach § 310 Abs. 4 BGB nur im Erb-, Familien- und Gesellschaftsrecht sowie bei Tarifverträgen, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Auch bei Arbeitsverträgen sind besondere Regeln des Arbeitsrechts zu beachten.
Allgemein wird durch diese Unterstellung der AGB aus den b2b-Verträgen der Inhaltskontrolle die Kontrollschwelle herabgesetzt. Dieses bedeutet an sich eine Einschränkung der Vertragsfreiheit.12
Die Unterwerfung der AGB der Inhaltskontrolle bewirkt, dass die Konkurrenzfähigkeit des deutschen Vertragsrechts in Frage gestellt wird.13 Anzuwenden ist das Recht des Sitzes der Partei, die eine charakteristische Leistung erbringt (s. Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO). Dies führt dazu, dass deutsche Dienstleistungsanbieter und Verkäufer durch eigene Rechtsordnung des Rechtsschutzes in grenzüberschreitenden Transaktionen beraubt werden. Auch die Vereinbarung des deutsches Rechts als in der Sachen anwendbaren Rechts führt dazu, dass die AGBs in der Regel unwirksam werden. Es wird sogar gewarnt, in grenzüberschreitenden Transaktionen deutsches Recht zu wählen.
2. Wirksamkeit der AGB-Klauseln
Die inhaltlichen Grenzen werden durch §§ 307 – 309 bestimmt. Diese sind aber im kaufmännischen Geschäftsverkehr nicht einfach anwendbar.
Im Vergleich zu b2c-Verträgen soll die Prüfung der Klausel aus dem kaufmännischen Wirtschaftsverkehr nur am Maßstab der Generalklausel des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB erfolgen.
Die Klauselverbote mit (§ 308 BGB) und ohne (§ 309 BGB) Wertungsmöglichkeit sollen nach § 310 Abs. 1 S. 1 BGB im professionellen Wirtschaftsverkehr nicht angewendet werden.
Soviel der Wortlaut der Vorschriften. Die Praxis vermag sich aber anders vorzustellen.
Das aus § 310 Abs. 1 S. 1 BGB folgende Differenzierungsgebot zwischen den b2c- und b2b-Verkehr wird durch die Zulassung der inhaltlichen Prüfung der kaufmännischen AGB und zum anderen durch weite Auslegung der Generalklausel des Art. 307 Abs. 1 BGB missachtet.
a. Verstoße gegen §§ 308 und 309 BGB
Hier wirkt insbesondere effektiv die Rechtsprechung mit, die die Grundsätze des Verbraucherschutzes immer häufiger auf den professionellen Geschäftsverkehr überträgt. Es werden die Prüfmaßstäbe des b2c-Verkehrs auf den b2b-Verkehr übertragen. Dies zeichnet sich dadurch, dass – obwohl nach § 310 Abs. 1 S. 1 die Vorschriften der §§ 308 und 309 BGB auf den b2b-Verkehr nicht anwendbar sind, den beiden Regelungen eine Indizwirkung beigemessen wird.14 Beispiel: § 309 Nr. 8b lit. ee) BGB ist die Klausel unwirksam, in der der Verwender dem anderen Vertragsteil für die Anzeige nicht offensichtlicher Mängel eine Ausschlussfrist setzt, die kürzer ist als die nach dem Doppelbuchstaben ff zulässige Frist.15 Nach § 377 Abs. 1 HGB ist ein Mangel unverzüglich anzuzeigen.
b. Verletzung des Generalklausel des § 307 BGB
E. Lösungsmethoden
Fraglich ist daher, was noch von der Vertragsfreiheit übrig ist, wenn die Standards des Verbraucherschutzes Die AGBs im kaufmännischen Geschäftsverkehr können weiter von abdingbaren Gesetzesbestimmungen abweichen, als die im Verbraucherverkehr. Dies gilt insbesondere für Bestimmungen über die Haftungsbegrenzung, Haftungsfreizeichnung oder Vertragsstrafe.
I. Aushandeln der Klauseln
Das Problem stellt sich nur dann, wenn sie Vertragsbestandteil geworden sind. Das ist dann der Fall, wenn
Die AGB-Kontrolle wird daher ausgeschlossen, wenn es sich um Individualabreden handelt, die im Einzelnen ausgehandelt werden.
II. Gewohnheiten und Gebräuche im Handelsverkehr, § 310 Abs. 1 S. 2 BGB
F. Zusammenfassung
Die AGBs sind die Konsequenz der Vertragsfreiheit. Sie darf aber nicht missachtet werden.
ein modus vivendi in der bestehenden Rechtslage ist zu erarbeiten.
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