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Urheberrecht

6.5 - Schranken für die Informationsgesellschaft



Die Informationsgesellschaft lebt von der Schaffung und dem Austausch von Informationen. Bei den Informationen ist zu unterscheiden, ob diese rechtlich geschützt sind oder nicht. Das wichtigste Schutzrecht für Informationen ist das Urheberrecht. Damit erlangt das Urheberrecht eine erhebliche Bedeutung für die Gestaltung der Informationsgesellschaft und ist tatsächlich in den letzten Jahren zu einem gesamtgesellschaftlichen Zankapfel geworden. Das Urheberrecht in der Informationsgesellschaft wird geprägt durch europäische Vorgaben und nationale Umsetzungen.

Informationsgesellschafts-RL
Die Richtlinie 2001/29/EG vom 22.5.2001 ist der Ausgangpunkt einer europäischen Rechtsvereinheitlichung des Urheberrechts für die durch das Internet und andere moderne Medien geprägte Informationsgesellschaft, harmonisiert aber darüber hinaus weite Teile des Urheberrechts (daher teilweise auch Harmonisierungs-RL genannt). Insbesondere durch die Erwägungsgründe 9 und 11 der Richtlinie formuliert die EU ein urheberrechtliches Leitbild für die EU.

Der wesentliche Regelungsbereich der Richtlinie zu den wirtschaftlichen Rechten des Urhebers einerseits und den gesetzlichen Beschränkungen dieser Rechte stellt sich als ein Regel-Ausnahme-Komplex dar.

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/UrhRSchrankenInfogesellschaft/UrhRRegelausnahmekomplex.jpg)


Regelungskomplexe
Dementsprechend lassen sich die Regelungskomplexe der Richtlinie voneinander trennen. Zunächst werden die Verwertungsrechte des Urhebers vereinheitlicht, in ihrem Umfang ausformuliert und gestärkt. Dies gilt insbesondere für die in der traditionellen Medienwirtschaft bedeutsamsten Verwertungsrechte für Vervielfältigung und Verbreitung (mit Erschöpfungsgrundsatz). Sodann werden in Art. 3 RL neue zusätzliche Verwertungsrechte eingeführt, so das (im Vergleich zur Satellitenfernsehen-RL) umfassende Recht zur öffentlichen Widergabe und – beruhend auf den internationalen WCT und WTTP-Verträgen – das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung (häufig auch Internet-Recht genannt).


Schrankenregelungen
Der zweite Block der Regelungen befasst sich mit den gesetzlichen Eingriffen in die wirtschaftlichen Rechte, also den
Schrankenregelungen. Hier unterscheidet die Richtlinie zwischen den zwingenden Schranken, den optionalen Schranken und den Schranken in das Vervielfältigungsrecht. Bei den zwingenden Schranken findet sich lediglich das Recht auf vorübergehende Vervielfältigungsstücke, wie sie bei jedem Aufruf von Internet-Seiten im Arbeitsspeicher angefertigt werden. Diese Schranke war erforderlich, um angesichts der weiten Definition des Vervielfältigungsbegriffs (Art. 2 Abs. 1 RL) nicht die Internetnutzung insgesamt zu behindern. Bei den optionalen Schranken hat der Richtliniengeber den Weg des geringsten Widerstandes gewählt, in dem er alle Schrankenregelungen, die in einem EU-Mitgliedsstaat zugelassen ist als gemeinschaftsweit zulässig erklärt. Ein differenziertes Bild geben schließlich die Eingriffe in das Vervielfältigungsrecht ab, da hier versucht wurde ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den wirtschaftlichen Interessen von Urheber, Nutzer und Allgemeinheit herzustellen.

Siehe hierzu auch folgende Entscheidungen:
EuGH, U. v. 21.10.2010 - C-467/08 - Padawan
EuGH, U. v. 16.6.2011 - C-462/09 – Stichting/Opus


Richtlinie zu verwaisten Werken
Als Ergänzung zu der Informationsgesellschafts-RL kann die Schaffung der Richtlinie zu verwaisten Werken gesehen werden, die insbesondere auf die Bereitstellung von urheberrechtlich geschützten Inhalten, bei denen der Rechtsinhaber nicht mehr feststellbar ist, im Internet reagiert. Am 13.9.2012 hat das Europäische Parlament, am 5.10.2012 der EU-Rat diese Richtlinie beschlossen. Um das in den verwaisten Werken steckende Wissen nicht ungenutzt zu lassen, den nicht-kommerziellen Nutzer aber nicht der Gefahr einer Urheberrechtsverletzung auszusetzen, wird er bei Durchführung einer angemessenen und erfolglosen Suche nach dem Rechtsinhaber von einer Haftung freigestellt. Der endgültige Text der Richtlinie ist noch nicht veröffentlicht.


Anpassungen des deutschen UrhG
Am 13. 9. 2003 ist mit dem Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft eine Neuregelung geschaffen worden, welche die Medienwirtschaft, insbesondere die Musik- und Tonträgerindustrie, aber auch die privaten Nutzer entscheidend berührt. Dieses Gesetz dient der Umsetzung der Informationsgesellschafts-RL.
Deutschland hat nur wenige neue Schranken aus der Richtlinie eingeführt, so §§ 44a, 45a UrhG und ansonsten § 53 UrhG den Vorgaben für Schranken in das Vervielfältigungsrecht angepasst. Sie hat aber den weiten Rahmen der Schranken für Unterricht und Forschung für die Schrankenregelungen in §§ 52a, 52b, 53a UrhG genutzt. Die Schrankenregelungen für die Informationsgesellschaft im UrhG lassen sich in die drei Gruppen Internetnutzung und Digitalisierung, Wissenschaft und Bildung und Gleichstellung teilen.
 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/UrhRSchrankenInfogesellschaft/UrhRAnpassungen.jpg)

Nach dieser durch die Reform 2003 eingeführten Bestimmung ist es zulässig, veröffentlichte (kleine) Teile eines Werkes, Werke geringen Umfangs sowie einzelne Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften in Schulen, Hochschulen und im nicht-gewerblichen Bildungs- und Wirtschaftsbereich für einen bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen öffentlich zugänglich zu machen. Hierdurch ist es Lehrern oder Hochschullehrern z.B. möglich, ihren Schülern und Studenten in einem gewissen, allerdings quantitativ eingeschränkten Umfange Werke digital am PC anzubieten bzw. in ein schulisches oder universitäres Intranet einzustellen.

Siehe hierzu auch folgende Entscheidungen:
OLG Stuttgart, U. v. 4.4.2012 – 4 U 171/11
LG Frankfurt a.M., U. v. 16. 3. 2011 - 2/6 O 378/10

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/UrhRSchrankenInfogesellschaft/UrhRSchrankenWissenschaft.jpg)


Kartellrechtliche Schranken
Zudem kann die Dispositionsfähigkeit des Urhebers dadurch eingeschränkt werden, dass ihm gegenüber Dritten ein Lizenzierungszwang auferlegt wird. Eine Zwangslizenz erscheint immer dann angemessen, wenn es erforderlich erscheint, dass der Zugang der Allgemeinheit zu bestimmten Werken oder zu einem bestimmten Zweck sichergestellt werden soll, wenn jedoch nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich die Beteiligten über kurz oder lang auf angemessene Nutzungsbedingungen einigen werden. Eine Zwangslizenz kennt das UrhG allein in § 42 a UrhG zugunsten der Tonträgerhersteller.

Die Verhinderung des Zugangs zu wesentlichen Einrichtungen (essential facility-Doktrin) stellt eine Unterfallgruppe des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durch Geschäftsverweigerung (Art. 102 AEUV) dar. Im Mediensektor ist die essential facility-Doktrin trotz ihres Ausnahmecharakters von Bedeutung, da sich die Frage nach Zugangsrechten Dritter zu ausschließlich für den Rechtsinhaber geschützte Urheberrechte und Leistungsschutzrechte stellt. Die essential-facility-Doktrin führt in der praktischen Rechtsanwendung zur Schaffung von Wettbewerb mittels Änderung der Marktstruktur. Eine Reihe von Fällen des EuGH befassen sich mit diesem Themenkreis.
Auf Grundlage des Missbrauchsverbots aus Art. 102 AEUV verpflichteten EU-Kommission und EuGH in mehreren Entscheidungen Inhaber von wesentlichen Einrichtungen zur Gewährung von Zugang.

Siehe hierzu auch folgende Entscheidungen:
EuGH, U. v. 6.4.1995 - Verbundene Rs. C-241/91 P und C 242/91 P – Magill
EuGH, U. v. 29.4.2004 - C-418/01 – IMS Health

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/UrhRSchrankenInfogesellschaft/UrhRKartellschranken.jpg)
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