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Dies ist eine alte Version von UrhRFallloesungBronzeguss erstellt von Jorina Lossau am 2013-05-17 09:02:51.
Urheberrecht
Fall 20 - Bronzeguss
Bildhauer B erstellte im Jahre 1935 eine Totenmaske des Malers Max Liebermann aus Gips, von der er auf eigene Kosten einen einzigen Bronzeabguss anfertigen ließ. Die Gipsmaske und den Bronzeabguss verwahrte er in dem Keller seines damaligen Ateliers in Berlin-Grunewald. Dort kamen sie bei Kriegs-ende abhanden, als das Atelier gehplündert wurde. Im Jahre 1954 tauchte der Bronzeabguss wieder auf und wurde durch den Kunsthändler K erworben. Seit dieser Zeit wird der Abguss in der Privatgalerie des K aufbewahrt. Anlässlich einer von B geplanten Ausstellung Anfang der 80er-Jahre fragte sich B, ob er von K den Bronzeguss zur Anfertigung von Vervielfältigungsstücken in einer Berliner Gießerei herausver-langen kann. Was wird ihm sein Anwalt mitgeteilt haben? |
Lösung
In Betracht kommt ein Anspruch auf Zugänglichmachen des Bronzeabgusses gem. § 25 Abs. 1 UrhG.
A. Der Bronzeabguss müsste zunächst ein Werk i.S.d. UrhG sein. Bei der Totenmaske von Max Liebermann handelt es sich um ein Werk der bildenden Kunst i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG; sie ist ein Bildnis i.S.v. § 60 UrhG. Bei dem hiervon gemachten Abguss aus Bronze handelt es sich aber auch um eine persönliche geistige Schöpfung gem. § 2 Abs. 2 UrhG und damit um ein urheberrechtlich geschütztes Werk. B ist als dessen Schöpfer auch als der Urheber des Werkes gem. § 7 UrhG anzusehen. K ist zudem der richtige Anspruchsgegner, da er als Besitzer des Bronzeabgusses die tatsächliche Gewalt über das Original gem. § 854 Abs. 1 BGB innehat.
B. Gem. § 25 Abs. 1 UrhG muss der Zugang der Herstellung von Vervielfältigungen oder der Bearbeitung des Werkes dienen. Der bloße Wunsch des Künstlers, sein Werk wieder zu sehen, ist für ein Zugangsrecht nicht ausreichend.
Vorliegend möchte B tatsächlich von dem Bronzeabguss Vervielfältigungen erstellen. In diesem Fall müsste der Zugang zu dem Werk auch erforderlich sein. Bei dem Bronzeabguss handelt es um das einzig vorhandene Exemplar, deren Gips-Original nicht mehr vorhanden ist. Somit ist B auf den sich im Besitz des K befindlichen Bronzeabguss angewiesen, wenn er von dem ihm nach § 16 Abs. 1 UrhG gewährten Recht, sein Werk zu vervielfältigen, Gebrauch machen will.
C. Weiterhin dürften keine berechtigten Interessen des Besitzers entgegenstehen. Ob ein berechtigtes Interesse des Besitzers entgegensteht ist im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen den Interessen des Künstlers und denen des Besitzers zu ermitteln.
I. Zu beachten wäre in diesem Zusammenhang das Geheimhaltungsinteresse des Besitzers. Dies kommt dann in Betracht, wenn das Werk geeignet ist, den Besitzer in seiner Privatheit zu verletzen, wie es etwa bei Aktportraits der Fall sein kann. Ein solches Geheimhaltungsinteresse des B kommt hier jedoch nicht in Betracht, da das Kunstwerk keinerlei Bezug zu der Person des K aufweist.
II. Als entgegenstehendes Interesse käme weiterhin eine Beeinträchtigung des Integritätsinteresses des K in Betracht. Der Besitzer muss eine Reproduktion nicht dulden, wenn dabei das Werkexemplar beschädigt werden könnte. Die Möglichkeit einer Beschädigung des Abgusses beim Transport oder gar eines Verlusts ist in Anbetracht der Tatsache, dass heute weit wertvollere Kunstgegenstände in großer Zahl zu Ausstellungszwecken von Kontinent zu Kontinent verbracht zu werden pflegen, ohne dass es zu nennenswerten Zwischenfällen kommt, als recht gering einzuschätzen. Über die Gefahr, dass die Bronzemaske bei der Vervielfältigung Veränderungen erfahren könnte, gibt der Sachverhalt keine Auskunft.
III. Bei der Abwägung könnte außerdem zu beachten sein, dass sich der Gegenstand in der Privatgalerie des K, also in dessen Privaträumen befindet. B muss aber diese Räume nicht betreten, weil ihm die Maske aufgrund der Größe einfach übergeben werden kann.
IV. Ein berechtigtes Interesse, den Abguss an B nicht herauszugeben, könnte aber darin bestehen, dass jede Vervielfältigung des im Besitz des K befindlichen Bronzeabgusses dessen Wert mindere, weil es danach kein Unikat mehr ist. § 25 Abs. 1 UrhG, der den Urheber berechtigt, sein Werk unter Verwendung des im Besitze des Dritten befindlichen Originals oder Vervielfältigungsstückes weiter zu vervielfältigen, nimmt aber gerade notwendigerweise die damit verbundene Folge, dass das im Besitze des K befindliche Original bzw. einzige Vervielfältigungsstück nach einer weiteren Vervielfältigung nunmehr kein Unikat mehr ist, gerade in Kauf.
V. Da weitere Abwägungsaspekte nicht ersichtlich sind, müssen folglich die vorgebrachten Interessen des K gegenüber dem überragendem künstlerischen Interessen des B an der Herstellung der Güsse zurücktreten.
D. Somit sind alle Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 UrhG erfüllt. Seiner Rechtsfolge nach beläuft sich dieser Anspruch auf Zugänglichmachung des Werkes. K muss also dem B die tatsächliche Möglichkeit verschaffen, Vervielfältigungen herzustellen, also ihm dem Abguss übergeben, damit B ihn in die Gießerei bringen kann.
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