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Subsidiaritätsprinzip
Allgemeine Informationen
A. Allgemeines
Dieses Prinzip ist in Art. 5 Abs. 3 EUV geregelt. Darunter ist zu verstehen, dass die Union erst dann tätig werden darf, wenn sich die Ziele der jeweiligen Maßnahme auf der Ebene der Mitgliedsstaaten weder zentral noch lokal oder auf regionaler Ebene verwirklichen lassen. Der Grund hierfür liegt darin, dass diese Ziele wegen ihres Umfangs oder wegen ihrer Wirkung auf der Unionsebene besser zu erreichen sind. ( "Ob der Maßnahme"). Weiterhin ist der Sinn und Zweck dieses Prinzips darin zu sehen, dass ein europäischer Zentralismus verhindert werden soll und die Entscheidungsprozesse stärker regionalisiert werden sollen. Insbesondere ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass dieses kulturelle, traditionelle und historische nationale Unterschiede erhalten und Nationalitäten und Gewohnheiten schützen soll.
Die oben genannten Aspekte für die ausschließliche Zuständigkeit werden nochmals ausdrücklich in der Neufassung, im Vertrag von Lissabon, im Art. 5 Abs.3 EUV betont.
B. Anwendungsbereich
Anwendung findet dieses Prinzip vor allem in dem Bereich der geteilten Zuständigkeit. Nähere Hinweise zu den jeweiligen Bereichen der geteilten Zuständigkeit sind dem Art. 4 EUV zu enthalten. Demgegenüber ist das Prinzip nicht anzuwenden, wenn die Union für den vorliegenden Sachverhalt eine ausschließliche Zuständigkeit besitzt. Welche Bereiche dies sind, ist dem Art. 3 EUV zu entnehmen.
C. Wirkung und Rechtsfolge
1. Folgen von dem Prinzip
Im Folgenden soll näher auf die Folgen von diesem Prinzip eingegangen werden. Eine erste Folge besteht darin, dass dieses Prinzip nicht das Ziel verfolgt, der Union vorhandene Kompetenzen zu entziehen, indem es diese dem Mitgliedsstaat zuweist. Es versucht jedoch die Ausübung der vorhandenen Kompetenzen zwischen den Mitgliedsstaaten und der Union zu konditionieren. Zudem handelt es sich bei der Subsidiarität um ein dynamisches Konzept, sodass es von der jeweiligen Situation abhängig ist, ob die Tätigkeit der Union im Rahmen ihrer Befugnisse zu erweitern ist oder ob diese einzuschränken oder sogar einzustellen ist, wenn sie nicht mehr gerechtfertigt ist. Hier ist wiederum zu beachten, dass nicht die Ausweitung oder Beschränkung der vorhandenen Kompetenzen der Union gemeint ist, sondern die Ausweitung oder Beschränkung ihrer im Rahmen der vorhandenen Kompetenzen.
Weiterhin folgt aus dem Subsidiaritätsprinzip, dass die Union selbst bei einer geteilten Zuständigkeit erst bei Vorliegen der folgenden zwei Voraussetzungen tätig werden darf. Erstens muss eine fehlende Effizienz mitgliedsstaatlichen Handelns vorliegen und zweitens ist erforderlich, dass das europäische Handeln einen Mehrwert als Ergebnis aufweist. Was genau unter den genannten Voraussetzungen zu verstehen ist, kann der folgenden Grafik entnommen werden.
Für den Fall, dass die Unionsorgane tätig werden, können sich diese an konkretisierten Leitlinien orientieren. Diese sind Folgende:
- betreffende Bereiche weisen transnationale Aspekte auf, die durch die Mitgliedsstaaten nicht genügend geregelt werden können
- alleinige Maßnahme der Mitgliedsstaaten oder fehlende Maßnahme auf der Unionsebene, die gegen die Anforderungen der Verträge verstoßen würden oder das Interesse der Mitgliedsstaaten, in sonstiger Weise erheblich beeinträchtigen
- Maßsnahme auf der Unionsebene bringt Vorteile
Aufgrund der bereits getroffenen Aussagen, stellt sich im Folgenden die Frage, inwieweit Union nach dem Subsidiaritätsprinzip bei einer geteilten Zuständigkeit tätigt, werden darf? Im Rahmen dieser Frage ist zu berücksichtigen, dass sich beim Subsidiaritätsprinzip das "Ob" mit dem "Wie?" vermischt, weil es nicht nur bei der Zulässigkeit des Handelns ansetzt, sondern auch bei der Ausgestaltung der zu ergreifenden Unionsmaßnahme. Diese Erläuterungen lassen sich zudem aus Art. 5 Abs.3 Abs.1 EUV herleiten, welcher sich auf die Effektivität der Ziel- und Aufgabenverwirklichung bezieht. Demzufolge kommt es zu Überschneidungen mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit.
2. Wirkung
Anfangs entfaltet dieses Prinzip, nicht nur für das zukünftige Handeln der Union, sondern auch für die bereits bestehenden Rechtsvorschriften Wirkung. Daraus folgt, dass die Kommission nicht nur zu überprüfen hat, ob sie einen Gesetzesentwurf vorschlagen soll, sondern diese ist auch verpflichtet, im Rahmen eines sog. SLIM-Programms, die bereits bestehenden Unionsvorschriften dahin gehend zu überprüfen, ob diese aufrechterhalten werden können. Eine weitere Wirkung von diesem Prinzip besteht darin, dass der Europäische Gerichtshof bei der Auslegung der Ermächtigungsnorm, der Unionsnorm und der darauf gestützten Rechtsakte der Union beschränkt wird. Als wichtigste Art der Beschränkung gilt die teleologische Auslegung. Hinter dieser Auslegung versteckt sich die Idee, der Suche nach der nützlichen Wirkung, diese wird auch effet utile genannt. Unter dem effet-utile-Grundsatz versteht man, dass der EuGH der Auslegung den Vorrang einräumt, welche die Verwirklichung des Vertragszieles am meisten fördert. Allerdings steht diese Idee im Widerspruch mit der Kompetenzergänzungsbestimmung des Art. 352 AEUV, weil die Anwendung dieser Regelung zu einer endlosen Kompetenzausweitung seitens der Union führen würde. Dieser Widerspruch stellt aber nur eine Ausnahme dar.
Abschließend ist zu sagen, dass die Einhaltung von diesem Prinzip durch den EuGH überprüfbar ist. Es scheiterte bislang noch keine Rechtssache an dem Subsidiaritätsprinzip. Hinzu kommt, dass der Vertrag von Lissabon neben der Subsidiaritätsrüge in dem Gesetzgebungsverfahren für die nationalen Parlamente die Möglichkeit geschaffen hat, eine Subsidiaritätsklage, in Form einer Nichtigkeitsklage (Subsidiaritätsnichtigkeitsklage), zu erzwingen.
Diese Möglichkeit soll die gerichtliche Durchsetzung von diesem Prinzip stärken. Eine Einschränkung von der Möglichkeit kommt nur dann in Betracht, wenn der Ausschuss der Regionen diese nutzt. Denn dieser darf die Möglichkeit nur dann nutzen, wenn seine Anhörung vertraglich vorgeschrieben ist.
vgl. dazu: Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht S. 79 - 83
CategoryEuroparecht
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