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Internationales Privatrecht (IPR)

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Einführung


A. Fragestellung und Aufgabe des IPR

Ausgehend vom Prinzip der Gleichwertigkeit aller Rechtsordnungen fragt das IPR danach, welche Rechtsordnung auf einen Sachverhalt, der eine Verbindung zum Recht eines ausländischen Staates aufweist, anwendbar ist.

Nach Friedrich Karl von Savigny (1779-1861) ist das Ziel des IPR, "dass bei jedem Rechtverhältniß dasjenige Rechtsgebiet aufgesucht werde, welchem dieses Rechtsverhältniß seiner eigentümlichen Natur angehört oder unterworfen ist".

Aus der Vielzahl der geltenden Rechtsordnungen ist daher diejenige anzuwenden, zu der der Sachverhalt die engste Verbindung hat. Ausgehend vom Prinzip der engsten Verbindung geht der Blick vom Sachverhalt zu der anwendbaren Norm und nicht umgekehrt. Dabei ist von der grundsätzlichen Gleichwertigkeit von inländischem und ausländischem Recht auszugehen. Kerngedanke ist, dass das Inländische Recht in der Regel auf inländische Sachverhalte zugeschnitten ist und auf Fälle mit überwiegender Auslandsbeziehung besser ausländisches Recht angewandt wird.
Aufgabe des IPR ist es nicht, das materiell beste, sondern das räumlich beste Recht zu bestimmen. "Die internationalprivatrechtliche Gerechtigkeit geht vor der materiellprivatrechtlichen" (Kegel). Das IPR ist daher im Grundsatz ergebnisblind.


B. Interessen des IPR

Das IPR verfolgt verschiedene Interessen:

 (image: https://hssm.hqedv.de/uploads/IntPrivatrechtEinfuehrung/IPR.jpg)


  • Internationaler Entscheidungseinklang:
Gemeint ist der Idealzustand, in dem eine bestimmte Rechtsfrage in allen Rechtsordnungen nach den gleichen kollisionsrechtlichen Grundsätzen und damit im Ergebnis nach dem gleichen materiellen Recht entschieden wird. Die Gefahr des sog. forum shopping, also der Wahl zwischen verschiedenen konkurrierenden Zuständigkeiten, soll dadurch umgangen werden.

  • Interner Entscheidungseinklang:
Hiermit ist die gleiche Behandlung kollisionsrechtlicher Fragen innerhalb derselben Rechtsordnungen gemeint.

  • Interessen der beteiligten Parteien:
Die Parteien haben ein Interesse daran, nach dem Recht beurteilt zu werden, zu dem sie selbst die engste Verbindung aufweisen. So entscheidet beispielsweise das Recht der Staatsangehörigkeit (Heimatrecht) im Personen-, Familien- und Erbrecht; die Parteien haben z.B. im internationalen Schuldvertragsrecht die Möglichkeit einer Rechtswahl.

  • Verkehrsinteressen:
Gemeint ist die Sicherheit des Rechtsverkehrs beispielsweise Regelungen, welche die Form von Rechtsgeschäften vorschreiben wie Art. 11 Rom I-VO

  • Staatsinteressen:
Staatliche Interessen sind nur ausnahmsweise zu berücksichtigen. In Betracht kommen hier der ordre public, deutsche zwingende Normen wie Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO.

Die genannten Interessen lassen sich nicht alle vollständig verwirklichen, da sie sich häufig widersprechen (z.B. interner und internationaler Entscheidungseinklang).

C. Geschichtliche Entwicklung

Zu Stammeszeiten bestand die Rechtsgemeinschaft nur aus Mitgliedern des eigenen Stammes. Das Recht außerhalb war für den jeweiligen Stamm unerheblich. Eine Konkurrenz zwischen verschiedenen Privatrechtsordnungen konnte so noch nicht bestehen.
Ähnlich war es im antiken Rom. Hier wurde nur zwischen dem ius civile als bindendem Recht für die Rechtsbeziehungen römischer Bürger und dem ius gentium als dem übrigen Privatrecht unterschieden.
Erst als im 12. bis 14. Jahrhundert n. Chr. in den oberitalienischen Städten reger Handel begann, wurden die Differenzen der verschiedenen Rechte erheblich. Nach der Wiederentdeckung des oströmischen Codex iuris civilis entstanden Schulen für sog. Glossatoren und Kommentatoren. Entwickelt wurde in diesem Zuge die Statutentheorie. Die statuta personalia, d.h. die personenbezogenen Regeln, richteten sich nach dem Recht des Wohnsitzes der Person, die statuta realia, die sachbezogenen Regeln, nach der lex rei sitae, dem Belegenheitsort. Das Verfahrensrecht unterlag der lex fori, dem Ort des Gerichtsstands. Die statuta mixta bestimmen das Recht des Vornahmeorts bei Rechtshandlungen oder deliktischen Verhaltensweisen als anwendbar. Die Kollision verschiedener Rechte wurde damals also durch die Auslegung des materiellen Rechts im Einzelfall aufgelöst. Diese Vorgehensweise verfeinerten Dumoulin (1500-1560) und d' Argentre (1519-1590).

In den Niederlanden (Ulricus Huber) und anderen Gebieten, die kein römisches Recht als gemeinsame rechtliche Grundlage hatten, galt grds. das Territorialitätsprinzip. Ausländisches Recht, einschließlich des Völkerrechts, wurde in wechselseitigem Entgegenkommen in den einzelnen Ländern angewandt (naturrechtlicher comitas-Gedanke).

Zu einer Trennung des Kollisionsrechts vom materiell anzuwendenden Recht kam es erst zu Zeiten Carl v. Savignys (1779-1861). Man spricht von der kopernikanischen Wende des IPR. Auf ein Rechtsverhältnis sollte nunmehr das Recht der Rechtsordnung angewandt werden, mit der es am engsten verbunden war. Damit verbunden war die Gleichberechtigung aller in- und ausländischen Personen und Rechtsordnungen. Von Gierke ging hierbei nach dem Schwerpunkt des Rechtsverhöltnisses vor. Von Bahr sah, im Ergebnis ähnlich, die Natur der Sache als entscheidend an. Ausschlaggebend war nun:

  • Der Blick ging vom Sachverhalt zu der anwendbaren Norm und nicht umgekehrt von der Norm zum Sachverhalt
  • Lösung des Kollisionsrechts vom materiellen Recht, d.h. selbständige Wertung
  • Überstaatlichkeit des IPR; römisches Recht als gemeinsame Wurzel gleichberechtigter Rechtsordnungen
  • Entwicklung von allseitigen Kollisionsnormen

1804 nahm Napoleon Teile des so entstandenen Kollisionsrechts römischen Ursprungs in den auf die Verwirklichung von Freiheit und Gleichheit gerichteten französischen Code Civil auf. Weitere bedeutende Vorreiter des IPR in Frankreich sind Pillet, Niboyet, Batiffol und Lagarde.

1834 taucht das erste Mal der Begriff des "private international law" im Werk "Commentaries on the Conflict of Law" bei dem Rechtswissenschaftler und Richter am Supreme Court Joseph Story (1779-1845) auf. Diese Bezeichnung als "Internationales Privatrecht" wurde von dem deutschen Anwalt Wilhelm Schaeffner 1841 in sein Buch "Entwicklungen des Internationales Privatrechts" aufgenommen. Im Fall Robinson v. Blaud stellt auch Lord MAnsfield in England erste Bezüge zum IPR her. In Italien entwickelte Mancini das IPR, insbesondere das Staatsangehörigkeitsprinzip und den ordre public, weiter (1873). Seine Gedanken wirkten sich auch auf das Recht in Spanien, sterreich, Deutschland und vielen internationalen Abkommen aus.

D. Kodifikationen in Deutschland

Die erste Kodifikation eines IPR in Deutschland entstand 1896. Die Art. 7-31 EGBGB bestimmten vorrangig, wann deutsches Recht zur Anwendung kommen sollte.
1986 wurde das Kollisionsrecht grundlegend reformiert (Art. 3-38 EGBGB). Der Grund hierfür war der sog. Spanier-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. In diesem erklärte das Bundesverfassungsgericht die Grundrechte auch im IPR ausdrücklich für anwendbar. Daraufhin wurden einige alte Bestimmungen als gleichheitswidrig verworfen und neue Ausweichklauseln geschaffen.

Erst seit 1999 ist das IPR der außenvertraglichen Schuldverhältnisse und der Sachen in Art. 38-46 EGBGB kodifiziert. Lücken bestehen nur noch im Recht der Stellvertretung und dem Recht der juristischen Personen.

Vorrangig in Deutschland zu beachten sind die Kollisionsnormen des europäischen Gemeinschaftsrechts. Für die kollisionsrechtliche Bewertung außervertraglicher Schuldverhältnisse ist am 11.01.2009 die sog. Rom II-VO in Kraft getreten. Im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse gilt seit dem 17.12.2009 die sog. Rom I-VO. Im Unterhaltsrecht gilt seit dem 18.06.11. das HUntProt. Für die Ermittlung des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts gilt seit dem 21.06.2012 die Rom III-VO. Im Erbrecht ist die ErbVO in Kraft getreten, die seit dem 17.08.2015 gilt. Damit wird eine fast flächendeckende Regelung des IPR durch das Gemeinschaftsrecht bewirkt.

Eine wichtige Zukunftsaufgabe im Bereich des IPR ist die Herstellung eines breiteren internationalen Entscheidungseinklangs, insbesondere im Handelsrecht.




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